Hakenkreuz im Kindergarten

Kitas müssen sich zunehmend mit Rechtsextremisten auseinandersetzen. Das Kulturbüro will Rat geben. Von Sven Heitkamp

 

Leipzig. Es waren erschreckende Hilferufe von Eltern und Erziehen aus Kindergärten in vielen Ecken Sachsens: Was tun, wenn Kinder in der Kita den Hitler-Gruß zeigen? Wenn sie Sig-Runen malen oder Hakenkreuze aus Lego-Steinen bauen?

 

Das Kulturbüro Sachsen, landesweit eine Institution im Kampf gegen Rechtsextremismus, bekam in den vergangenen Jahren verstärkt solche Hinweise und Anfragen aus Kitas. „In einigen Regionen Sachsens häuften sich Anmeldungen von Kindern, deren Eltern lokal als ,Rechte‘ bekannt sind“, sagt Berater Danilo Starosta. In manchen Hochburgen seien es gleich mehrere Eltern von mehreren Kindern, die in der rechtsextremen Szene hohe Funktionen innehaben. Manche drängten zudem in den Elternrat. „Die Eltern machen genauso wie alle anderen von ihrem Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz Gebrauch“, sagt Starosta. Doch aus Gesinnungsgründen könne man sie kaum abweisen. Zugleich herrscht jedoch Angst in manchen Einrichtungen, von Nazis bedroht zu werden, wenn man sich kritisch äußere.

 

Das Kulturbüro in Dresden begann daher 2013 im Auftrag des Landesjugendamtes, Feldforschung zu betreiben. Herausgekommen ist nach unzähligen Beratungsgesprächen über „Nazis“ und Migranten in der Kita ein anschaulicher Praxisratgeber, der nun in Leipzig vorgestellt wurde.

 

Das Kulturbüro unterstützt Einrichtungen, die es mit rechtsextremen Erscheinungen oder mit Rassismus im Alltag zu tun bekommen. Und nicht nur das: Auch der Zuwachs von Einwanderern und Flüchtlingsfamilien spielt eine zunehmende Rolle. Der Ratgeber, der auch im Internet zu finden ist, enthält nun erste Handlungsideen zum Umgang mit Eltern, die in der rechten Szene aktiv sind, und zum Umgang mit rassistischen Fällen im Kita-Alltag. Die enttäuschende Nachricht: Ein einfaches Patentrezept gibt es nicht. „Man kann nicht einfach einen Zettel aus einem großen Kasten ziehen“, sagt Danilo Starosta und gibt ein Beispiel. Für eine Beratung wurde das Kulturbüro 2015 von einer Mutter beauftragt, deren zwei Söhne in einer Kita in einer sächsischen Großstadt rassistische Übergriffe erlitten. Ihre Gespräche mit der Erzieherin und der Kita-Leiterin halfen kaum, die Mitarbeiter fühlten sich zu Unrecht dem Vorwurf des Rassismus ausgesetzt – und wandten sich ebenfalls ans Kulturbüro. Über ein halbes Jahr führten die Berater mehrere Gespräche, unter anderem über das Lied „Alle Kinder lernen lesen“ und dessen Tenor: Selbst Indianer und Chinesen. Es hatte sich ein Streit entsponnen, ob das Lied rassistisch sei. In mehreren Runden wurde viel diskutiert, über die eigene Identität, über Gemeinschaften und Gesellschaft und über den Umgang von Kita mit Asyl und Flucht.

 

Ähnlich lief es, als eine aktive Pegida-Rednerin einen Kindergarten öffentlich als Beispiel für die „Islamisierung des Abendlandes“ angeprangerte, weil der Essenlieferant nur Ernährung ohne Schweinefleisch anbietet. Schließlich lud man in einem Elternbrief zu Gesprächen über pädagogische Werte und Begriffe wie Abendland, Patrioten und „Islamisierung“ ein. Eine Debatte, die schließlich positive Resonanz beim gesamten Träger auslöste.

 

In der Broschüre stellt das Kulturbüro unter anderem Kurse zum erzieherischen Alltag und zur Konfliktfähigkeit im Team vor. Außerdem informiert der Ratgeber über verdeckte Erkennungszeichen und Symbole der rechten Szene wie die Modemarke Alpha Industries.

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