Das Ringen von Heidenau: Gericht bestätigt das Versammlungsverbot

Erstveröffentlicht: 
29.08.2015

Landkreis beruft sich auf polizeilichen Notstand / Willkommensfest vor Asylunterkunft ausgenommen

 

Von martin fischer


Heidenau. Der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge hat die Notbremse gezogen: Eine Woche nach den Krawallen von Rechtsradikalen in Heidenau hatten rechte und linke Gruppen wieder Kundgebungen und Demonstrationen angemeldet - und der Kreis sie alle verboten. Das Verwaltungsgericht Dresden hielt das für unzulässig, das Oberverwaltungsgericht in Bautzen dagegen stützte das Verbot - bis auf eine Ausnahme.


Wer kann ein Versammlungsverbot aussprechen - und wann?

 
Die Versammlungsfreiheit ist im Grundgesetz garantiert. Einschränkungen müssen sehr gut begründet sein. Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung stellt einen solchen Grund dar. Sie hatte auch das Landratsamt in Pirna angeführt. Die Behörde berief sich auf einen sogenannten polizeilichen Notstand. "Danach sind die zur Verfügung stehenden Polizeikräfte nicht in der Lage, der prognostizierten Lageentwicklung gerecht zu werden", erklärte die Beigeordnete Kati Hille. Dadurch könnten Leib und Leben von Demonstranten, Polizisten und Unbeteiligten in Gefahr sein.


Warum stehen denn nicht genügend Polizisten zur Verfügung? Können die Nachbarländer nicht helfen?

 
Sachsens Innenministerium in Dresden nennt keine Zahlen, betont aber, dass man alle zur Verfügung stehenden Einsatzkräfte mobilisiert habe. Es müssten auch noch weitere Veranstaltungen wie Fußballspiele und das Altstadtfest in Görlitz gesichert werden. Einige Anfragen in den anderen Ländern und beim Bund liefen zwar noch, die dortigen Einheiten seien aber ebenfalls schon stark eingebunden.


Warum kippte das Verwaltungsgericht Dresden das Verbot zunächst?

 
Die Richter befanden, dass es "offensichtlich rechtswidrig" ist, alle Versammlungen von gestern bis Sonntag zu untersagen. Das erschien ihnen unverhältnismäßig. Sie bemängelten außerdem, dass für die Einschätzung der Gefahrenlage lediglich die Krawalle vom vergangenen Wochenende herangezogen worden seien, "ohne sich konkret mit den für das kommende Wochenende angezeigten Versammlungen auseinanderzusetzen und darzulegen, wie von der zu erwartenden Teilnehmerzahl eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehen solle".


Wieso entschieden die Oberverwaltungsrichter in Bautzen anders?


Das Versammlungsverbot bleibt laut der Eil-Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes in Bautzen bestehen - teilweise. Denn alle vom Bündnis "Dresden Nazifrei" für gestern geplanten Veranstaltungen - darunter das Willkommensfest vor der Asylunterkunft - durften stattfinden, wie die Richter noch gestern Abend erklärten. Ob der vom Kreis geltend gemachte polizeiliche Notstand auf die anderen vom Verbot betroffenen Versammlungen zutrifft, ließ das Oberverwaltungsgericht offen. Es war noch eine Demo für das Wochenende angemeldet, die auch von rechten Gruppen wie der Bürgerwehr Freital und dem Heimatschutz Meißen unterstützt wurde.


Hat es solche Fälle schon gegeben?

 
Ja, auch die Verbote einer Pegida-Demonstration in Dresden im Januar und einer Legida-Kundgebung im Februar in Leipzig waren mit einem polizeilichen Notstand begründet worden. In Dresden war zuvor eine Terrorwarnung eingegangen. In Leipzig sagte Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) damals: "Mit 1000 Beamten lässt sich die Sicherheit der Stadt nicht garantieren."


Wer hatte das Versammlungsverbot eigentlich überprüfen lassen?


Ein junger Jurist aus dem Rheinland - der wissenschaftliche Mitarbeiter einer Kanzlei wollte an dem Willkommensfest für die Flüchtlinge teilnehmen. "Es kann doch nicht sein, dass für eine ganze Stadt über zwei Tage ein Versammlungsverbot gelten soll."