Brandenburg Bleiberecht für Opfer rechter Gewalt

Erstveröffentlicht: 
03.01.2017

Brandenburgs Innenministerium betritt deutschlandweit Neuland. Abgelehnte Asylbewerber, die Opfer rechtsextremer Gewalttaten werden, sollen nicht abgeschoben werden. Missbrauch der Neuregelung soll aber verhindert werden.

 

Potsdam - Brandenburg hat als erstes Bundesland per Erlass ein Bleiberecht für Ausländer angeordnet, die Opfer rechter Gewaltstraftaten wurden. Die Ausländerbehörden in Landkreisen und kreisfreien Städten sollen abgelehnten Asylbewerbern, die Opfer rechter Gewalt wurden, vorübergehend ein längeres Bleiberecht einräumen. Der kurz vor Weihnachten erteilte Erlass des Innenministeriums geht zurück auf einen Beschluss des Landtags. Der hatte - nach einer Initiative der Grünen-Fraktion - die Landesregierung im April aufgefordert, dass „bei ausreisepflichtigen Opfern rechter Gewaltstraftaten von den Möglichkeiten der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen und Duldungen konsequent Gebrauch gemacht wird“. 

 

SPD-Fraktion lobt Vorreiterrolle Brandenburgs


Die in der SPD-Fraktion für die Bekämpfung des Rechtsextremismus zuständige Abgeordnete Inka Gossmann-Reetz sagte nun: „Ein derartiger Erlass ist einzigartig in Deutschland und ich bin stolz darauf, dass Brandenburg hier eine Vorreiterrolle einnimmt.“ Sie wies darauf hin, dass die Zahl rechter Gewaltstraftaten 2015 im Vergleich zu 2014 um mehr als 23 Prozent gestiegen ist. Auch 2016 verzeichnete die Polizei eine neue Rekordzahl bei rechtsextremen Straftaten. Nach vorläufigen Zahlen geht die Polizei von einem Anstieg von 20 Prozent aus. „Der Erlass schützt Opfer rechter Gewalt und sichert zudem die konsequente Strafverfolgung der Täter“, sagte Gossmann-Reetz. „Wir können nicht zulassen, dass Straftaten nicht aufgeklärt werden können, weil die Opfer dieser Taten im Strafprozess nicht mehr als Zeugen zur Verfügung stehen.“

 

Das Innenministerium stieß bei der Erarbeitung des Erlasses auf diverse Hürden – etwa beim Datenschutz. Verwaltungsrechtlich betritt Brandenburg Neuland. Bislang müssen Strafverfolgungsbehörden die Ausländerbehörden nur informieren, wenn Ausländer mögliche Straftäter, nicht aber, wenn sie Opfer sind. Zudem sollte verhindert werden, dass sich Asylbewerber durch falsche Angaben dazu, dass sie Opfer rechter Gewalt geworden seien, ein Bleiberecht und den Duldungsstatus erschleichen. 

 

Es geht auch um Wiedergutmachung für die Opfer


Nun ist die Abschiebung von Ausländern auszusetzen, wenn sie Opfer rechter Gewalt sind. Das trifft auch für Ausländer zu, die Zeuge solcher Taten werden – und Staatsanwaltschaften und Strafgerichte die Anwesenheit für Zeugenaussagen als „sachgerecht“ erachten. Konkret geht es bei rechten Gewaltstraftaten um Körperverletzung, Tötungsdelikte, Brand- und Sprengstoffanschläge, auch um Raub, Erpressung, Landesfriedensbruch und Sexualdelikte. Für das Bleiberecht „muss der Straftat ein gewisses Gewicht zukommen“, heißt es im Erlass. Es müsse ein dringender Verdacht vorliegen. Bis zum Abschluss von Ermittlungs- und Strafverfahren sei die Abschiebung auszusetzen.

 

Opfern rechter Gewalt soll auch unabhängig „von den Bedürfnissen eines Strafverfahrens“ ein Bleiberecht gewährt werden. Es gehe um Wiedergutmachung, den Opfern solle bei schweren Folgen der Taten Schutz angeboten werden. Darüber hinaus habe das Land „ein erhebliches öffentliches Interesse daran, den mutmaßlichen Tätern der Gewalttat zu verdeutlichen, dass ihrem Opfer durch eine Verfestigung des Aufenthalts Gerechtigkeit widerfährt und das Gegenteil dessen erreicht wird, was die Täter beabsichtigten“, heißt es. Wenn der Betroffene seine „Opferrolle selbst gewählt“ oder verursacht hat, soll der Aufenthalt nicht verlängert werden. „Sein Verhalten darf für die Gewalttat nicht mitursächlich gewesen sein“, heißt es im Erlass. Zudem darf er selbst keine Straftaten begangen haben.