AfD will Rundfunkbeitrag abschaffen

Erstveröffentlicht: 
15.12.2016

Zudem soll Sachsen den Staatsvertrag für öffentlich-rechtliche Sender kündigen. Das Land wird das nicht tun.

Von Thilo Alexe

 

Verschwindet das Sandmännchen? Verstummt die Tagesschaufanfare? Geht es nach der AfD, ist das in spätestens zwei Jahren möglich. Auf Antrag der sächsischen Landtagsfraktion stimmt das Parlament am Freitag über eine Initiative ab, die die Kündigung des Rundfunkstaatsvertrages und damit einer Grundlage für ARD und ZDF durch Sachsen verlangt.

Die Forderung ist Teil einer großangelegten Strategie der Partei. In neun weiteren Landtagen, in denen die AfD vertreten ist, sollen ähnliche Anträge eingebracht werden. Die Partei will nicht nur die öffentlichen Debatten. Sie setzt offensichtlich darauf, mit einem populistischen Thema nicht nur bei ihrer Klientel zu punkten. Für die Vorstellung der Kampagne vergangene Woche in Berlin hatten die AfD-Chefs Frauke Petry und Jörg Meuthen das Motto gewählt: „Rundfunkbeitrag abschaffen.“

Das sächsische Papier ist mit Kritik gespickt. Über die Berichterstattung von ARD, ZDF und Deutschlandradio heißt es: „Aktuelle Geschehnisse in Deutschland und der Welt werden nicht objektiv und nüchtern, sondern permanent einseitig wertend dargestellt.“ Der öffentlich-rechtliche Rundfunk stecke in einer „tiefgreifenden Vertrauenskrise“. Der von Petry geprägte Begriff der „Pinocchiopresse“ taucht auf –  so wie die auf einer zumindest diskussionswürdigen Annahme basierende Frage: „Wo war der ,gute Journalismus‘ bei der Asylkrise?“ Kurzum: ARD und Co. verlieren „rapide an Bedeutung“.

In der Begründung dominieren eher Thesen denn Belege. Doch das dürfte für die AfD zumindest derzeit kaum relevant sein. Ihr Ziel ist, Unmut über Gebühren und Programm zu kanalisieren – und damit ein Alleinstellungsmerkmal abgrenzend zur politischen Konkurrenz zu schaffen. Für Petry ist, wie sie vor der Landtagssitzung sagte, sogar die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Systems denkbar.

Besonders eigentümlich erscheinen zwei Formulierungen. Die AfD begrenzt ihren Unmut nicht nur auf den angeblich rechercheschwachen Journalismus: „ARD und ZDF produzieren keine Filme auf Weltniveau.“ Als Gegenbeispiel kann „Toni Erdmann“ gelten. Kurz nach Vorlage des Antrages räumte die viel gelobte Tragikomödie beim europäischen Filmpreis ab. An der Redaktion waren zwei ARD-Anstalten beteiligt. Der zweite Satz lautet: „Der Bürger ist Chef, der Rundfunk ist Diener.“

Der Medienexperte Heiko Hilker sieht das anders. Der Ex-Landtagsabgeordnete der Linken und heutige MDR-Rundfunkrat betont: „Der Rundfunk soll der Demokratie, der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung dienen – unabhängig von staatlichen und wirtschaftlichen Interessen, aber auch von den Partikularinteressen Einzelner.“ Hilker findet den AfD-Ansatz grundsätzlich problematisch. „Genauso könnten Einzelne fragen, wozu es die Arbeitslosen-, Renten- und die Krankenversicherung gibt – und sie in diese einzahlen müssen, obwohl sie diese bisher nie genutzt haben.“

Im Landtag gilt der Antrag als chancenlos. CDU-Fraktionschef Frank Kupfer hatte bereits vor der Sitzung das Nein der sächsischen Union angekündigt. „Wir werden das ablehnen, weil wir für einen Medienpluralismus sind.“ Auch Koalitionspartner SPD will mit Nein stimmen. Überraschen dürfte das die AfD nicht. An dem Thema will sie im kommenden Bundestagswahljahr dennoch öffentlichkeitswirksam festhalten – und womöglich Ungereimtheiten korrigieren. So weist Hilker darauf hin, dass eine Kündigung der Staatsverträge auch privaten Anbietern die Rechtsgrundlage entziehe. Das kann die AfD nicht wollen, zumal sie die privaten Sender in ihrem Antrag mehrfach als Konkurrenz erwähnt.

Nicht abzusprechen ist der Partei aber ein Gespür für Themen. ARD und ZDF sehen sich wie viele Medien und begünstigt durch das Internet mit teils drastischer Kritik konfrontiert. Nach Zuschauerreaktionen begründete die ARD unlängst sogar öffentlich, warum die Tagesschau im TV zunächst nicht über ein Sexualdelikt in Freiburg berichtet hat.

Die AfD greift nicht nur so etwas auf. Doch der oft schrille Tonfall und die generelle Skepsis gegenüber klassischen Medien überdecken zumindest partiell, dass es tatsächlich relevante Fragen gibt. Knapp acht Milliarden Euro haben ARD, ZDF und Deutschlandradio 2015 an Beiträgen erhalten. Was sind die digitalen Strategien? Welche Synergien sind bei fast 70 Radioprogrammen möglich? Wie transparent ist die Zusammensetzung der Kontrollgremien? Für die AfD ist der Fall klar: „Wir brauchen keinen Staats- und Parteienrundfunk, sondern eine tatsächlich spürbare ,Rundfunkfreiheit für alle‘.“