NPD-Verbot – Menschenwürde, Volk, Gemeinschaft. NPD sieht alles ganz anders

Erstveröffentlicht: 
04.03.2016

Pünktlich endete heute die auf drei Tag angesetzte mündliche Verhandlung mit dem politisch spannenden Teil, der konkreten Bewertung der NPD. Subsumtion nennen die Juristen den Part. Antragssteller und Verfahrensgegnerin rangen um Deutung der Belege. Und dazwischen saßen sehr gut vorbereitete Verfassungsrichter. Die drei Tage Karlsruhe ließen nicht erkennen, wie das Verfahren ausgehen könnte.

 

Am dritten Tag löcherten die Verfassungsrichter in bewährter Manier beide Seiten. Der Bundesrat hatte heute neben seinen beiden Bevollmächtigten auch zwei Innenminister und die Landtagspräsidentin aus Mecklenburg-Vorpommern, Sylvia Bretschneider, in die «Debatte» geschickt. Für die NPD sprachen neben den beiden Anwälten noch der Parteivorsitzende Frank Franz, der Europaabgeordnete und Ex-Parteichef Udo Voigt und der ehemalige Landtagsabgeordnete aus Sachsen, Jürgen Gansel.

 

„Wie meinen Sie das?“, „Das verstehe ich noch nicht ganz?“ „Wie ist das hier Gesagte mit den Äußerungen Ihres Parteikollegen in Einklang zu bringen“, hakten die Richter quer durch die Bank nach. Die Fragen drehten sich hier im Kern um den Volksbegriff der Partei.

 

Auch die Vertreter des Bundesrates mussten immer wieder ergänzen. An einigen Stellen waren der Vorsitzende Richter Voßkuhle und seine Kollegen unzufrieden, weil ihnen zu viel angedeutet und zu allgemein gehalten war. Substanz war gefragt. Besonderen Eindruck hinterließ Landtagspräsidentin Bretschneider. Ihr Vortrag verdeutlichte am plastischsten, wie die NPD vor Ort im Landtag agiert.

 

Innenminister Herrmann aus Bayern und sein Kollege Caffier aus Mecklenburg-Vorpommern wirkten dagegen, als würden sie ihre Verfassungsschutzberichte vorstellen. Sie bezogen sich nur auf ihre Länder. Die Verfassungsrichter hätten hier aber jeweils gerne ein Gesamtbild gehört. Immer wieder wurden ihnen die harmlos klingenden Formulierungen zur NPD in jährlichen Berichten vorgehalten. Auch Sachsens Verfassungsschutzpräsident Gordian Meyer-Plath wurde ins Verhör genommen. Hier ging es um die mögliche Beteiligung „der NPD“ an den Vorfällen in Heidenau und Leipzig-Connewitz und die Anti-Asyl-Mobilisierung.

 

Die Atmosphäre war am dritten Tag deutlich angespannter. NPD-Anwalt Richter hielt Bretschneider vor, sie mache nichts anderes, als die Ordnungsmaßnahmen gegen seine Partei zu dokumentieren. Auffällig war das Fehlen einiger Akteure, die im Verbotsantrag eine besondere Rolle spielten, weil sie oft zitiert wurden. Einzig Gansel konnte hier Rede und Antwort stehen. Es fehlten Hardliner wie Udo Pastörs und Karl Richter. Von den Jungen Nationaldemokraten war kein Vertreter vor Ort. Und auch der Vorsitzende der NPD in Nordrhein-Westfalen, Claus Cremer, fehlte heute entschuldigt. Thomas Wulff, der am Vormittag von Ex-Chef Holger Apfel wegen Nähe zu Holocaustleugnung und fehlender NSU-Distanzierung hart angegangen wurde, verabschiedete sich ohne Statement nach der Mittagspause.

 

NPD-Anwalt will den Persilschein

 

Die NPD bekam am Nachmittag die Gelegenheit, ihre Sicht auf ihr Programm und die teils kruden Äußerungen ihrer führenden Funktionäre einzuordnen und ihr Gesellschaftsbild zu erklären. Der Dresdner Wissenschaftler Steffen Kailitz hatte der Partei am Vortag vorgehalten, Staatsverbrechen zu planen, Christoph Möllers auf Wunsch der Richter eine stabil nationalistische, aber nicht verbotswürdige Positionierung benennen müssen.

 

Parteivorsitzender Frank Franz wirkte dahingehend gebrieft, gewisse Aussagen erst einmal nicht zu verlassen und notfalls einfach zu wiederholen, auch wenn er um eine Konkretisierung gebeten wurde. Die NPD versuchte sich meist dahingehend zu verteidigen, dass ein Begriff früher oder von einem anderen schon mal verwendet wurde, ob in der gleichen Bedeutung, blieb unklar. Wusste sich der Befragte nicht mehr zu helfen, dann war es ausnahmsweise erlaubte Überspitzung oder angebliche Satire, wie die Briefe der NPD an Deutsche mit Migrationshintergrund, sie möchten bald in „ihre Heimat“ ausreisen. Ein Beleg, dass die NPD auch Staatsbürger ausschließen würde.

 

Anwalt Michael Andrejewski war darum bemüht, besonders das Thema Angsträume aus der Welt zu schaffen. Es sei alles nicht so schlimm und wenn doch, dann von Unbekannten verübt und habe daher nichts mit der NPD zu tun. Die Zusammenarbeit mit Neonazis sei deshalb nicht so schlimm, weil auch hier seiner Meinung nach wenig passiere und wenn doch, sollte der Innenminister doch bitte die Gruppierungen verbieten. Die Dominanzräume nannte er Gebilde der Fantasie oder Lügen.

 

Peter Richter wollte dagegen die vollständige Rehabilitierung der NPD erreichen. Am Ende hielt er den demokratischen Parteien vor, sie wären es, die von einem gegen die Menschenwürde verstoßenden Menschenbild ausgehen. Mit allerlei Zitaten und Kommentarstellen versuchte er eine Pflicht des Grundgesetzgebers zum völkischen Staatsbürgerschaftsrecht zu konstruieren. Die Verfassungsrichter dürften das aber richtig zu würdigen wissen.

 

Christoph Möllers sprach in seinem abschließenden Statement sogar davon, dass Gericht hätte sich die drei Tage an Hand des Agierens der NPD-Anwälte davon überzeugen können, wie hier mit Begriffen der Verfassung gespielt werde, um sie letztendlich zu überwinden. Als Partei liefere die NPD immer auch Handlungsanweisungen. Sie mag zwar von der Mitgliederzahl klein sein, müsse sich aber die Handlungen eines weitaus größeren Umfelds zurechnen lassen, gerade wenn sie die Szene immer wieder zur Einigkeit aufrufe und sich als deren Spitze sehe.

 

Die NPD hat nun sechs Wochen Zeit, sich nochmals schriftlich zu einzelnen Aspekten des Verbotsantrags zu äußern. Der letzte Tag brachte keine Hinweise, wie das Verfahren ausgehen könnte. Beides ist möglich. Die Verfassungsrichter erwiesen sich nicht nur als äußerst gut vorbereitet, ließen sich aber nicht in die Karten schauen. Ein umfassendes Bild der NPD dürften sie in den drei Tagen erhalten haben.