Ex-Geheimdienstchef zu NSU-Morden Helmut Roewers steile Thesen

Erstveröffentlicht: 
16.12.2016

Thüringens Ex-Verfassungsschutzpräsident verrät seine Sicht auf die NSU-Morde: Mit Rechtsextremismus hätten diese nichts zu tun.

 

Er gehört zu den umstrittensten Figuren im NSU-Komplex und wird seinem Ruf wiedermals gerecht: Helmut Roewer. Von 1994 bis 2000 war er Thüringer Verfassungsschutzpräsident – also auch, als Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe 1998 in seinem Bundesland abtauchten. Nun tut Roewer seine Sicht auf deren spätere, zehnfache Mordserie kund: Mit Rechtsextremismus habe diese nichts zu tun.

 

Roewer formulierte seine Thesen in der verschwörungstheoretischen Internetsendung „Quer-denken.TV“ auf YouTube. Titel: „Das NSU-Märchen“. Ein rechtsextremes Motiv für die zehnfache Mordserie sei „denkbar unwahrscheinlich“, behauptet der einstige Verfassungsschutzchef. Viel eher sei der Tathintergrund „ethnisch bedingt“: „Also Türken gegen Kurden. Das ist sozusagen mein Hauptverdächtiger.“ Seinen früheren Arbeitgeber nimmt Roewer in Schutz: „Wenn man sich vorstellt, dass möglicherweise eine staatliche Stelle in diese Verbrechen involviert war, dann würde mein Finger, bevor er abfällt, eher in Richtung Türkei zeigen.“

 

Böhnhardt und Mundlos, fährt der 66-Jährige fort, kämen als Täter allenfalls im Sinne eines „Auftragsmords“ infrage. Auch sei klar: „Dass sie dabei draufgegangen sind, ist nicht einem Selbstmord geschuldet, sondern die wurden ermordet.“

 

Ermittler und Rechtsmediziner haben einen Mord an Böhnhardt und Mundlos indes ausgeschlossen. Und auch das Mordmotiv steht nicht in Zweifel: Böhnhardt und Mundlos hatten in mehreren Dokumenten ihren Rassismus dokumentiert. In einer DVD, die Zschäpe verschickte, bekannte sich der NSU zu den Morden. Auch räumte Zschäpe, die Roewer ein „Flittchen“ nennt, im NSU-Prozess ein, dass ihre Kumpanen ihre Morde damit begründet hätten, dann gebe es eben „einen Ali weniger“.

 

Der amtierende Thüringer Verfassungsschutzchef Stephan Kramer nannte Roewers Aussagen „völlig abwegig“. „Das reiht sich ein in eine Kette von verwunderlichen Äußerungen von Herrn Roewer. Jeder Kommentar von ihm ist einer zu viel.“

 

Roewer, heute selbsternannter Publizist, war bereits zu Amtszeiten umstritten. In Kaffeerunden soll er über Informanten geplaudert oder mit dem Fahrrad durch die Gänge gefahren sein. Trotz diverser V-Leute seines Amtes blieb das Jenaer Trio unentdeckt – obwohl es sich nur unweit in Sachsen versteckte. Roewer selbst attestierte sich bereits in einem Buch über seine Dienstzeit, alles richtig gemacht zu haben.

 

Gegenüber „Quer-denken-TV“ äußerte er sich schon vor einem Jahr steil: Damals sinnierte Roewer über einen bevorstehenden „Umsturz“ in Deutschland und behauptete, der Gegenprotest zu Pegida in Dresden sei von der „öffentlichen Hand“ gefördert. Die Behörden schafften dort „staatlich bezahlte, anreisende Kriminelle“ hin.