Bewegungsmonster: Bewegungen können nicht »gegründet« werden

Erstveröffentlicht: 
08.02.2016

Eine Bewegung kann man nicht gründen. Nicht von oben, nicht in Berlin, und nicht am 9. Februar. Das kann weder Varoufakis noch Blockupy. Die Entstehung einer Bewegung ist ereignishaft, unberechenbar, unkontrollierbar. Wie bei den Platzbesetzungen am 15. Mai 2011 in Spanien, einer echten Demokratiebewegung. Jahrelange Unzufriedenheit über ein korruptes Parteiensystem, sozialen Abstieg und fehlende Zukunftsperspektiven entladen sich in Platzbesetzungen, die das politische System für immer verändern. Jahrelang haben Linke zu demselben Thema demonstriert. Nichts passiert. Und plötzlich reicht es. Weg von den Sofas. Ab, auf die Plätze.

Was ist dieser Funke, der Bewegungen entzündet? Beim arabischen Frühling war es eine Selbstverbrennung in Tunesien. Bei Occupygezi in der Türkei war es ein Park, der einem Bauprojekt weichen sollte. In Deutschland war es die Ankunft einer Million Flüchtlinge. Es gibt soziale Ursachen für Bewegungen. Die Auslöser aber sind unvorhersehbar.

 

Dass Yanis Varoufakis solch ein Auslöser ist - äußerst unwahrscheinlich. Aber was der ehemalige Finanzminister vor hat, ist trotzdem das Richtige. Bewegungspolitik. Die Erfahrungen in Griechenland, auch die an den Grenzen zeigen: Es ist Zeit für eine paneuropäische Zivilgesellschaft. Zeit für ein Europa von unten, für eine linke Antwort jenseits von EU-Klüngelei und nationalen Lösungen.

 

Bewegungsarbeit ist Demokratiearbeit. Wenn sie gut läuft, bereitet sie Bewegungen vor - und nach. Sie sensibilisiert für gesellschaftliche Gefahren und Widersprüche, sie politisiert und aktiviert. Sie formt jene Subjekte mit, die im richtigen Moment bereit sind, aufzustehen. Und wenn sie aufgestanden sind, stellt sie Strukturen bereit, die nutzbar sind. Räume, Kontakte, Verbindungen. Vorschläge für politische Alternativen. Ein paneuropäisches Netzwerk ist die Voraussetzung für eine paneuropäische Bewegung: indem es den Handlungsraum herstellt.

 

Bisher haben Linke in Europa das nicht geschafft. Linke Partei- und Gewerkschaftsstrukturen in Europa sind Bürokratiemonster, auch wenn sie sich gerne »Bewegung« nennen: Sie sind das Gegenteil. Stillstand.

 

Das Varoufakische Herumklüngeln mit Parteikadern ließ solch ein Monster befürchten. »Diem25« als Parteipolitik, das funktioniert nicht. Der Genosse Yanis schwenkte um: Auf Vernetzungspolitik. Die richtige Rhetorik dafür besitzt er. Das macht noch längst keine Bewegung - aber vielleicht ein paneuropäisches Netzwerk, einen Raum, der funktionieren kann. Wenn alle bereit sind, sich zu bewegen.