Auf den Barrikaden

Erstveröffentlicht: 
07.02.2017

Zur Einweihung einer Skulptur vor der Dresdner Frauenkirche brüllen Demonstranten den Oberbürgermeister nieder.

Von Tino Moritz

 

Dresden. Nein, es waren nicht viele. Es waren sogar ziemlich wenige. Doch auch 40 bis 60 Demonstranten können laut sein, wenn sie zusammenstehen und gemeinsam schreien. "Widerstand", "Volksverräter", "Lügenpresse", das ganze Programm.


Auf dem Dresdner Neumarkt geben sie an diesem Dienstagmittag den Ton an. Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) hatte zur Einweihung der Installation "Monument" geladen. Drei ausrangierte Busse, die senkrecht in die Höhe ragen. Eine ähnliche Wrack-Barrikade hatte es auch in Aleppo gegeben - Bilder davon, aufgenommen in den Trümmern der syrischen Stadt, waren 2015 um die Welt gegangen.

 

Manaf Halbouni hat das "Monument" erschaffen, ein 1984 in Damaskus geborener Deutsch-Syrer. Seit fast neun Jahren lebt er in Dresden, Halbouni ist Meisterschüler an der Hochschule für Bildende Künste. Als "moderne Freiheitsstatue" und "Friedensmahnmal" will er die Bus-Installation verstanden wissen. Aber in Dresden verstehen sie manche als Provokation.

"Hilbert muss weg", wird dem Oberbürgermeister entgegengeschleudert, und auch "Schande, Schande". Die Skulptur soll bis Anfang April vor der Frauenkirche stehen. Es ist auch kein Zufall, dass sie kurz vor dem 72. Jahrestag der verheerenden Luftangriffe der Alliierten auf Dresden im Zweiten Weltkrieg aufgestellt wurde. Der Widerstand dagegen reicht bis weit ins bürgerliche Lager. Der Dresdner CDU-Politiker Christian Piwarz etwa hatte offen kritisiert, "was die Stadtverwaltung mittlerweile unter ,Gedenkkultur' zum 13. Februar versteht" und gewarnt: "Das macht nur die Populisten und Scharfmacher am rechten Rand stark."

 

Hilbert spricht, den Trillerpfeifen und Sprechchören zum Trotz, von einer "Brücke zu unserer eigenen Geschichte". Und als seine Rede eigentlich schon vorbei ist, lädt er diejenigen, die mit ihm über das Kunstprojekt diskutieren wollen, zu einer "Sonderbürgersprechstunde" ein.

 

Hilbert hatte es schon in der vergangenen Woche gewagt, am Dresdner Mythos einer Anfang 1945 "unschuldigen Stadt" zu zweifeln. Daraufhin erhielt er zunächst Morddrohungen und dann Polizeischutz. Die Beamten zeigen auch bei der Einweihung Präsenz, wirklich eingreifen müssen sie nicht, obwohl die Lager der Zuhörer und Schreier nicht voneinander getrennt sind. Man lässt sich in Ruhe, auch wenn man sich kaum zuhört.

Kritik am Kunstwerk könne er schon akzeptieren, sagt der Rathauschef, nicht aber "plumpe Pöbeleien und Rumgeschreie". Nun brandet Beifall von denen auf, die nicht mitgeschrien haben und keine Journalisten sind.

Ins Gespräch hatte ein paar Stunden vorher auch schon Sachsens Vize-Ministerpräsident Martin Dulig (SPD) kommen wollen. "Wollen wir miteinander reden oder nicht?", fragt er eine Frau, die sich über das "Monument" echauffiert. Ihre Antwort? Sie verneint.

Auch Frauenkirchenpfarrer Sebastian Feydt, der nach Hilbert ans Mikro darf, startet mehrere Versuche. Als er um "mehr Respekt" bittet, erntet er "Hau ab"-Rufe. "Nein, ich haue hier nicht ab. Wenn, müssen Sie gehen", entgegnet der Pfarrer. Von der - 1945 zerstörten und erst in den 2000er-Jahren wieder aufgebauten - Frauenkirche gehe "ein Signal des Friedens" aus, fügt Feydt hinzu. "Aber das dringt im Moment leider nicht auf den gesamten Platz vor."

Zum Protest gegen "plakative Umerziehungsversuche" hatte am Abend zuvor Pegida aufgerufen. Am nächsten Montag ist alles anders. An diesem Tag lädt Dresden zur Menschenkette am 13. Februar. (mit dpa)