Dresden – die Stadt, in dem der Oberbürgermeister Rechtsextremisten eine Bühne in der Kreuzkirche bietet

Nightmare Dresden - Failed State Sachsen

Oberbürgermeister Dirk Hilbert und Superintendent Christian Behr laden ein zur Bürgerversammlung in der Kreuzkirche, Mittwoch, 16. Dezember 2015, 19 bis 21 Uhr. Der Eintritt ist frei.  Einlass ab 18.30 Uhr.“

 

So kann man es lesen, auf der offiziellen Internetpräsenz der Stadt Dresden.

 

Im weiteren Text dieser (wie sich nach und nach herausstellen sollte, vermutlich bewusst) sehr kurzfristigen Einladung ist zu lesen:
„Oberbürgermeister Dirk Hilbert und Superintendent Christian Behr: „Die Bürgerversammlung soll dazu beitragen, die gespaltene Gesellschaft zusammenzuführen und den konstruktiven Austausch zu ermöglichen.“ Moderation: Christian Mendt, Pfarrer und Polizeiseelsorger und Frank Richter, Direktor der Landeszentrale für politische Bildung. In der Aussprache sollen sich möglichst viele Besucher beteiligen. Vorgesehen sind kurze Statements u. a. von einem Vertreter von „Dresden für Alle“, des Ex – PEGIDA-Vize, einem Vertreter der Polizei, einem hier lebenden Flüchtling, einer Ladenbetreiberin in der Innenstadt und einem Dresdner Unternehmer syrischer Herkunft.“

Auch hier wieder vor allem eins – vage Andeutungen, keine Namen. Ungewöhnlich für eine Einladung, zu der offiziell von der Stadtspitze eingeladen wird – aber gut. Soll uns nicht davon abhalten, ihr einen Besuch abzustatten.

 

Bereits im Vorfeld sickerten interessante Details durch, die vor allem in diesem Beitrag sehr gut aufgearbeitet wurden (facebook.com/permalink.php?story_fbid=1127196427298666&id=985863644765279).

Rene Jahn als Teilnehmer – und offensichtlich sogar Mitinitiator war also wohl gesetzt. Ein Pegida-Gründungsmitglied, das sich eher halbherzig von Pegida verabschiedet hat, mittlerweile als Teilnehmer und Bachmann-Freund wieder zurück ist, und der sich zwischendurch gemeinsam mit Kathrin Oertel der antisemitischen und antiamerikanischen Querfront um Frank Geppert, Sven Liebich und Pedram Shahyar angeschlossen hat.

 

Da durfte – und sollte – man das erste Mal stutzig werden. Diesem Menschen wird also in der Dresdner Kreuzkirche, offiziell eingeladen von OB Hilbert und Superintendent Behr eine Bühne geboten? Moderiert von Frank Richter, dem Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung (SLpB)? Gut, wir sind halt in Sachsen, wirklich wundern darf man sich da über nichts mehr.

Es sollte sich im Verlauf der Veranstaltung allerdings herausstellen, dass Rene Jahn tatsächlich das kleinere Übel war. Jahn redete drei Minuten – und sagte nichts. Er präsentierte sich als biederer Saubermann, der Inhalt einer Rede ist kaum einer Betrachtung wert. Neben diversen weiteren Rednern (auch OB Hilbert selbst begab sich ans Mikrofon)  möchten wir unser Augenmerk hier auf Sebastian Hennig lenken.

 

Sebastian Hennig, noch nie gehört? Verständlich – vermutlich die wenigsten im Kirchensaal kannten seinen Namen. Sebastian Hennig stellte sich als „freischaffender Künstler und Autor“ vor. Ein junger Mann, adrett gekleidet, seriös auftretend.

Was Sebastian Hennig in den folgenden drei-vier Minuten von sich gab, war astreine Neurechte Agitation. Rechter Gramscismus, mit dem Ziel der Erreichung von Diskurshoheit und Kultureller Hegemonie durchzog beinahe beispielhaft seinen Vortrag. Gespickt mit Zitaten von Carl Schmitt, einem Vordenker der „Neuen Rechten“
.

Betrachten wir also Sebastian Hennig mal genauer. Wer ist er, in welchem Umfeld bewegt er sich, und vor allem: weshalb ist er heute hier?

Bereits kurze Recherche offenbart, dass Hennig offenbar tief verwurzelt im Gedankengut und dem Umfeld der „Neuen Rechten“ ist. Seine Publikationen finden sich in Jürgen Elsässers Querfront-Magazin „Compact“, in der „Sezession“ (Herausgeber Götz Kubitschek, einer der Vordenker und wichtigsten Köpfe der „Neuen Rechten“), im „ef-magazin“ (eigentümlich frei, ebenfalls ein Blatt der „Neuen Rechten“) und in der „Preußischen Allgemeinen Zeitung“ (Presseorgan der Landsmannschaft Ostpreußen, deren ehemalige Jugendorganisation „Junge Landsmannschaft Ostpreußen“ klar dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen ist).

