Ausschreitungen in Leipziger Viertel - Warum immer Connewitz?

Erstveröffentlicht: 
13.01.2016

Connewitz, Connewitz, Connewitz, immer wieder Connewitz: In dem Leipziger Stadtteil kommt es alle paar Wochen zu Krawallen. Erst am Montag haben rund 250 Rechtsextreme in Connewitz randaliert, zündeten Autos an und zerschlugen Fensterscheiben. Auf der anderen Seite hat Connewitz eine autonome Szene, die zum Beispiel am dritten Advent am Rande einer Neonazi-Demo im Leipziger Süden randalierte und Polizisten verletzte. Woher kommt das alles? Unser Reporter hat im Viertel nach Antworten gesucht.

 

von Andre Seifert, MDR INFO

 

Connewitz, Ecke Bornaische und Stockartstraße. Hier hat Andrea Sturm seit 32 Jahren ihre Fleischerei. Die "Stö", wie die Stockartstraße auch genannt wird, ist so etwas wie das alternative Zentrum von Connewitz. Hier und in den Nachbarstraßen begann sich in der Endphase der DDR eine autonome Szene zu bilden. In der Straße wohnt auch die 51-Jährige Andrea Sturm. Sie erinnert sich: "Es sah natürlich ein bisschen desolat aus. Die Häuser, in denen die Leute sich angesiedelt haben, waren sehr verfallen. Da war dann schon Szene angesagt – diese linke Szene."

 

Grundstein in der Wendezeit gelegt


Wer Connewitz verstehen will, muss sich in die Zeit vor und nach der Wende zurückversetzen. Verfallene, leer stehende Häuser. Punks, Studenten, Künstler, Freaks und Idealisten besetzten diese Häuser. Der im Zuge der Wiedervereinigung auflebenden Neonazi-Szene war das ein Dorn im Auge, erklärt der Leipziger Historiker und Autor Sascha Lange: "Die haben dann relativ schnell Connewitz und die Stockartstraße als ihr Hassobjekt rausgesucht und beinahe wöchentlich Überfälle veranstaltet: Brandanschläge, Scheiben einschmeißen. Die sind mit Autos Patrouille gefahren und haben dort Leute auf der Straße verprügelt, weil ihnen deren Haare zu lang waren."

 

Radikalisierung nach Schusswaffen-Vorfall


Hinzu kamen Konflikte mit der Polizei: Ende 1992 schoss eine Beamtin bei einer Rangelei einen Hausbesetzer an. In Folge dieser ganzen Auseinandersetzungen radikalisierten sich viele in der linksautonomen Szene. Mittendrin: die Fleischerei von Andrea Sturm. "Dann war es sicherlich ein bisschen turbulent, da haben auch schon mal Autos gebrannt. Aber ich habe mich da nie bedroht gefühlt", erinnert sich Sturm. 

 

"Connewitz ist in ganz Sachsen ein Mythos"


Bis heute dauert der Kulturkampf an. Häuser werden beschmiert, Autos demoliert und manchmal Fensterscheiben von Banken oder Supermärkten eingeworfen. Vor einem Jahr attackierten Vermummte eine Polizeiwache mit Pflastersteinen. Trotzdem ist Connewitz heute kein rechtsfreier Raum, so Historiker Sascha Lange: "Man hat es ja auch gesehen. In den letzten beiden Jahren gab es am Connewitzer Kreuz keine Ausschreitungen mehr. Auf der anderen Seite ist für Neonazis nicht nur in Leipzig, sondern auch in ganz Sachsen Connewitz so ein Mythos. Und dem glaubt man eben mit diesem martialischen Überfall am Montagabend in Connewitz irgendwas entgegen zu setzen."

 

Connewitz bietet mehr als Randale


Fleischerin Andrea Sturm lebt gern in Connewitz, genau wie auch viele Studenten. Denen bietet der Stadtteil viel Kultur - von der Kulturfabrik Zoro über den Konzertsaal im Werk 2 bis hin zum ältesten Kino Deutschlands, dem UT Connewitz.