Enttarnung im Prozess: Asylbewerber als V-Leute in Freiburg: Aufenthaltserlaubnis gegen Spitzeldienste?

Erstveröffentlicht: 
19.04.2017

Dass die Polizei mit V-Leuten arbeitet, ist kein Geheimnis. Wohl aber, wie diese Zusammenarbeit aussieht und dass auch Asylbewerber als V-Leute arbeiten. Wie werden sie entlohnt? Nach einem Prozess am Landgericht bleiben Fragen.

 

Von Frank Zimmermannn

 

Milan Petrovic (Name von der Redaktion geändert) ist 38 Jahre alt und kommt aus Montenegro. Heute sitzt er als Zeuge in Saal IV des Landgerichts. Dass er eine kriminelle Vergangenheit hat, wird in seiner Vernehmung im Prozess gegen ein Paar deutlich, das wegen versuchten Mordes angeklagt ist.

 

Petrovic sagt aus, er habe das Paar zufällig auf dem Stühlinger Kirchplatz getroffen und die beiden flüchtigen Bekannten – "warum nicht?" – mit nach Hause genommen, wo man zusammen Kokain schnupfte. Die beiden vertrauten ihm ihre Tat an. Am nächsten Tag kontaktierte Petrovic einen Polizisten.

 

Zwei Stunden später. Jetzt sitzt ein anderer Zeuge vor Gericht: Rainer Schneider*, 45, Kriminalhauptkommissar. Er ist der Kripomann, den Petrovic am Tag nach der Tat per SMS kontaktierte. Er kenne Petrovic seit 2003 und regle für ihn "Behördenangelegenheiten", sagt Schneider. Warum macht ein Polizist so etwas für einen wenig vertrauenswürdigen Asylbewerber aus dem Drogenmilieu? Im Gerichtssaal staunt man nicht schlecht.

 

Es gibt Geld oder "sonstige Vergütungen"

 

Schneider sagt: "Mit Sicherheit erwartete er eine Belohnung." Er selbst habe ihm nichts versprochen. Jetzt wird klar: Milan Petrovic und Rainer Schneider kennen sich, weil der eine V-Mann, der andere sein Kontaktmann bei der Polizei war.

 

Neben Geld könnten V-Leuten in besonderen Fällen auch "sonstige Vergütungen" gewährt werden, es gebe dafür landesweit gültige Berechnungsgrundsätze, sagt Polizeisprecherin Laura Riske.

 

Um was für Vergütungen es sich handelt, sagt sie nicht. Sie betont, dass der Betroffene im vorliegenden Fall nur als Zeuge gehandelt habe. Mit Sicherheit seien ihm keinerlei Vergünstigungen gewährt worden. Bis Sommer 2016 hatte Petrovic wegen seiner V-Mann-Tätigkeit eine Duldung, sagt Polizist Schneider im Gericht. Damit widerspricht er Polizeisprecherin Riske, die sagt, dass Petrovic "seit etlichen Jahren nicht mehr als Vertrauensperson geführt" werde. Aber warum regelt Schneider dann noch immer dessen "Behördenangelegenheiten"?

 

Schneider sagt über Petrovic auch: "Er weiß, wenn er nicht mehr benötigt wird, muss er zurück nach Montenegro." Die Aufenthaltserlaubnis sei mit der Staatsanwaltschaft und dem zuständigen Regierungspräsidium Karlsruhe abgestimmt.

 

Bekommen V-Leute Aufenthaltserlaubnisse?

 

Hoffte der Ex-Kriminelle durch seine Aussage die V-Mann-Beziehung erneuern und eventuell eine Erneuerung der Duldung bekommen zu können? Seine Abschiebung sei lediglich ausgesetzt, weil er noch Zeuge in einem bevorstehenden Gerichtsverfahren sei, sagt Riske. Carsten Dehner, Sprecher des baden-württembergischen Innenministeriums, sagt: "Eine Verlängerung der vorübergehenden Aussetzung der Abschiebung kommt nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht." Dem Freiburger Oberstaatsanwalt Michael Mächtel sind, was Aufenthaltserlaubnisse ausländischer V-Leute betrifft, Absprachen von Staatsanwaltschaft und Regierungspräsidium nicht bekannt; wenn, seien das Ausnahmefälle.

 

Eines sei klar, sagt Polizist Schneider: Er schütze Petrovic nicht, wenn dieser straffällig werde. "Nicht, dass der Eindruck entsteht, ich kuschel mit ihm." Auch Ministeriumssprecher Dehner versichert: "Die Vertrauenspersonen genießen strafrechtlich keinen besonderen Schutz." Will heißen: Auch ein V-Mann muss, wenn er eine Straftat begeht, vor Gericht dafür geradestehen. Dass ein V-Mann kriminell unterwegs ist, könne nicht ausgeschlossen werden. "Gegebenenfalls wird die Zusammenarbeit mit der Polizei dann beendet."

 

Fragen nach der Zahl der V-Leute, der Einsatzhäufigkeit und Bezahlung beantworten weder Polizei noch Innenministerium. Das Justizministerium verweist ans Innenministerium, der Staatsanwalt an die Polizei. "Dem Schutz der Personen, denen über die Staatsanwaltschaft schriftlich eine Vertraulichkeit zugesichert wurde, kommt eine sehr hohe Bedeutung zu", deshalb könne man keinerlei detailliertere Fragen beantworten, wiegelt Polizeisprecherin Riske ab. Und Dehner erklärt: Der Einsatz von V-Leuten sei in einer bundeseinheitlichen Vorschrift geregelt, es gelte die Strafprozessordnung und das Polizeigesetz. Zur Vorschrift selbst kann er "aus ermittlungstaktischen Gründen" nichts sagen.