 

Darüber hinaus kann man der Webpräsenz des „Instituts für Staatspolitik“ (IfS), einem neurechten Think-Tank, gegründet von Götz Kubitschek entnehmen, dass Hennig dort im September 2013 einen Vortrag mit dem Thema „Die Gestaltung der Heimat“ gehalten hat. Das IfS darf als die intellektuelle und ideologische Zentrale der „Neuen Rechten“ in Deutschland bezeichnet werden. Wolfgang Gessenharter, Professor für Politologie an der Helmut-Schmidt-Universität – Universität der Bundeswehr Hamburg, definiert die Rolle des IfS so: „Hier soll jene kulturelle Hegemonie vorbereitet werden, die nach Stellung der ‚Systemfrage‘ zu einer ‚Revolution von rechts‘ führen muss.

 

Vorträge dort wurden und werden u.a. gehalten von Martin Lichtmesz, Dr. Erik Lehnert und - Björn Höcke. Man kann demnach sagen, Kubitscheks IfS ist die deutschlandweite Zentrale der Neuen Rechten –  interessant genug auch für den Verfassungsschutz, der diese Einrichtung seit der Gründung im Jahr 2000 auf dem Schirm hat (Verfassungsschutzbericht NRW 2002, S. 111).

 

Man darf die Frage stellen, wie kommt nun ein Protagonist dieser Szene auf die Bühne in der Kreuzkirche? Lediglich Schlamperei aller Verantwortlichen? Sicher auch das. Es scheint aber naheliegender, dass Kubitschek, Elsässer und weitere prominente Vertreter im Hintergrund Hennig ganz bewusst in dieser Veranstaltung platziert haben. Über Kontakte, die weit in die „bürgerliche“ Dresdner Mitte reichen.

 

Erwähnt seien an dieser Stelle nochmals die vermutlichen Initiatoren der Veranstaltung – eine Gruppe, bestehend aus verschiedensten kritisch zu betrachtenden Dresdner (Ex-)Lokalpolitikern.

- Christine Ostrowski: eine Vorreiterin in Sachen Querfront, die bereits 1993 Kontakt zu Nazi-Kadern der „nationalen Offensive“ suchte. 

 

- Maximilian Krah: weltweiter Anwalt und Mitglied der Piusbruderschaft, deren Positionen u.a. die Ablehnung des weltanschaulich neutralen Staates, Antijudaismus und Antisemitismus, Holocaustleugnungen, Homophobie und eine Ablehnung der der Gleichberechtigung von Frauen beinhalten

 

- Jens Genschmar: aktueller Dresdner Stadtrat, der seit Beginn im nahesten Umfeld von Pegida agiert und selbst nach dem Beschluss des FDP-Präsidiums zur Unvereinbarkeit von FDP-Mitgliedschaft und der Unterstützung von Pegida weiterhin dort aktiv ist und auch von der Dresdner FDP dahingehend nicht belangt wird. 

 

- Barbara Lässig: ehemals PDS, mittlerweile ebenfalls FDP, seit einiger Zeit mindestens Teilnehmerin (vermutlich eher Mitorganisatorin) bei „Strehlen wehrt sich“, einer asyl- und ausländerfeindlichen Bewegung im Dresdner Stadtteil Strehlen

  
Wir fassen zusammen: die Stadt Dresden (in Person von OB Hilbert) und die Kreuzkirche Dresden (in Person von Superintendent Behr) laden über die offizielle Webpräsenz der Stadt Dresden zu einer Veranstaltung ein, auf der mit Sebastian Hennig einem neurechten Agitator, der bereits 2013 in Götz Kubitscheks IfS einen Vortrag hielt, mehrere Minuten unkommentiert Redezeit eingeräumt wird. Moderiert (oder eher nicht-moderiert) wird diese Veranstaltung noch dazu vom Direktor der SLpB, Frank Richter.

 

Nach allem, was wir in Dresden und Sachsen in den letzten Jahren bereits erleben mussten im Umgang mit Rechtsextremisten und Rassisten – dies ist ein neuerlicher Tiefpunkt und ein weiterer Beweis für ein komplettes Versagen der politischen Führungsriege in dieser Stadt.

 

Es kann für uns als Konsequenz aus diesem Abend nur folgende Forderungen geben:

 

Oberbürgermeister Hilbert – erkennen Sie an, dass Sie der Aufgabe, die Stadt Dresden frei von Rassismus und Rechtsextremismus zu machen, offenbar nicht mal ansatzweise gewachsen sind. Wenige Minuten Recherche hätten genügt, um die Details zu Herrn Hennig herauszufinden, die wir Ihnen hier präsentieren! Sollten Sie diese Informationen sogar vorliegen gehabt haben – umso skandalöser.

 

Frank Richter – erkennen Sie an, dass sie vermutlich ein guter Pfarrer und von Herzen guter Mensch sind. Als Direktor einer Landeszentrale für politische Bildung sind Sie aber eine komplette Fehlbesetzung – Dialog mit möglichst jedem Menschen mag in der Kirche ein erwünschtes Allheilmittel sein, in der politischen Arbeit mit Rechtsextremisten ist es eine Katastrophe! Im Gegensatz zu Ihrer SLpB gibt es von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) dazu gutes Informationsmaterial – Sie sollten es lesen!

 

Superintendent Behr – wer auch immer Sie zu der Ausrichtung dieser Veranstaltung in den Räumen der geschichtsträchtigen Kreuzkirche Dresden gedrängt hat. Auch Sie hätten sich im Vorfeld darüber informieren können, ja müssen!, wer bei Ihnen auf die Bühne tritt. Neurechte Kader haben in keinem Öffentlichen Raum etwas zu suchen, in einer Kirche aber wohl erst recht nicht!

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