Serie zur Alt-Right-Bewegung (2/3) „Trump ist nicht mein Kandidat“

Erstveröffentlicht: 
18.02.2017

Das Thema Identität ist zentral bei den US-Nazis. Mit aggressiv betonter „Weißheit“ und Antisemitismus reüssieren sie auch auf globaler Ebene.

 

Oktober 2015. Erste politische Beobachter halten es für möglich, dass Trump Präsidentschaftskandidat der Republikaner werden könnte. Am Tag nach dem Meeting des ultrarechten Onlinenetzwerks Stormfront am Lake Tansi in Tennessee lädt David Duke zu einem Ausflug in die nahen Great Smokey Mountains. Während wir im Nebel steil bergauf steigen, werde ich Zeuge Dukes anthropologischer Theorien: „Unsere Vorfahren lebten mitten in den Wäldern und aßen Würmer. Dann kamen die Juden und haben das Fast Food erfunden.“

 

Die ganze Truppe hört gebannt zu. Was fasziniert die Leute an so einem Dreck? Ein Paar gesellt sich zu mir, sie haben erfahren, dass ich Deutsch spreche, und wollen mich kennenlernen. Schon am Tag zuvor sind sie mir aufgefallen, sie schienen nicht ganz so primitiv zu sein wie die anderen, keine Schimpfwörter, keine rassistischen Beleidigungen. Was haben sie hier zu suchen, bei diesem Haufen gewalttätiger Idio­ten? „Wir sind hier, weil wir Deutsche sind“, sagt der Mann, der tatsächlich „Ehemann“ heißt, es aber wie „Hey-man“ ausspricht. Und kein Wort Deutsch spricht.

 

Das Thema Identität ist zentral bei den US-Nazis. Und die aggressiv betonte „Weißheit“ und der mörderische Antisemitismus sind Elemente, mit denen sie auch auf globaler Ebene reüssieren.

 

Die russische NGO Sowa-Zentrum hat Dokumente veröffentlicht, die die Gründung der Geheimorganisation World National-Conservative Movement (WNCM ) 2015 in Moskau belegen, der mehr als 70 Parteien, Bewegungen und Vereine beigetreten sind, darunter die NPD, Forza Nuova (Italien), Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte, Griechenland), Jobbik (Ungarn) und Die Russlanddeutschen Konservativen.

 

Im Vorstand des WNCM dominiert die Alliance for Freedom and Peace (AFP), die im EU-Parlament Putins Russland unterstützt, gegen die Nato und für das Assad-Regime eintritt und die Auflösung der EU fordert. Die AFP versammelt in ihren Reihen Gruppierungen wie Flanders Identitists (Belgien), Arbeiterpartei der sozialen Gerechtigkeit (DSSS, Tschechien), Dans­kernes Parti (Dänemark), NPD, Goldene Morgenröte, Forza Nuova (Italien), Kotleba – Volkspartei Unsere Slowakei, Democracia Nacional (Spanien) und British Unity Party. 

Draußen Sizilien-Flagge, drinnen Italien-Kitsch

 

Oktober 2016, der Endspurt im Wahlkampf läuft. Am Union Square mitten in Manhattan nehme ich die Subway M Richtung Coney Island. Ich steige Ocean Parkway aus und gehe auf der Avenue U bis zum Restaurant Tre Fontane. Die Flagge Siziliens weht über der Eingangstür, drinnen hängt Italien-Kitsch an den Wänden. Mich erwarten Frank und Georgeos. Frank habe ich via Stormfront kennengelernt, er ist Italoamerikaner, administriert die Seite von Forza Nuova in den USA und ist auf dem Sprung nach Rom für einen Kongress der Alliance for Freedom and Peace.

 

Und er ist aufgeregt, weil der AFP-Vorsitzende Roberto Fiore persönlich ihn gebeten hat, offizieller Repräsentant der Partei in den USA zu werden. Roberto Fiore (geboren 1959) ist einer der führenden Köpfe des italienischen Neofaschismus. Weil er in Italien wegen Beteiligung am neofaschistischen Attentat von Bologna 1980 gesucht wurde, setzte er sich nach London ab. 2000 konnte er aufgrund einer Amnestie nach Italien zurückkehren und gründete dort Forza Nuova.

