PEGIDA in Baden-Württemberg

Grisgramix

Seit Dezember 2014 gehen jede Woche deutschlandweit Rassistinnen und Rassisten auf die Straße, um „gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (GIDA), gegen Flüchtlinge und – nach einem schlechten Presseecho – trotzig auch gegen die „Lügenpresse“ zu protestieren. Diese GIDA-Demos finden inzwischen auch in Baden-Württemberg statt, in Villingen-Schwenningen und in Karlsruhe.

 

Selbst nennen sie sich „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (PEGIDA). Ausgehend von der sächsischen Landeshauptstadt Dresden verbreiteten sich die Ableger von PEGIDA wie Pickel über das Gesicht der Bundesrepublik und sind auch genauso schwierig wieder wegzubekommen. Die PEGIDA-Pickel im Osten blieben dabei die größten. Mit der Ausnahme Münchens kamen bei den diversen GIDA-Demos in Westdeutschland nie über 1.000 TeilnehmerInnen zusammen.
Zeitweise brachten die AbendlandsverteidigerInnen wöchentlich mehrere zehntausend RassistInnen auf die Straße. Diese stehen stellvertretend für Millionen von Menschen mit rassistischen Einstellungen, die sich aber bisher nicht für Straßenprotest mobilisieren ließen. Das liegt u.a. daran, das antifaschistischer Straßenprotest den Preis für eine Teilnahme an rechten Demonstrationen vielerorts in die Höhe treibt.
Bei der Stimmenabgabe sieht das schon ein wenig anders aus. Die parlamentarischen Arme des organisierten Rassismus, AfD, NPD, etc., erhielten bei den letzten Wahlen mehrere Millionen Stimmen. Andere RassistInnen wählten nicht oder gaben ihre Stimme etablierten Parteien wie SPD, CDU oder CSU, die durchaus auch rassistische Politik machen und mitverwalten.  

„SBH-GIDA – Schwarzwald-Heuberg gegen die Islamisierung des Abendlandes“
Mit der vierten Demonstration scheint die ausrichtende Gruppe von SBH-GIDA zu „PEGIDA Dreiländereck AT / CH / D“ gewechselt zu haben. Eine der organisierenden Personen ist Sabrina Grellmann. Auf den SBH-GIDA-Onlineflyern taucht zudem der Name Kay Vogler auf.
Mit einem eigenen Banner war das antimuslimische Hetzportal „PI-News“ vertreten.
Bisher gab es fünf SBH-GIDA-Demonstrationen:
* 12.01.2015, ca. 80-100 TeilnehmerInnen;
dagegen demonstrierten bis zu 300-500 Personen 
* 26.01.2015, ca. 40-80 TeilnehmerInnen, Redner war der NPD-Aktivist Wolfgang R. Grunwald; 
dagegen demonstrierten bis zu 600 Personen 
* 02.03.2015, ca. 80 TeilnehmerInnen, Redner waren der koptische Pastor Fouad Adel und der Schweizer Rechtspopulist Ignaz Bearth;
dagegen demonstrierten bis zu 200 Personen
* 15.03.2015, ca. 100 TeilnehmerInnen, Redner war der antimuslimische Hassprediger 'Michael Mannheimer' (Realname: Michael Merkle) aus Heilbronn; 
dagegen demonstrierten 200 Personen
* 29.03.2015, diesmal in Schwenningen, ca. 60 TeilnehmerInnen, RednerInnen war der pakistanischstämmige Ex-Muslim Zahid Khan, Sabrina Grellmann und erneut Ignaz Bearth

„KARGIDA – Karlsruhe gegen die Islamisierung des Abendlandes“
Die KARGIDA-Demos wurden von Thomas Rettig organisiert, der bei den Kommunalwahlen für die AfD kandidierte. 
Ähnlich wie in Villingen war „PI-News“ mit einem eigenen Banner vertreten.
Bisher gab es fünf KARGIDA-Demonstrationen:
* 24.02.2015, ca. 200 TeilnehmerInnen (u.a. Mitglieder von „Die Rechte“, „Berserker Pforzheim“, „Identitäre Bewegung Baden“), Redner war der antimuslimische Hassprediger 'Michael Mannheimer' (Realname: Michael Merkle) aus Heilbronn;
dagegen demonstrierten bis zu 1.000 Personen 
* 02.03.2015, ca. 200 TeilnehmerInnen (u.a. NPD-Mitglieder, darunter Alexander Neidlein), Rednerin war Ester Seitz aus Neumarkt (Opferpfalz in Bayern);
dagegen demonstrierten 500 Personen 
* 10.03.2015, ca. 290 TeilnehmerInnen (u.a. angeblich „etwa 40“ NPD-Mitglieder, darunter Christian Hehl, Benjamin Hennes, Jan Jaescke; Mitglieder der Partei „III. Weg“ als „Bürgerbewegung Limburgerhof“), RednerInnen waren Michael Stürzenberger und eine „Beate“;
dagegen demonstrierten 650 Personen  
* 23.03.2015, ca. 195 TeilnehmerInnen, RednerInnen waren Thomas Rettig und eine „Angelina“;
dagegen demonstrierten bis zu 800 Personen 
* 31.03.2015, ca. 120 TeilnehmerInnen (u.a. „Die Rechte Baden-Württemberg“), Redner war erneut Michael Stürzenberger;
dagegen demonstrierten 250 Personen  

sonstige GIDA-Aktivitäten im Südwesten
Es gab Hinweise darauf, dass in Stuttgart größere Demonstrationen dieser Art geplant waren.
Darüber hinaus gibt es durchaus Verbindungen zwischen dem Südwesten und der rassistischen PEGIDA-Bewegung. So ist ein Autor und Angestellter des Rottenburger Kopp-Verlages mehrfach als Redner bei PEGIDA-Demonstrationen aufgetreten. Gemeint ist der Bürgerkriegs-Prediger Udo Ulfkotte. Dieser sprach am 22. Dezember 2014 in Bonn bei BOGIDA und am 5. Januar 2015 beim Original-PEGIDA in Dresden vor mehreren tausend gleichgesinnten RassistInnen. In seiner Rede beklagte er den „Verlust der nationalen Identität“ und forderte die Einführung des Amtes „Rückführungsbeauftragter“. Eine Forderung, die bisher eher aus NPD-Kreisen zu hören war. Zu organisierten Neonazis geht Ulfkotte gewöhnlich auf Distanz, was aber nichts an seiner inhaltlichen Nähe ändert. Ulfkotte schreibt teilweise so, wie es sich NPD-FunktionärInnen nicht trauen würden vor der Kamera zu sprechen.
Ulfkotte ist Chefredakteur des Informationsdienstes „Kopp-Exklusiv“ des Kopp-Verlags und von ihm erschienen im Kopp-Verlag mehrere Bücher, zuletzt eines mit dem Titel „Gekaufte Journalisten“, was die Medien als manipuliert und fremdgesteuert darstellt, also als „Lügenpresse“.
Wer Ulfkottes frühere Bücher liest, stößt schnell auf vulgärrassistische Aussagen und Verschwörungstheorien, die so auch in einem Neonazi-Forum stehen könnten. Hier ein paar Beispiele:
„Denn auch die neuesten Zuchtversuche einer neuen Menschenrasse – des Multikulti-Primaten – führen geradewegs in den Untergang. Das schlimmste Ergebnis des Multikulti-Primaten-Zucht sind immer mehr multikriminelle Primaten, die immer brutaler Unruhe in die Bevölkerung bringen.“
Udo Ulfkotte in „Vorsicht Bürgerkrieg!“ (3. Auflage September 2009, Rottenburg), Seite 155

„Denn statt skrupellos Migranten aus bildungsfernen Schichten zu importieren, hätte die Bundesregierung auch gleich Gift einführen und den Einheimischen verabreichen können.“
Udo Ulfkotte: Kein Schwarz. Kein Rot. Kein Gold. Armut für alle im „Lustigen Migrantenstadl“, Rottenburg 2010, Seite 26

„Man muss den Menschen die Wahrheit sagen: Bestimmte zugewanderte Bevölkerungsgruppen haben sich über Jahrzehnte hin als weitgehend bildungs- und integrationsresistent erwiesen. Sie gehören nicht nach Europa. Wir müssen und wir werden sie wieder loswerden. […] Die aufrichtige Frage lautet: »Wann gehst du endlich wieder?« Nur so wird aus der bildungsfernen Migrantenflut endlich die von vielen Bürgern ersehnten Migrantenebbe.“
Udo Ulfkotte: Kein Schwarz. Kein Rot. Kein Gold. Armut für alle im „Lustigen Migrantenstadl“, Rottenburg 2010, Seite 176

Solche menschenverachtenden Aussagen hielten z.B. die AfD in Kassel nicht davon ab, Ulfkotte am 25. Januar 2015 bei ihrem Neujahrsempfang auftreten zu lassen, wo Ulfkotte über „Gekaufte Journalisten” sprach.
Am 14. März 2015 sprach Ulfkotte zum Thema „PEGIDA und die veröffentlichte Meinung“ in den Räumlichkeiten des Württembergischen Automobilclubs und zwar im Rahmen des „Frühjahrskongreß“ des deutschnationalen „Studienzentrum Weikersheim“ (SZW). Das SZW war ursprünglich eine Gründung aus den rechten Kreisen der Südwest-CDU. Inzwischen orientiert sich das SZW stärker zur AfD hin. Aus deren Reihen gibt es auch in Baden-Württemberg deutliche Sympathien für PEGIDA. Das zeigt sich auch in ihren Aktivitäten. So nahm der AfD-Kreisverband Ulm / Alb-Donau  am 22. Dezember 2014 an der Demonstration des PEGIDA-Ablegers in Würzburg teil und die AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA) Rems-Murr war am 5. Januar 2015 bei PEGIDA in Dresden. Der baden-württembergische AfD zeigte in einer Pressemitteilung deutliches Verständnis für PEGIDA und einzelne AfD-Mitglieder wie Bernhard Sauff aus Heidelberg solidarisierten sich öffentlich mit PEGIDA. Die JA Baden-Württemberg, die sich unter ihrem Chef Markus Frohnmaier aus Tübingen, besonders stramm rechts positioniert, fragte bereits am 3. Dezember 2014 auf ihrer Facebook-Seite hoffnungsvoll: „Was denken unsere Freunde, sollte es sowas wie die Demo Pegida auch in Baden-Württemberg geben?“

Vom rechten Rand der CDU über die AfD bis zu PEGIDA und dem KOPP-Verlag formieren sich RassistInnen auch in Baden-Württemberg.  
Außer acht gelassen darf dabei aber nicht der rassistische, sexistische oder homophobe Normalzustand, der sich auch außerhalb von Demonstrationen vollzieht und dort sehr viel schwerer zu bekämpfen ist als in Form einzelner Aufmärsche.