Puppenspieler in Spanien sollen Terroristen sein

La Bruja y Don Cristobal

Fünf Tage saßen zwei Puppenspieler aus Andalusien im Knast, nachdem sie von der Aufführung in Madrid weg verhaftet wurden und wegen angeblicher "Verherrlichung des Terrorismus" inhaftiert wurden. Der Richter ist ein ehemaliger Polizist aus der Franco-Diktatur und musste wegen des enormen öffentlichen Drucks, der spät und langsam aufgebaut wurde,  nun  doch Raúl García Alfonso Lázaro freilassen. Obwohl die baskische ETA vor mehr als vier Jahren den Kampf eingestellt hat, zieht die ETA-Keule bei vielen in Spanien noch immer


Spaniens Repression erreicht immer neue Höhen und längst fühlen sich sogar Richtervereinigungen  angesichts von Strafrechtsverschärfungen und Knebelgesetzen an die Zeit der Franco-Diktatur erinnert. Daran erinnert auch, dass Streikende für mehr als acht Jahre eingeknastet werden sollen.  Und die Einschätzung war offensichtlich richtig, dass nun in Spanien nach neuen Gesetzesverschärfunge praktisch jeder Widerstand und Kritik zum Terrorismus gemacht werden kann, wenn es den Regierenden nicht passt.  Der Eindruck drängt sich auf, wenn nun auch Puppenspieler aus ihrer Vorführung gezerrt und wegen „Verherrlichung des Terrorismus“ angeklagt werden. Sie kamen wegen angeblicher sogar Fluchtgefahr in Untersuchungshaft und wurden erst am Mittwoch auf freien Fuß gesetzt. Wundern muss man sich bei einem völlig politisierten Sondergericht mit dem Namen "Audiencia Nacional" (Nationaler Gerichtshof) über nichts, dass das Sondergericht TOP der Franco-Diktatur abgelöst hat. Noch weniger wundern muss einen das Vorgehen, wenn der Richter Ismael Moreno heißt, denn der war in der Franco-Diktatur einer derer, der als Polizist ab 1974 zur Jagd auf die Antifaschisten blies.

 

