„Tröglitz bleibt zerrissen“

Erstveröffentlicht: 
02.01.2016
Ex-Bürgermeister: Thema Asyl spaltet die Kommune Von Franziska Höhnl

 

Tröglitz. Im Jahr 2015 hat der kleine Ort Tröglitz im Süden Sachsen-Anhalts weit über die Grenzen Deutschlands hinaus traurige Berühmtheit erlangt. Gleich zweimal eskalierte die Asyldiskussion in dem 2700 Einwohner zählenden Ort: Erst trat im März der ehrenamtliche Bürgermeister Markus Nierth wegen NPD-geführter Anfeindungen zurück, einen Monat später brannte die bezugsfertige Flüchtlingsunterkunft. Inzwischen sei Normalität eingekehrt, sagte Landrat Götz Ulrich (CDU). Statt wie bisher zwölf sollen ab Januar 24 Flüchtlinge im Ort leben. Drei neue Wohnungen seien dafür angemietet worden. Die Bilanz des früheren Bürgermeisters Nierth fällt weniger positiv aus. Tröglitz bleibt aus seiner Sicht zerrissen.

 

Götz Ulrich dazu: „Allein, dass wir weitere Wohnungen anmieten, zeigt, dass wir denken, dass wir es Tröglitz zumuten können und vor allem, dass wir es den Flüchtlingen zumuten können, dort zu leben“, sagte er. Wie geplant sollten künftig 40 Flüchtlinge in den Ort kommen. Voraussetzung sei, dass weitere Vermieter Wohnungen anböten. Das seit dem Brandanschlag unbewohnbare Mehrfamilienhaus will der Landrat nicht mehr nutzen. „Der Eigentümer der Brandruine informierte uns, dass sie möglicherweise doch saniert wird, jedoch könnte sie frühestens Mitte 2017 fertig sein.“ Wegen dieser großen Verzögerung nehme der Landkreis Abstand von der Immobilie, erklärte Ulrich.

 

Aus Sicht des früheren Bürgermeisters Nierth beruhigte sich der Ort seit der Ankunft der ersten Flüchtlinge im Juni nur äußerlich. Das Jahr habe Tröglitz viel Schaden gebracht. „Wir haben hier vier Flüchtlingsfamilien, die den Müll trennen, die sich mühelos integriert haben und im Sport engagieren“, sagte Nierth. Die demagogischen Schreckensszenarien der Rechten hätten sich nicht bewahrheitet. „Aber dafür haben wir einen Ort, der zerrissen ist. Beziehungen und Freundschaften sind zu Bruch gegangen, es gab unzählig viel Ärger und Streit, Verzweiflung und Angst.“

 

Patenschaften und Begegnungscafé

 

Seinen Rücktritt habe er nicht bereut, sagte der frühere Politiker. Wochenlang gab es fremdenfeindliche Demos im Ort. Als die Behörden Proteste direkt vor seiner Haustür nicht verboten, zog Nierth Anfang März die Notbremse. Sein ehrenamtliches Engagement gab er nicht auf. Für die drei afghanischen Familien, die inzwischen in Tröglitz leben, übernahm seine Familie die Patenschaft. Zudem richteten sie ein Begegnungscafé ein. Eingeweiht wurde es bei einer Adventsfeier mit den Flüchtlingsfamilien und rund 15 Helfern.

 

„Künftig wollen wir das Begegnungscafé regelmäßig für Veranstaltungen nutzen, in denen wir die Familien jeweils mit Vereinen, Seniorengruppen oder Schülern zusammenbringen, damit sich alle besser kennenlernen“, erzählte Nierth zu den Plänen für 2016. Für die angekündigten Neuankömmlinge, die im Laufe des Monats eintreffen, seien schon weitere Paten im Ort organisiert.

 

Aufgeklärt wurde die Straftat von Tröglitz bisher noch nicht. Im Oktober hatten die Behörden zwar einen Tatverdächtigen verhaftet. Sie mussten ihn jedoch wenig später freilassen, weil sich der Tatverdacht nicht erhärtet hatte. Eine heiße Spur zu den Tätern, die in der Nacht zum 4. April die Unterkunft im Ort mit Brandbeschleuniger angezündet hatten, gibt es weiterhin nicht, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte.