Berlin: Senat droht Lehrkräften

Erhard Laube - Operative Schulaufsicht (Berlin)

In Berlin und anderswo streiken am 5. April 2011 die Lehrer und Lehrerinnen. Nun droht die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung in Berlin den (verbeamteten) Lehrkräften mit "disiplinarischen Ermittlungen", sollten diese am 5. April 2011 streiken. Den angestellten Lehrern und Lehrerinnen wird sogar die Kündigung angedroht. Trotzdem sind alle Lehrenden und Lernenden in Berlin und anderswo dazu aufgerufen, sich an einen Streik am 5. April 2011 für bessere Bedingungen in der Bildung zu beteiligen.

 

In den letzten Jahren gab es einige Streiks und Demonstrationen an dem sich Lehrkräfte, sowie Schüler und Schülerinnen beteiligt haben und sich für ein besseres Bildungssystem einsetzten. Doch auch in den letzten Jahren gab es ähnliche Drohungen der Vorgesetzten im Bildungswesen. Viele Lehrer und Lehrerinnen trauen sich darum nicht zu streiken. Sie haben Angst ihre Arbeit zu verlieren. Aber viele Lehrer und Lehrerinnen behalfen sich mit kleineren Tricks gegen das Streikverbot und die Angst. Als es letztes Jahr in Berlin hiess, es sei verboten zu streiken, unterrichteten die Lehrer und Lehrerinnen dort weiter - Jedoch nicht nach Lehrplan! Die Schüler und Schülerinnen wurden am Streiktag zum Thema Streik unterrichtet und von dem Verhalten des Berliner Senats informiert. Auf gleicher Augenhöhe wurde den lernenden in der Diskussion nahe gebracht, was Streik ist. Viele Lehrkräfte drückten beide Augen zu, als Schüler und Schülerinnen, Studenten und Studentinnen, im "Unterricht" fehlten, weil sie sich selbst an den Schulstreiks beteigten. Mancherorts wurden die Lehrenden selbst zu Lernenden und hielten zum ersten Mal ein selbstgemaltes Transparent auf der Strasse hoch.

Arten der Lehrkräfte in Deutschland

In Deutschland gibt es an Schulen zwei Arten von Lehrkräften: Die verbeamteten und die angestellten Lehrkräfte. Beide Gruppen machen die selbe Arbeit, nur dass die Einen, die Angestellten, privaten Arbeitsrecht unterstehen und die Anderen, die verbeamteten Lehrkräfte, einem Sonderrechtsverhältnis unterliegen. Verbeamtete Lehrkräfte haben sich zu einer gesteigerten Bindung an den Staat verpflichtet und die Einschränkung ihrer Grundrechte zugestimmt.

In der Praxis nehmen die Lehrkräfte, die verbeamtet werden wollen, an politischen Schulungen teil, und schwören dann einen Eid auf den Staat. Ähnliche Schwüre gibt es auch bei Juristen und Juristinnen, Polizisten und Polizistinnen, sowie Soldaten und Soldatinnen. Verbeamtete Lehrkräfte sind relativ unkündbar, bekommen mehr Gehalt als die Angestellten und machen nichts anderes als ihre angestellten Kollegen und Kolleginnen. Diese müssen ebenso Staatstreu sein. Bei den Lehrkräften gibt es, wie in den anderen Bereichen auch, Kontrollgremien, die die Staatstreue überwachen.

Zur Situation der Lehrer und Lehrerinnen

Die meisten Lehrer und Lehrerinnen bekommen vertraglich eine 40-Stundenwoche bezahlt. Aussenstehende sehen, dass diese Lehrkräfte ungefähr von 8 bis 16 Uhr in der Schule sind und meinen, dass die hohen Fehlzeiten der Lehrkräfte unmöglich sind. Doch der tatsächliche Arbeitsalltag der Lehrer und Lehrerinnen sieht anders aus. Viele Lehrer und Lehrerinnen sind ausgebrannt, werden krank, weil sie bis zu 14 Stunden täglich arbeiten. Und das nicht nur in der Woche, sondern auch an den Wochenenden und in den Ferien.

