Anzahl rechter Übergriffe in Thüringen hat sich zum Vorjahr verdoppelt

Erstveröffentlicht: 
18.07.2016

Die Opferberatung „ezra“ beklagt erneut einen Anstieg rechter und rassistischer Gewalt in Thüringen. Im ersten Halbjahr habe es 72 Fälle gegeben, teilte Projektkoordinatorin Christina Büttner am Montag mit. Im gleichen Zeitraum vor einem Jahr wurden 39 Übergriffe gezählt.

 

Erfurt. Davon waren in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 130 Menschen unmittelbar betroffen. In mehr als der Hälfte der Fälle wurden laut der Opferberatung auf Grundlage eigener Zählung Menschen aus rassistischen Motiven angegriffen. 29 Mal sei es zu Übergriffen auf politische Gegner gekommen.

 

Ein Schwerpunkt lag laut "ezra" im Kreis Saalfeld-Rudolstadt. Dort seien allein 18 Taten registriert worden. "Obwohl die Angriffszahlen in Thüringen so hoch sind wie nie, bleibt ein notwendiger Aufschrei aus", beklagte Büttner. Als beunruhigend bezeichnete sie "die Normalisierung rechter Gewalt". Es gebe keine breite Solidarität mit den Betroffenen. Nach Zahlen des Landeskriminalamts gab es vergangenes Jahr landesweit 2072 politisch motivierte Straftaten.

 

Die Zahl der Gewaltdelikte aus politischen Motiven war mit 185 angegeben worden. Neue Daten liegen noch nicht vor. Flüchtlinge sind nach Angaben der Beratungsstelle, die in Trägerschaft der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) arbeitet, in acht Fällen in ihrem Wohnumfeld angegriffen worden. "ezra" und der Flüchtlingsrat Thüringen forderten Schutzräume für Opfer rechter und rassistischer Gewalt. "Der Opferschutz muss vollumfänglich für alle Menschen im Land gelten", stellte Martin Arnold vom Flüchtlingsrat klar.

 

Er begrüße deshalb eine Initiative von Justizminister Dieter Lauinger (Grüne), wonach Opfer und Zeugen bis zum Ende des Strafverfahrens nicht abgeschoben werden dürften. Indes beobachtet die Mobile Beratung gegen Rechts (Mobit) eigenen Angaben zufolge eine Radikalisierung der rechten Szene. "Trotz abnehmender Teilnehmerzahl bei Demonstrationen können wir nicht von einem Rückgang der Aktivitäten sprechen", erklärte Christoph Lammert von Mobit. Vielmehr hätten sich die Aktionsformen verändert. Die rechte Szene setze neben Demonstrationen auch auf Kinder- und Familienfeste und auf Vorträge.

 

Nach Einschätzung der Linken im Landtag trägt die AfD eine Mitverantwortung für den Anstieg rechter und rassistischer Gewalt. "Die AfD bedient sich dabei bewusst auch immer wieder der Sprache von Nationalsozialisten, um die Grenzen des Sagbaren öffentlich nach rechts zu verschieben", erklärte die Landtagsabgeordnete Katharina König. Rechte Gewalttäter und Brandstifter zögen auch aus solchen Parolen und Reden immer wieder ihre Legitimation.