Keine Anklage gegen den Bombenbastler ?

Erstveröffentlicht: 
07.04.2011

Freiburg. Das Landgericht lehnt ein Verfahren gegen den Weiler Neonazi ab: Das Anschlagsziel sei unbestimmt. Von Heinz Siebold

 

Nach eineinhalb Jahren Ermittlungen gegen den damaligen „Stützpunktleiter” der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten aus Weil am Rhein (Kreis Lörrach) hat das Landgericht Freiburg den Antrag der Staatsanwaltschaft Lörrach auf Eröffnung eines Hauptverfahrens wegen der Vorbereitung eines Sprengstoffverbrechens abgelehnt. Nach Ansicht des Gerichts sind die Anhaltspunkte über Ziel und Zeitpunkt eines Anschlages zu unbestimmt.

Unbestritten ist zwar auch für die Kammer unter Vorsitz des Richters Wolfgang Schmidt-Weihrich, dass der bereits polizeibekannte Neonazi Ende August 2009 rund 22 Kilogramm chemische Substanzen, Zünder und Rohrmantel beschafft und gehortet hat. Die Menge hätte, so die Polizei nach dem Fund, ausgereicht, um eine verheerende Bombe herstellen zu können. Mehr Sprengstoffmaterial wurde bei Neonazis bundesweit zuvor nicht beschlagnahmt. Über das Ziel und das mögliche Datum eines Anschlags gebe es aber nur vage Vermutungen, befand das Freiburger Landgericht, so dass „ein hinreichender Tatverdacht” nicht gegeben sei. Es will lediglich einen Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz ahnden, weil der Neonazi auch ein Schweizer Sturmgewehr hatte. Dagegen könne vor einem Schöffengericht in Lörrach verhandelt werden.

Gegen den Beschluss hat die Staatsanwaltschaft Lörrach sofort Beschwerde eingelegt, die jetzt das Oberlandesgericht in Karlsruhe prüft. „Es ist eine sehr schwierige Rechtsfrage”, sagte Oberstaatsanwalt Dieter Inhofer der Stuttgarter Zeitung, „die man so oder so entscheiden kann. Das war uns klar.” Für die Lörracher Staatsanwälte sind die Hinweise, dass der Neonazi das linke Freiburger Zentrum KTS im Blick hatte ausreichend, deshalb will sie das Verfahren. „Wir haben getan, was wir konnten”, betont Inhofer.

Aus E-Mails des Bombenbastlers geht hervor, dass er das linksautonome Freiburger KTS-Zentrum auskundschaften ließ. Dies hatten nicht die Strafverfolgungsbehörden recherchiert, sondern die linksautonome Freiburger Antifa-Gruppe. Auch die Hinweise über die Beschaffung der Substanzen, die zur Verhaftung des Bastlers und zur Beschlagnahme von Material und Waffen führte, kamen von der Antifa. Weder Polizei noch Verfassungsschutz hatten ihren Angaben zufolge von der sich abzeichnenden Bedrohung in Südbaden gewusst. Über die steigende Militanz der Szene im Dreiländereck waren sich Beobachter allerdings schon zuvor im Klaren. Doch die Bildung einer kriminellen Vereinigung wurde offiziell rasch verneint, obwohl ein weiterer NPD-Funktionär in die Beschaffung der Chemikalien involviert war. Im Umfeld des Bombenbauers befand sich auch ein rechtsextremer Elitesoldat, den die Bundeswehr mittlerweile entlassen hat. Der scheidende rechtspolitische Sprecher der Landtags-SPD, Stephan Braun, reagierte „sehr verwundert” auf den Beschluss. „Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf ein ordentliches Verfahren”, sagte Braun.

 

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Kommentar: Gefahr nicht erkannt
Verfahrensfrage. Der Beschluss des Landgerichts in Freiburg tut gerade so, als ob ein Bombenleger seine Absichten bekanntgeben müsste. Von Heinz Siebold

Was muss man tun, wenn man eine Bombe legen will? Man kaufe sich ganz legal chemische Substanzen, etwa Wasserstoffperoxid, mit dem man Haare blondieren kann. Auch ein stabiles Eisenrohr, Stromkabel und ein Handbuch mit Anleitung für den teuflischen Sprengstoffmix, den man nur noch - mit einem Wecker als Zündauslöser - im Rohrmantel verpackt, am Ort des Anschlags deponieren muss. Nur darf man weder schriftlich oder mündlich irgendeine beweiskräftige Aussage darüber machen, wann und wo die Bombe gegen wen explodieren soll. Dann kann die Polizei das Zeug zwar noch vorher beschlagnahmen, vor den Kadi kommt man deswegen aber noch lange nicht. Dummes Geschwätz? Nein, lediglich die umgangssprachliche Interpretation des Beschlusses, den das Landgericht Freiburg zum Weiler Bombenbastler gefasst hat. Die juristisch wichtige und berechtigte Frage, wann eine Tat genau so vorbereitet wurde, so dass man von einem Versuch ausgehen muss, sollte aber nicht mit Argumenten aus vergangenen Zeiten beantwortet werden. Wie ist dann zu erklären, dass die islamistisch fundierte Sauerland-Gruppe mit ihren Kanistern voller Wasserstoffperoxid vor Gericht steht, der Weiler Neonazi aber nicht? Übrigens: wer Haare blond färbt, nimmt trotzdem besser etwas anderes.