Atomkraftgegner ketten sich an

Erstveröffentlicht: 
16.02.2011

 KARLSRUHE (dpa). Auf Bäumen und unter Gleisen: Mit allen Tricks haben Castor-Gegner in Karlsruhe gegen den Atommüll-Transport demonstriert. Die spektakuläre Aktion gelang ihnen direkt am Startpunkt Transports – und sollte erst der Anfang des Protests sein.
Nur wenige Minuten brauchen die Aktivisten, um sich anzuketten. Mehr als neun Stunden dauert es, sie wieder loszubekommen. 20 Greenpeace-Kämpfer haben sich aus Protest gegen den geplanten Atommülltransport von Karlsruhe nach Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern am Dienstag vor der ehemaligen Wiederaufarbeitungsanlage WAK an Gleise und ein Tor fixiert. Vier weitere Aktivisten sitzen auf Bäumen, drei auf einer Hebebühne über den Schienen.

Ausgerechnet dort – direkt vor dem Tor der Anlage – hat die Polizei gerade nicht aufgepasst. Deshalb konnten die Aktivisten blitzschnell und sehr professionell zuschlagen. Ein gelungener Auftakt für ihre Proteste, finden die Castor-Gegner. „Die haben einfach Glück gehabt“, reagiert dagegen ein Polizeisprecher. Heinz Smital von Greenpeace sagt: „Der Müll hat in Lubmin nichts verloren.“ Am besten keinen weiteren Müll produzieren, finden auch die jungen Menschen, die sich in aller Herrgottsfrühe an die Gleise gekettet haben. Ihre Hände und Arme stecken bis zum Ellenbogen in rechtwinkligen Stahlrohren, die sie unter den Schienen durchgeführt haben. Das Gleis fest umarmt und in warme gelbe Overalls eingepackt, harren sie der Dinge. Ein Pärchen versorgt die Aktivisten mit frischen Brezeln.

Die „Schienen-Umarmer“ können nicht einfach losgeschnitten werden können. „Experten haben uns gesagt, dass es das Beste ist, die Schienen zu lösen“, erklärt ein Polizeisprecher. Also wird geflext, was das Zeug hält. Die Schiene wird durchgeschnitten, an einer Seite angehoben, der Aktivist von mehreren Polizisten gewissermaßen abgestreift. Was sich einfach anhört, ist in der Praxis aufwendig und zeitraubend. Mehrere Dutzend Polizisten und Mitarbeiter der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG) sind im Einsatz, samt schwerem Gerät: zwei Kräne, ein Unimog und Lastwagen.

Viel Aufwand – wenige Stunden vor dem Startsignal. In der Nacht zum Mittwoch sollen die fünf Castoren mit 56 Tonnen radioaktiven Abfalls aus der vor zwei Jahrzehnten stillgelegten Wiederaufarbeitungsanlage auf die Reise gehen.

Kurz vor 14 Uhr ist es vollbracht: Die letzte Aktivistin ist von den Gleisen gelöst und wird von Beamten abgeführt. Eine ihrer Kolleginnen ist so erschöpft, durchgefroren und steif, dass sie nicht mehr richtig laufen kann. SEK-Beamte – viele davon Stuttgart-21-erfahren – haben inzwischen mit Kränen die Aktivisten aus den Bäumen und von der Hebebühne geholt. „Der Zeitplan für den Transport ist nicht gefährdet“, hofft der Polizeisprecher. „Ich denke, dass wir ihn jetzt störungsfrei über die Landesgrenze bringen.“ Entlang der Strecke bis Lubmin sind rund 40 weitere Aktionen der Castor-Gegner geplant.