Nach Kupfer-Rede zum Thema Asyl: Linke und Grüne entsetzt, AfD jubelt

Erstveröffentlicht: 
03.09.2015

CDU-Fraktionschef sorgt für Verstimmung in Dresden / Koalitionspartner SPD geht auf Distanz

 

Von Jürgen KOchinke


Dresden. Einen Tag nach der Asyl-Sondersitzung im sächsischen Landtag war das denkwürdige Szenario auch gestern noch das beherrschende Thema im politischen Dresden. Im Mittelpunkt stand natürlich die Rede von Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) - vor allem aber der Auftritt "seines" Fraktionschefs Frank Kupfer im Anschluss daran. Die Reaktionen gestern waren ähnlich wie bereits am Tag zuvor: Kopfschütteln, ja Entsetzen auf der einen, klammheimliche Freude auf der anderen Seite. Dabei, das hat sich schon bei der Plenarsitzung am Dienstag gezeigt, gibt es eine bizarre Lagerbildung - und einen Riss quer durch die CDU-Fraktion.


Das liegt nicht zuletzt an Wortwahl und Duktus von Kupfer zum Streitthema selbst, mit dem er einen klaren Konter zum Regierungschef gesetzt hat. Denn während dieser gegen gewalttätige Rassisten vor Asylunterkünften zu Felde zog und zu Barmherzigkeit aufrief, zeichnete Kupfer letztlich ein entgegengesetztes Bild. Beispiel Islam: "Dass Muslime kein Schweinefleisch essen und keinen Alkohol trinken, kann man ja noch tolerieren", hatte er unter dem Beifall der AfD-Fraktionäre gesagt und angehängt: "ist ja sogar gesund". Ansonsten aber seien diese vollkommen fremd.


Das sorgte auch gestern für heftige Reaktionen. "Die Rede von Herrn Kupfer ist verstörend", meinte Linke-Fraktionschef Rico Gebhardt. "Entweder wollte er dem Ministerpräsidenten Schaden zufügen - dann tut sich in Sachsens führender Regierungspartei ein politischer Abgrund auf. Oder Kupfer ist durch persönliches Unvermögen seiner konservativen Rolle entglitten - dann wird er zum Risikofaktor für Sachsen in schwierigen Zeiten." In jedem Falle aber seien Kupfers Worte "wie ein Brandbeschleuniger" angesichts der aggressiven Lage vor Asylheimen. Nun müsse sich die CDU entscheiden, ob sie zum humanitären Konsens bereit sei "oder eine Rechtsregierung mit der AfD vorbereiten will".


Nicht weniger hart gingen die Grünen zu Werke. "Frank Kupfer ist gefangen in seiner kleinen Welt - überzeugt von eigenen Vorurteilen", meinte Fraktionschef Volkmar Zschocke. "Seine Worte füttern die Angst vor Flüchtlingen und dem Islam. Er begreift nicht, dass er dabei niemanden gewinnt, sondern die Menschen nur in die Arme von Pegida, AfD & Co. treibt."


Nicht einfacher wird die Situation für die dauerregierenden Christdemokraten durch den Umstand, dass auch der Koalitionspartner SPD zwar moderat in der Tonlage, aber deutlich vernehmbar auf Distanz geht. "Der Ministerpräsident hat sich mehrfach mehr als deutlich geäußert", sagte Fraktionsvize Dagmar Neukirch. "Wir unterstützen die Staatsregierung ohne Wenn und Aber. Ob und warum das andere eventuell anders handhaben - diese Frage ist bei uns eindeutig an der falschen Adresse." Im Klartext: Das Problem hat nicht die SPD, der Ball liegt bei der CDU.


Bei der AfD ist die Stimmung ganz anders, die Fraktion befindet sich fast schon in einer Art Feierlaune. Schon am Dienstag war Fraktionchefin Frauke Petry Tillich herb angegangen, hatte ihm vorgeworfen, den Menschen "Sand in die Augen" zu streuen. Gestern legte sie nach. Der Regierungschef habe die "Gewalttaten einzelner Randalierer dazu missbraucht, regierungs- und asylkritische Sachsen pauschal als Hassfiguren zu beschimpfen", sagte sie.


Laut Petry zieht dabei aber Tillichs eigene Partei nicht mit. "Die CDU-Basis ist offenbar anderer Meinung als ihr Landesvorsitzender und Ministerpräsident", meinte sie. Dies belege allein schon die Tatsache, dass Kupfer ihm widersprach, "offen und konfrontativ. Tillich biege vor seiner eigenen Partei "scharf links ab", "beseelt vom Eifer, bei seiner Bundesvorsitzenden Merkel politische Punkte zu sammeln".


Unübersichtlich ist dagegen die Lage in der CDU-Fraktion. Zwar dürfte die Mehrheit der Abgeordneten beim Reizthema hinter Kupfer stehen - und damit letztlich gegen Tillichs Kurs. Doch es gibt auch andere kritische Stimmen. "Ich hätte die Rede anders gehalten", lautete noch eine der harmloseren Reaktionen hinter vorgehaltener Hand. Auch halten einige jüngere Abgeordnete Kupfer mangelnden Pragmatismus vor - was nur eine Umschreibung ist für den Vorwurf, er präsentiere keine Lösungen, sondern betreibe schlicht Ideologie.