Streit über Asylunterkunft in Rossau - Landratsamt: Flüchtlingsrat "skandalisiert"

Erstveröffentlicht: 
27.07.2016

Im Konflikt mit dem Sächsischen Flüchtlingsrat um die Zustände in einer Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge in Rossau legt das Landratsamt Mittelsachsen nach. In einer Mitteilung an den MDR nahm die Behörde am Dienstag ausführlich Stellung den Vorwürfen, in der Unterkunft herrschten "unzumutbare Zustände". Die Behörde kritisierte die Kommunikationsweise des Flüchtlingsrates und warf ihm "Skandalisierung" vor.

 

Zweifel an Ursprung des Beschwerdebriefes


Anstoß war ein Brief, der die Unterschriften von 27 Menschen trägt, die in der Unterkunft leben sollen. Der Flüchtlingsrat hatte ihn als "offenen Brief" an die zuständigen Behörden und die Presse weitergeleitet und dem Landkreis anschließen vorgeworfen, bei "menschenwürdiger Unterbringung" zu versagen. Die Behörde teilte mit, der "angebliche offene Brief" habe das Landratsamt nie direkt von den Flüchtlingen erreicht, lediglich per Email direkt vom Sächsischen Flüchtlingsrat.

Die Namen, mit denen der Brief unterschrieben war, würden zudem nicht mit den offiziellen Namen der Bewohner übereinstimmen, die dem Amt vorlägen. Elf der 27 "vermutlichen Unterzeichner" seien nicht mehr im Objekt untergebracht, weitere sieben Personen seien erst zwischen fünf und 15 Jahre alt. Insgesamt sind in der Unterkunft laut Landratsamt derzeit 111 Personen untergebracht.

 

Landrat vermutet "Skandalisierung"

 

Landrat Matthias Damm monierte zudem, dass sich niemand bei den Mitarbeitern von Landratsamt und Deutschem Roten Kreuz vor Ort beschwert habe. Die Vorgehensweise des Flüchtlingsrates, sich direkt an die Presse zu wenden, lasse den Eindruck entstehen, es stehe eine "Skandalisierung" im Vordergrund.

 

Sollte der Vertreter des Flüchtlingsrates tatsächlich Feststellungen von Bedingungen im Unterbringungsobjekt getroffen haben, die einer Änderung bedürften, so hätte erwartet werden dürfen, dies ohne Zeitverzug und unmittelbar mit den vor Ort tätigen Betreuungspersonen zu besprechen oder sich an den Asylbeauftragten des Landratsamtes zu wenden.

Matthias Damm, Landrat Landkreis Mittelsachsen

 

Ein Sprecher des DRK-Kreisverbandes Döbeln-Hainichen wollte sich auf Anfrage von MDR SACHSEN nicht über die Zustände in der Unterkunft äußern. Er versicherte jedoch, man schließe sich den Aussagen des Landratsamtes "vollumpfänglich" an. 

 

So antwortet das Landratsamt auf die Vorwürfe

Vorwurf: Schlechte Verpflegung

Die Bewohner beklagen die Qualität des Essens. Viel werde weggeworfen. Kochen sei nicht möglich, denn es gebe keine Küche.

Antwort:

 

Bezüglich der Essensversorgung wird seit mehreren Monaten mit einem erfahrenen Caterer zusammengearbeitet, der zahlreiche Flüchtlingsunterkünfte beliefert. Der Caterer ist offen für Wünsche und Anregungen; er stellt sich in seiner Speiseplanerstellung sowohl auf religiös als auch auf medizinisch begründete Ernährungswünsche. Getränke, wie Tee und Kaffee, stehen ganztägig in großen Thermoforen zur Verfügung. Die Einrichtung einer Küche zum Kochen ist aus brandschutztechnischen Gründen nicht möglich.


Vorwurf: Dreckige Sanitäranlagen

 

Die Toiletten und Duschen würden gemeinsam genutzt und seien meist nicht gereinigt. Die sporadisch eingesetzten Reinigungskräfte würden nur ungenügend putzen.