Die beiden jungen Menschen wurden im Karneval am vergangenen Freitag in der Hauptstadt Madrid verhaftet. Die „Títeres desde Abajo” (Handpuppen von unten”) gaben vor einem jungen Publikum im Stadtteil Tetúan eine Aufführung des Stücks “La bruja y Don Cristóbal” (“Die Hexe und Don Cristóbal”). Das ist, so zeigt ihr Programm, eigentlich für Erwachsene gedacht. Einigen Eltern passte es gar nicht, dass in dem Stück auch statt des „Bösewichts“ plötzlich der Richter an den Galgen kam, der ihn für ersteren vorgesehen hatte.
Dass zudem ein Polizist sein Leben verlor und eine Nonne vergewaltigt worden sei, darüber waren anwesende Eltern alles andere als begeistert, die allerdings im Vorfeld gewarnt wurden, dass das Stück auch brutale Szenen zeige. Die riefen Lokalpolizei herbei, als auch noch ein Plakat im Puppentheaterfenster auftauchte, auf dem zu lesen war:  „Gora Alka-ETA" (Hoch lebe Alka-ETA). Dann kann es sich ja nur noch um Terrorismus, Verherrlichung und keinesfalls um Satire, Humor, Karneval oder Meinungsfreiheit handeln. Doch dafür gingen noch vor einem Jahr fast alle auf die Straße und erklärten: „Je suis Charlie Hebdo“.
Deren Mitarbeiter dürfte sich nun der Magen umdrehen, dass der postfaschistische Ministerpräsident Mariano Rajoy auf der Demonstration in Paris war, in dessen Reich nun Puppenspieler in die Kerker wandern. Verwundern muss das bei einem Präsidenten nicht, der, gerade zurück aus Paris, die Verteidigungsrechte von Gefangenen durch die Kriminalisierung  von Verteidigern aushebeln ließ.  Der Aufruhr um Charlie Hebdo half jedenfalls, dass der spanische Satiriker Facu Díaz nicht verurteilt werden konnte, weil er massiv die rechte Volkspartei (PP) von Rajoy mächtig durch den Kakao gezogen hatte.
Man kann nur hoffen, dass genug Druck angebaut wird, damit die den beiden Puppenspieler nach der Freilassung eine Anklage und der gesamt teure und nervtötende Vorgang erspart bleibt. Auch wenn einem die Aufführung oder ihr Inhalt nicht gefallen mag. Es gilt, was auch für Charlie Hebdo galt: „Man muss das sogar zeichnen dürfen“, übertragen muss man das auch spielen dürfen. Das schrieb ich vor einem Jahr angesichts der absurden Debatte, die darauf abzielte, die Freiheit von Satire über verschiedene Wege auch von linker Seite stark einzuengen.  Satire arbeitet eben mit Übertreibungen, um Vorgänge deutlich hervorzuheben.
Und es ist bedenklich, wenn die Verantwortlichen in der linken Regierung von „Ahora Madrid“ (Jetzt Madrid) nun in die Defensive vor schweren Angriffen der PP gehen. Die hat nicht nur wegen ihrer ständig neuen Korruptionsaffären jede moralische Integrität verloren, sie stellt sich auch hinter Sicherheitskräfte, die Journalisten foltern, deren Zeitungen illegal geschlossen wurden. Um nicht erneut davon zu sprechen, dass sich diese Partei nie von Putsch und Diktatur Francos distanziert hat, von der sie aus direkter Linie abstammt.  
Die schwer gebeutelte Partei versucht alles, um von ihrer fatalen Situation abzulenken, dass sie erneut abgewählt wurde und nun keine Regierung zustande bringt.  Da kamen ihr Puppenspieler gerade recht. Die PP fordert den Kopf der verantwortlichen für Kultur und die Bürgermeisterin Manuela Carmena will nicht mehr ausschließen, dass sie Celia Mayer in die Wüste schickt. Die wagte sich zu prüfen, die völlig absurde Anzeige der Stadt gegen die Puppenspieler zurückzuziehen. (<>) Carmena will im Spiel einen „schweren Fehler“ sehen, anstatt die Freiheit von Meinung und Satire zu verteidigen.   Die Zeitung Diagonal warnt dagegen, dass „Angst der schlechteste Ratgeber“ der Lokalregierung sei. (<>)
Es ist klar, warum sich gerade die PP von dem Plakat mit „Alka-ETA“ getroffen fühlte. Denn damit wurden im Puppenspiel die „Konstrukte“ der Sicherheitskräfte aufgezeigt, mit denen immer wieder Leute willkürlich inhaftiert und zum Teil gefoltert werden, schreibt die anarchosyndikalistische Gewerkschaft CNT in einem Kommuniqué, in der einer der Puppenspieler Mitglied ist. Denn über eine konstruierte Täterschaft und massive Lügen der PP wurde sie 2004 überraschend abgewählt.  Sie wollte islamistische Anschläge 2004 der baskischen Untergrundorganisation ETA mit 191 Toten in die Schuhe schieben. Als das nicht mehr haltbar war, wurde jahrelang von einer Verbindung der ETA zu Al-Kaida fabuliert.  Die Satire hat gesessen und ihr Ziel erreicht, deshalb wurden die jungen Puppenspieler inhaftiert und sollen wohl exemplarisch von dem Nationalen Gerichtshof abgeurteilt werden.
Zum Glück sind nach einer anfänglichen Schockstarre inzwischen auch viele Stimmen zu hören, die die Angeschuldigten und Satire verteidigen. Zunächst war es die beliebte Bürgermeisterin von Barcelona Ada Colau, die sich vorwagte. „Satire ist kein Verbrechen“ erklärte sie (<>) Inzwischen haben zahlreiche Politiker von Podemos und Ahora Madrid die Freiheit für diese politischen Gefangenen gefordert (<>). Am Sonntag gab es auch eine erste kleine Demonstration in der Hauptstadt, in der der Vorgang als neue „Montage“ der Polizei und der Justiz angeprangert. Es war eine nur kleine Demonstration. Das macht deutlich, wie die ETA-Keule auch noch in Madrid wirkt, obwohl die ETA ihren Kampf vor fast fünf Jahren definitiv eingestellt hatte.

© Ralf Streck, den 08.02.2016