Die (unbezahlte) Arbeit der Lehrer und Lehrerinnen beginnt oft schon um 5 Uhr morgens. Der Unterricht muss vorbereitet werden. Dafür werden verschiedene Arbeitsmaterialien vorbereitet und dokumentiert. Insofern es die Zeit zulässt wird sich auf individuelle Lernschwächen von Schüler und Schülerinnen konzentriert. Ein individueller Lehrplan ist aufgrund der Klassengrösse und mangels Zeit fast nicht möglich. Viele Lehrer müssen dann lange Zeit zu ihrem Arbeitsplatz fahren. Die Kosten hierfür werden zwar teilweise erstattet, jedoch nicht entlohnt.

In der Schule sind die Lehrkräfte dann mit übergrossen Klassen konfrontiert. Klassengrössen von bis zu 30 Schüler und Schülerinnen sind mangels Finanzierung von Lehrkräften keine Seltenheit. Aber selbst Klassenstärken von 20 Personen sind zu viel und können keine individuell abgestimmte Lehre bieten. Viele Eltern sind auch dazu übergegangen ihren Kindern kaum Regeln beizubringen, sodass Lehrer und Lehrerinnen nicht nur ergänzende Erziehungsaufgaben übernehmen müssen, sondern die Erziehung vollständig übernehmen.

In vielen Schulen in Berlin braucht es aber nicht nur darum eine besondere Betreuung. Schüler und Schülerinnen aus Bürgerkriegsgebieten brauchen z.B. eine ganz andere Unterstützung. Haben sie eben noch gesehen, wie ihren Nächsten die Köpfe abgehackt und ihre Leiber vergewaltigt wurden, sollen sie nun schön brav am Unterricht teilnehmen. Das funktioniert so nicht. Selbst in besonderen Schulen mit Klassenstärken von 6 bis 10 Schüler und Schülerinnen bedarf es mindestens zweier Klassenlehrer bzw. Klassenlehrerinnen und sozialer Arbeiter und Arbeiterinnen, um eine menschenwürdige und gleichberechtigte Bildung zu ermöglichen.

Hierzu ist zu sagen, dass wenn Lehrkräfte eine bestimmte Aufgabe übernehmen, d.h. z.B. Klassenlehrer oder Klassenlehrerinnen werden, dass sie auch dann nicht für den Mehraufwand entlohnt werden. Hausbesuche, Elterngespräche, Arbeitskorrekturen, Nachilfe und Schulversammlungen - alles was ein normaler Lehrer und eine normale Lehrerin macht, wird nicht entlohnt. Wenn nachmittags für die Schüler und Schülerinnen die Schule aufhört, dann fängt für die Lehrkräfte die Arbeit erst so richtig an. Sie müssen ihre Stunden auswerten, an drögen Personalversammlungen teilnehmen, Elternbriefe fertigmachen und diese dann auch besuchen. Bis spät in den Abend oder sogar in die Nacht werden dann Dikate, Klausuren, Übungen, Hausaufgaben und sonstige Arbeiten von den Lehern und Lehrerinnen kontrolliert. In den für andere Arbeiter und Arbeiterinnen lang erscheinenden Ferien arbeiten die Lehrkräfte jedoch auch. So hören die Sommerferien für die Lehrkräfte z.B. eine Woche früher auf, da diese an vorbereitenden Versammlungen teilnehmen müssen. In den Ferien kann es vorkommen, dass Fach-Lehrkräfte in den Schulen aufräumen müssen, z.B. alte Lehrbücher aussortieren und neues Arbeitsmaterial beschaffen. Auch sind die Lehrer und Lehrerinnen oft für die Gestaltung der Klassenzimmer verantwortlich.

Auch die körperliche Anstrengung von Lehrern und Lehrerinnen ist enorm. So müssen sie Stunde für Stunde Treppen laufen, um ihre jeweiligen Unterrichtsräume zu erreichen. Da sie ihre Arbeitsmaterialien brauchen, un oft auch kiloweise Arbeiten der Schüler und Schülerinnen verteilen, müssen sie das alles mit sich rumschleppen. Diesbezügliche Erkrankungen werden oft in keinem abreitsrechtlichen Kontext gesehen.

Der Streik am 5. April 2011

Trotz des Streik-Verbots durch den Berliner Senat wird es an den Schulen in Berlin und anderswo Streik geben. Am 5. April 2011 werden ab Punkt 12 Uhr die Lehrkräfte die Schulen verlassen und sich an dem Streik beteiligen. Schüler und Schülerinnen sind aufgerufen sich an diesem Streik zu beteiligen. Denn die Lernenden sind ebenso durch die Verhältnisse betrioffen wie die Lehrenden.

