Zeugen über Angst vor Neonazis und Drohanrufe

Erstveröffentlicht: 
12.01.2017

Der Prozess gegen eine Gruppe Neonazis aus Nauen geht weiter. Die Liste der Anklagepunkte ist lang, einige Vorwürfe wurden jedoch gestrichen. Der Anschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft steht jedoch weiter im Fokus der Staatsanwaltschaft. Am Donnerstag sagten weitere Zeugen aus. Eine Aussage sorgte für Irritationen.

 

Potsdam. Vor dem Landgericht Potsdam müssen sich sechs Rechtsextreme für diverse Straftaten, unter anderem der Brandanschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft in einer Sporthalle Nauen im Havelland, verantworten. Der achte Verhandlungstag steht an. Drei Zeugen wurden heute erwartet, am Mittag waren es schon vier.

 

Am Vormittag sagte ein Lkw-Fahrer aus, der am Tag des Anschlags auf die Sporthalle, einen schnell fahrenden Radfahrer in unmittelbarer Nähe des Tatorts gesehen haben will. Den Fahrer habe er jedoch nicht erkennen können.

 

Zudem sei ihm dort ein geparkter Transporter am Straßenrand aufgefallen, der gerade die Scheinwerfer anmachte. Personen im Fahrzeug habe er aber nicht erkannt.

 

Der Angeklagte W. hat in früheren Verhandlungen gesagt, dass er in der Brandnacht am Tatort war, Schneider ihn aber weggeschickt habe. Deswegen sei er mit dem Fahrrad davon gefahren.

 

Einer der anderen Angeklagten belastet W. hingegen und hatte ausgesagt, dass W. beim Vorbereiten und der Durchführung der Tag geholfen habe. 

 

Klima der Angst in Nauen


Eine weitere Zeugin sagte aus, dass sie am Tag nach dem Brand der Sporthalle den Verdacht gehabt habe, dass Dennis W. etwas damit zu tun haben könnte. Sie traute sich aber nicht, zur Polizei zu gehen. Sie habe befürchtet, dass „er mal vor meiner Tür steht“. In Nauen habe man schon so einiges über W. gehört, so die Zeugin.

 

Die 21-jährige Altenpflegerin wurde zum Abend des Brands befragt. Sie war damals zu Gast in der Stammkneipe der Angeklagte, dem Karpfen. Kurz nachdem die Halle brannte, kam W. auch dorthin und telefonierte mit dem Handy der Zeugin. Er habe einen hippeligen und nervösen Eindruck gemacht.

 

Bei der Polizei hatte die Zeugin noch ausgesagt, sie habe W. am Morgen des Brands mehrmals in der Nähe des Tatorts gesehen. Vor Gericht wollte sie sich daran jedoch nicht mehr erinnern. Auch an ein Treffen im Karpfen mehrerer Angeklagter, darunter Schneider und W., mehrere Tage nach dem Brand konnte sich die Zeugin vor Gericht nicht mehr erinnern, obwohl diese Aussage von der Polizei protokolliert wurde.

 

Der vorsitzende Richter, Theodor Horstkötter, fragte mehrmals nach, wie so eine Aussage dann in ein Polizeiprotokoll kommen kann. Die Zeugin hatte dafür keine Erklärung.

 

Erst nach eindringlicher Ermahnung der Staatsanwaltschaft, dass Falschaussagen bestraft würden, räumte die junge Frau ein, dass sie das Treffen in ihrer Stammkneipe beobachtet haben könnte. In die Kneipe sei sie seitdem nicht mehr gegangen, sagte die junge Frau. „Man hat gespürt, dass da was faul ist, und damit wollte ich nichts zu tun haben“, bekannte sie. Wie sehr in Nauen ein Klima der Angst herrscht, machte eine Antwort der Frau auf eine Frage der Staatsanwaltschaft deutlich. „Haben sie jetzt Angst“, wurde sie gefragt. „Ja, ein bisschen schon.“ 

 

Drohanrufe vor dem Prozess


Zudem sagte ein weiterer Zeuge aus, dass er im Vorfeld des Prozess bedroht wurde. Er habe Drohanrufe bekommen, sagte der 22-jährige Einzelhandelskaufmann. Auch er war am Abend des Brands im Karpfen und hatte dort den Angeklagten W. gesehen.

 

Auf mehrere Nachfragen der Staatsanwaltschaft sagte der Zeuge aber, dass die Drohanrufe nicht in Zusammenhang mit dem Prozess stünden - er wisse inzwischen, wer der Anrufer sei. Und der habe mit dem Prozess nichts zu tun. Einen Namen wollte er auf Nachfrage nicht nennen. 

 

Keine „kriminelle Vereinigung“


Nach dem verheerenden Brandanschlag auf die Sporthalle in Nauen im August 2015 hatte Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) gar von einer „ rechten Stadtguerilla“ gesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatten ihnen vorgeworfen, eine „kriminelle Vereinigung gebildet zu haben, mit dem Zweck, Straftaten mit ausländerfeindlichem Hintergrund zu begehen“.

 

Dieser Vorwurf der Banden-Bildung ist seit Anfang dieser Woche vom Tisch. Das Potsdamer Landgericht folgte am Dienstag einem Antrag der Staatsanwaltschaft, den Anklagepunkt „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ fallen zu lassen. Am Donnerstag hat das Potsdamer Landgericht die Anklage gegen den NPD-Politiker Maik Schneider weiter eingeschränkt. Wegen der massiven Störung einer Stadtverordnetenversammlung solle der Vorwurf auf Nötigung beschränkt werden, sagte der Vorsitzende Richter der 1. Strafkammer, Theodor Horstkötter, am Donnerstag. Damit wird Schneider auch in diesem Punkt nicht mehr als Rädelsführer einer Bande verfolgt.

 

Bei dem ursprünglich als Rädelsführer angeklagten NPD-Politiker Maik Schneider wurde das Strafverfahren daher auf den Vorwurf der Brandstiftung beschränkt, sagte Horstkötter. Brandstiftung bleibt als Vorwurf auch gegen Schneiders Mitangeklagte übrig, zudem geht es weiter um einzelne rechtsextreme Delikte.

 

Bereits in der nächsten Woche könnten die Plädoyers gehalten, das Urteil in der folgenden Woche gesprochen werden.