Rechte Werbung nicht geahndet

Erstveröffentlicht: 
04.02.2011

Rechte Werbung nicht geahndet

 

Von Wolf H.Goldschmitt


GERICHT NPD-Funktionär hat Propaganda-Flyer vor Schule verteilt / Mit alter Strafe verrechnet

Schwarze Cargohose, schwarzes Hemd, schwarze Stiefel, Glatze und braune Jacke: Er ist eine schwergewichtige Reizfigur der Antifaschisten, doch der 41-jährige Mannheimer NPD-Funktionär Christian H. verlässt das Heidelberger Amtsgericht ohne Strafe. Der Vorwurf, vor dreieinhalb Jahren vor Eberbacher Schulhöfen rechtes Propaganda-Material verteilt zu haben, wird mit einer früheren Verurteilung des ehemaligen NPD-Landtagskandidaten in Rheinland-Pfalz „verrechnet“.

 

Der Chef des rechten „Aktionsbündnisses Rhein-Neckar“ und Veranstalter von rechten Konzerten bei regionalen Rockergangs war wegen Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung in einem anderen Fall vom Mannheimer Amtsgericht zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt worden. Angesichts dieser Tat und ihrer Bestrafung falle die radikale Mitgliederwerbung mit einer inzwischen verbotenen Zeitschrift und einer so genannten Schulhof-CD der Nationaldemokraten nicht mehr ins Gewicht, sind sich die Richterin Regina Kaufmann-Granda und Staatsanwalt Florian Pistor einig.

 

„Linke Pauker vermitteln falsches Geschichtsbild“

 

Ein Blick zurück: Die einschlägig bekannten rechten Aktivisten René R., Marco B. und René B. hatten am 8. Oktober 2007 zusammen mit dem vorbestraften Skinhead H. gegen 7 Uhr vor Eberbacher Schulen CDs, Flyer und Ausgaben der Streitschrift „Perplex“ verteilt. In diesem Heft werden die Lehrer als „Linksextreme 68er“ bezeichnet, die „Schwachsinn“ unterrichten. Der verfassungswidrige Inhalt geht auch auf den Zweiten Weltkrieg ein. Der NPD zufolge würden die „linken Pauker“ an den Schulen bewusst ein falsches Geschichtsbild vermitteln. Doch hinter den Print-Attacken stecken im Fall Eberbach offensichtlich noch andere Motive als nur neue „Parteirekruten“ zu werben. Die dortige Realschule war von den Männern offensichtlich gezielt ausgewählt worden, weil hier seit knapp vier Wochen ein bestimmter Lehrer unterrichtete. Michael C. hatte nämlich einen jahrelangen Rechtsstreit gegen das Land Baden-Württemberg gewonnen, das seine Mitgliedschaft in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg zum Anlass für ein Berufsverbot genommen hatte.

 

Ex-Hooligan Christian H. kündigt neue Taten an

 

Um es ihrem Intimfeind zu zeigen, hatte eine Ludwigshafener NPD-Zelle vor ihrer Propaganda ein Video zusammengeschnitten, das den Eberbacher Lehrer in die Nähe von Terroristen rückt. Dabei kündigt der ehemalige Hooligan der Waldhof-Anhängergruppe „The Firm“ und heutige Hartz-IV-Empfänger H. nach der polizeilich gestoppten Eberbacher Aktion neue Taten an. Der Preis spiele keine Rolle. 1 000 CDs kosteten etwa 100 Euro, aber ein „neuer Aktivist für das demokratische Gleichgewicht in den Schulen“ sei unbezahlbar.

 

Bereits am 24. Februar 2010 waren die zwei an der Eberbacher Verteilaktion beteiligten Neonazis René R. und Marco B. vom Amtsgericht Heidelberg zu Geldstrafen von 400 beziehungsweise 4 800 Euro verurteilt worden, wogegen sie inzwischen Berufung eingelegt haben.

 

Im Zuge der Polizeiarbeit fanden fünf Hausdurchsuchungen statt, bei denen 200 Exemplare der Zeitschrift „Perplex“ und ein Computer sichergestellt wurden. Auf dem Computer des damals in Ludwigshafen lebenden Neonazis Mathias H. wurden schließlich das Video sowie Video-Rohmaterial entdeckt. Wer letztlich für das „Making of...“ des Hetzstreifens verantwortlich ist, lässt sich - nicht zuletzt auch wegen lückenhafter polizeilicher Ermittlungen - heute allerdings nicht mehr mit Gewissheit feststellen. Auch die Zeugen brachten das Gericht nicht weiter.