Streik ist keine Frage des herrschenden Rechts, sondern eine unkontrollierbare Widerstandsform von Arbeitern und Arbeiterinnen! Für den 5. April 2011 ist es wichtig, dass sich auch andere Berufsgruppen und arbeitslose Menschen an den Streik beteiligen. Denn Bildung ist etwas für alle Menschen. Bildung muss für alle Menschen kostenfrei und hochwertig sein!

Geht also nicht nur auf die Strasse, sondern kommt auch in die Schulen. Werft Streikbrecher und Streikbrecherinnen aus den Schulen und gebt acht, dass den Lehrkräften bzw. den Lernenden vorgesetzten Personen kein Spielraum für Angstmacherei gelassen wird. Gewalt, in welcher Form auch immer, wird entsprechend beantwortet. Geht an diesem Tag auch in die Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung - Macht ihnen klar, dass Wir Uns nicht bedrohen lassen.

Nicht nur Lehrer und Lehrerinnen sind zu dem Streik aufgerufen, sondern Menschen in allen Berufen können sich am Streik beteiligen. Bildung ist etwas an dem alle Menschen teilhaben!

Drohschreiben mit System

Das Drohschreiben "Infoblatt - Streikaktion am 5.4.2011" der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung in Berlin ist keine Blähung einer einzelnen Person, sondern sehr systematisch und planvoll. Wie auch bei der Staatsanwaltschaft in Berlin (Abteilung 81) und bei der Polizei (LKA 5 Staatsschutz) gibt es in der Senatsverwaltung eine repressive d.h. ordnungserhaltende Struktur, die ein Stören der Ordnung - was ein Streik nun mal ist - verhindern und gegen Störer und Störerinnen innerhalb des Systems vorgehen soll.

Der Verfasser dieses Drohschreibens ist Erhard Laube, Leiter der "operativen Schulaufsicht". Die "operative Schulaufsicht" ist eben diese Abteilung in der Senatsverwaltung, der für den Bereich Schulen auf die Aufrechterhaltung der Ordnung achtet und störende Lehrer und Lehrerinnen zu disziplinieren sucht.

Für das Drohschreiben kann sich übrigens direkt bei Erhard bedankt werden. Schreibt ihn doch eine Mail oder ruft ihn mal an

Erhard Laube
Tel.: 90227 6670
Fax: 90227 6673
erhard.laube@senbwf.berlin.de

Anderer Artikel zum Thema:

https://linksunten.indymedia.org/de/node/3659
2 | http://de.indymedia.org/2011/03/303778.shtml


http://www.youtube.com/watch?v=jKbAchSzmvk

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Vor 6 Jahren hat die PDS/Linke im Verwaltungssektor von ca. 1050 Stellen ca. 260 Stellen für die "operative Schulaufsicht" beanschlagt.

Skandal dürfte aber sein, dass Drohbriefschreiber Erhard Laube früher Chef der GEW, also der "Lehrergewerkschaft" war.

Was soll denn ein Skandal daran sein, dass Laube früher Chef der GEW war? Das ist eine seit Jahrzehnten geübte ganz normale Praxis. Es gibt Branchen, da haben Gewerkschaftsbosse quasi ein erbliches Anrecht darauf, auf hochbezahlte Stellen der Gegenseite zu wechseln. Es gibt z.B. kein Stahlwerk und keinen Stahlkonzern, wo die Personalgeschäftsführer nicht ehemaligen hochrangige Gewerkschaftsfunktionäre (Bezirksvorsitzende, Mitglieder des Landesvorstandes) der IG Metall sind. Für viele der Funktionäre macht gerade diese Aussicht auf Spitzenjobs in der Industrie den Reiz einer Gewerkschafter-Karriere aus. Die Praxis gehört fest zu dem System, mit dem die DGB-Gewerkschaften in die kapitalistischen Entscheidungskreisläufe einbezogen sind. Ein Skandal ist doch vielleicht eher die unglaubliche Naivität und Ignoranz, mit der viele Linke sich über die Funktion der (DGB-) Gewerkschaften hinwegzutrösten versuchen.

Je mehr Lehrer sich an den Streikmassnahmen beteiligen,um so weniger gross kann die Repressionwelle werden.Er kann ja nun einmal schlecht die Lehrer kündigen,bei der extrem dünnen Personladecke im Schuldienst Berlins.Also alle raus zum Streik und einfach mal gezeigt,was man von drohungen ehemaliger Gewerkschafter hält.