Anwältin Hödl über die Zustände im G-20-Knast „Nacktdurchsuchungen davor und danach“

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Erstveröffentlicht: 
11.07.2017

In 24-Stunden-Schichten war der anwaltliche Notdienst für die Menschen da, die von den G-20-Demos in die Gefangenensammelstelle in Harburg gebracht wurden.

 

 

taz: Frau Hödl, am Wochenende wurde einer Ihrer Kollegen von der Polizei angegriffen. Was war der Auslöser?


Daniela Hödl: Mein Kollege hat beanstandet, dass die Gefangenen sowohl vor als auch nach den Anwaltsgesprächen durchsucht wurden. Dafür wurde er mit körperlicher Gewalt aus dem Sprechcontainer entfernt. Man muss dazu sagen, dass die Personen sich bei der Untersuchung in den meisten Fällen vollkommen nackt ausziehen mussten. Das ist natürlich eine übermäßige Belastung der Mandant*innen und eine Verletzung der Privatsphäre. Als Grund wurde angegeben, dass kontrolliert wird, ob die Anwältinnen und Anwälte gefährliche Gegenstände übergeben hätten.

 

Kommt so etwas häufiger vor?


Nein, denn Anwälte sind Organe der Rechtspflege. Die Vorstellung, dass Anwältinnen und Anwälte das Mandatsgespräch dazu nutzen, gefährliche Gegenstände an die Gefangenen zu übergeben, ist nicht üblich. Zusätzlich wurden wir mit einer Taschenkontrolle durchsucht.

 

Gab es noch andere solcher Vorfälle?


Ja, eine Anwältin hat zeitweise Hausverbot bekommen, weil sie Durchsuchungen beanstandet hat. Ein anderer Kollege wurde aus dem Gerichtssaal entfernt und auf der Straße wurden Anwält*innen teilweise geschubst oder bedroht.

 

Stimmt es, dass in manchen Fällen der Zugang zu den Mandant*innen verwehrt wurde?


Ja, zeitweise wurden den Mandant*innen die Gelben Seiten vorgelegt anstatt die Nummer unseres anwaltlichen Notdienstes. Durchgehend war der Kontakt zu uns also nicht gewährleistet.

 

 

Wie konnte das passieren?


Ich hatte das Gefühl, dass die Personen vor Ort überfordert und die Abläufe nicht wirklich geplant waren. Es gab zum Beispiel anfangs nur eine geringe Anzahl an Sprechcontainern, in denen die Mandant*innen mit den Anwält*innen sprechen konnten. Die wurden erst im Laufe der Zeit aufgestockt. Dann gab es sehr, sehr große Verzögerungen. Bei Gewahrsamnahmen steht im Gesetz, dass die Personen unverzüglich einem Richter vorgeführt werden müssen. Hier lagen zwischen der Festnahme und der richterlichen Vorführung regelmäßig zwischen 18 und 19, in einem Fall sogar 23 Stunden.

 

Warum wurden manche sogar bis Montag festgehalten?


Das lag an der polizeilichen Gefahrenprognose. Meistens endet die, wenn die Proteste beendet sind. In manchen Fällen wurden am Sonntag jedoch weitere Gewahrsamnamen mit der Begründung angeordnet, dass am Sonntagabend die Soli-Demo vor der Sammelstelle stattfinden sollte. Ich finde, das war eine Fehleinschätzung. Die Demo war nicht mit dem zu vergleichen, was im Schanzenviertel passiert ist. Man hatte den Eindruck, dass Leute bestraft werden sollten, obwohl das natürlich nicht der Sinn des Präventivgewahrsams ist.

 

Wie war denn die Situation in der Gefangenensammelstelle?


Wir waren zwar nur in den Sprechräumen, haben aber Berichte von unseren Mandant*innen gehört. Von Nacktdurchsuchungen haben uns ganz viele berichtet. Außerdem davon, dass sie nicht schlafen konnten, weil immer das Licht an war; dass in halbstündigen Abständen gegen die Tür gepoltert wurde oder jemand rein kam mit der Begründung einer sogenannten Lebendkontrolle.

 

Das klingt nach Schikane.


Könnte man so sagen. Teilweise haben wir auch beobachtet und uns wurde berichtet, dass Leute sehr hart angefasst wurden und mit schmerzhaften Polizeigriffen geführt wurden. Teilweise haben Beamte sie auch beschimpft oder sich über sie lustig gemacht.

 

Gab es denn genug zu Essen?


Viele haben berichtet, dass die Versorgung mit Essen unzureichend war, dass sie nur sehr wenig bekommen haben, nur auf Nachfrage und nur in sehr großen zeitlichen Abständen. Eigentlich sind diese Zellen auch nicht dafür geeignet, dass die Gewahrsamnahme so viele Stunden dauert. In den Zellen gab es nicht mal ein Bett. Man konnte nicht richtig schlafen.

 

Und wie war es für Sie in der Sammelstelle?


Sehr, sehr schwierig. Wir haben uns 24 Stunden lang im Schichtdienst bereitgehalten. Dennoch war es uns nicht möglich, Mandant*innen richtig zu betreuen, weil lange Bearbeitungszeiten dazwischenlagen. Mandanten, mit denen ich vorher gesprochen hatte, konnte ich nicht in der Anhörung vertreten. Kontinuierlich eine Mandantin oder einen Mandanten zu betreuen, war nicht gewährleistet.