Antwort:

 

Neben der regelmäßigen Reinigung durch eine regionale Service GmbH haben Bewohner während der Anwesenheit des DRK (Mo–Fr 06:00–20:00, Sa und So 08:00–20:00 Uhr) die Möglichkeit, Reinigungsmaterialien zu nutzen. Es werden auch jederzeit Müllbeutel und Einmalhandschuhe ausgegeben. So können die Bewohner ihre Zeltbereiche selbst sauber halten. In der Unterkunft stehen "Arbeitsplätze" vor allem im Bereich Reinigung zur Verfügung. (Anmerkung der Redaktion: Nach Paragraph 5 des Asylbewerberleistungsgesetztes werden die Arbeiten mit einer Aufwandsentschädigung von 1,05 Euro entlohnt). Die diesbezügliche Bereitschaft der Asylbewerber ist recht gering.


Vorwurf: Fehlende Medizinische Versorgung

 

Sorge bereitet den Bewohnern auch ihre Gesundheit. Viele Familien bräuchten gesundheitliche Fürsorge, denn viele seien krank.

Antwort:

 

Die gesundheitliche Fürsorge wird garantiert. Dafür wurde zusätzlich ein Arztzimmer eingerichtet. Es findet jeweils Freitagnachmittag eine Sprechstunde einer Kinderärztin statt, nach Bedarf zudem Mittwoch- oder Donnerstagnachmittag eine allgemeinmedizinische Sprechstunde. Durch die gute Zusammenarbeit mit einer Apotheke aus der Region ist gewährleistet, dass verordnete Arzneimittel in der Unterkunft rasch zur Verfügung stehen. Bei akuten gesundheitlichen Beschwerden wird der Rettungsdienst alarmiert.


Vorwurf: Keine Ruhe

 

Es sei so laut, dass Schlafen unmöglich ist. Niemand sorge dafür, dass die Ruhe eingehalten wird. Viele Familien mit Kindern bräuchten besondere Versorgung und Spielplätze.

Antwort:

 

Durch zahlreiche Spenden haben die Kinder eine große Auswahl an Spielzeug auch für den Innen- und Außenbereich. Es wurde ein eigenes Spielzimmer geschaffen, welches durch einen DRK-Helfer mehrere Stunden am Tag betreut wird. So können sich die Eltern etwas Ruhe gönnen. Neben der Fernsehecke für erwachsene Bewohner wurde eine zweite Fernsehecke für Kinder eingerichtet. Im Außenbereich befinden sich zudem ein selbst gebauter Sandkasten und viel Platz für Ballspiele.


Vorwurf: Sprachlernmöglichkeiten fehlen

 

Im Brief heißt es auch, niemand kümmere sich um den Wunsch der Kinder, zur Schule zu gehen. Auch die Erwachsenen hätten Kommunikationsschwierigkeiten, weil sie die Sprache nicht beherrschen. Das behindere die Wohnungsuche.

Antwort:

Studenten aus der Region haben ehrenamtlich einen Stundenplan erstellt und besuchen ein- bis zweimal pro Woche die Einrichtung. Der Kurs wurde zunächst gut besucht, beim letzten Mal kam jedoch kein einziger Bewohner zum Unterricht. Es hat sich in den letzten Tagen ein Deutschlehrer gemeldet, er möchte ehrenamtlich unterstützen.


Vorwurf: Fehlende Betten

 

Die große Mehrheit der in Rossau untergebrachten Menschen schläft nach Anagben des Flüchtlingsrates auf Decken als einzigem Schutz vor dem Hallenboden.

Antwort:

Für jeden Asylbewerber ist ein mobiles Bett vorhanden.


Vorwurf: Dezentrale Unterbringung nötig

 

Laut Flüchtlingsrat haben die Geflüchteten in der Unterkunft mehrheitlich das Asylverfahren durchlaufen und müssten daher dezentral untergebracht werden.

Antwort:

Diese Aussage ist falsch. Die Flüchtlinge befinden sich größtenteils noch im Asylverfahren. Lediglich fünf der 111 derzeitigen Bewohner haben derzeit eine Aufenthaltserlaubnis. Die angestrebte dezentrale Unterbringung nach vier Wochen kann in den meisten Fällen erreicht werden.