 

 

Auch Georgeos, der ein schwarzes T-Shirt mit dem Symbol der Goldenen Morgenröte trägt, hat Freunde in London: „Eines Tages klingelt mein Handy, Nummer unterdrückt. Ich gehe ran, ‚Hi, hier ist Nick Griffin, ich bin Chef der British National Party.‘ Aber ich glaube ihm kein Wort und lege einfach auf.“ Georgeos ist ein aggressiver Typ, halb Grieche, halb Italoamerikaner, und er ist der Sprecher der Goldenen Morgenröte in den USA. Nick Griffin, der von 2009 bis 2014 im EU-Parlament saß, wollte über ihn Kontakt zu den griechischen Nazis aufnehmen. Da war er bei Georgeos richtig, denn der sammelt von Queens aus nicht nur Geld für die Kameraden ein, sondern ist auch der Kontaktmann zu den White Su­pre­macists, unter ­ihnen Matthew Heimbach, Leader der Traditionalist Worker Party.

 

„Klar kenne ich Matthew, wir waren zusammen in der alten Heimat, die griechischen Mamas nannten ihn immer ‚das gute Söhnchen‘, weil er sich vor jedem Essen bekreuzigte.Bekannt durch Gewalt

Matthew Heimbach wurde einer größeren Öffentlichkeit bekannt, als er am 1. März 2016 bei einer Wahlkampfveranstaltung Trumps eine afroamerikanische Frau verprügelte, die gegen Trump protestierte. Ihn sah ich zum ersten Mal während der republikanischen Convention im Juli 2016 in Cleveland, Ohio. Die Polizei hatte eine Warnung an Rechtsextremisten herausgegeben, sich von Cleveland fernzuhalten. Nur ein paar Nazis hatten sich darüber hinweggesetzt, der immer elegant gekleidete Richard Spencer vom National Policy Institute etwa hielt ein Plakat hoch: „Ich bin ein Rassist. Wollen Sie mich interviewen?“ Und eben Heimbach, der mit einigen seiner Kameraden durch die Innenstadt streifte, auf der Jagd nach Gegendemonstranten.

 

Eine Woche später sah ich Heimbach wieder, in Chatta­noo­­ga, Tennessee. Dorthin hatte Rick Tyler geladen, Expastor der Christian Identity Church, der sich als unabhängiger Kandidat für den US-Kongress mit dem Slogan bewarb: „Make America White Again“.

 

Bei Heimbach, der Rick Tyler unterstützte, war Jeff Schoep, 43, der sich als Oberbefehlshaber des National Socialist Move­ment bezeichnet. In Chatta­noo­ga wurde an diesem Tag die Aryan Nationalist Alliance präsentiert, eine Allianz von 22 rechtsextremistischen Gruppen. Schoep und Heimbach verbindet ideologisch auf den ersten Blick nicht allzu viel. Schoep kommt aus dem National So­cia­list American Workers Freedom Movement, Nachfolgeorganisation der American Nazi Party George Lincoln Rockwells.

 

 

Er kam 1994 an die Spitze der Bewegung, gab ihr den Namen und verjüngte sie, nicht zuletzt durch die Produktion von Nazi-Rock-Alben. Die Vorliebe für Nazikostümierung ist geblieben. Matthew Heimbach, 26, ist das gemütliche Gesicht der US-Nazis. Er wirkt proper und gutmütig mit seiner randlosen Streberbrille, war nach der Uni lange in Europa, mit Stationen bei der NPD, der Goldenen Morgenröte und der tschechischen Arbeiterpartei.

 

Matthew Heimbach hat die Begabung, die schrecklichsten Dinge mit einem engelsgleichen Lächeln zu sagen: „Wir orientieren uns am europäischen Modell“, sagt er, während wir in einer Country-Bar in Ocoee, nahe Chattanooga, ein Bier trinken. „Ich bewundere Mussolini wirklich sehr, aber unser Nationalismus kann nur ethnisch definiert sein.“ Jeff und Matthew wissen beide, dass Trump nie ganz ihr Mann sein wird, seine Tochter Ivanka ist zum Judentum konvertiert, ihr Ehemann ist orthodoxer Jude. „Trump ist nicht mein Kandidat“, betont Heimbach. „Trump ist ein Natio­nalist – er ist kein weißer Nationalist. Aber wenn er und seine Leute ein so konservatives Programm haben durchsetzen können, dann sind wir der logische nächste Schritt, oder?“

 

Am 21. Juli 2016 wird Trump als republikanischer Präsidentschaftskandidat nominiert. Am Tag danach verkündet Ex-Ku-Klux-Klan-Leader David Duke seine Kandidatur für den Senat Louisianas. In Baton Rouge hat er einen Saal voller neugieriger Pressevertreter vor sich. „Damit das klar ist: Ich muss mich für meine Vergangenheit nicht entschuldigen. Was gerade passiert, zeigt es mir und zeigt es euch: Ich war schon immer auf der richtigen Seite der Geschichte.“ Aber persönlich begegnet sind sich David Duke und Donald Trump nie.

 

Aus dem Italienischen von Ambros Waibel