Streit um Demo-Verbot für Legida in Leipzig – Aufruf zu "Spontandemo" an Hooligans

Erstveröffentlicht: 
08.02.2015

Leipzig. Nach dem Verbot der Legida-Demo in Leipzig wegen eines Polizeinotstandes ist eine heftige Debatte ausgebrochen: War die Entscheidung verhältnismäßig oder schränkt sie die Versammlungsfreiheit zu stark ein? Die Stadt und das sächsische Innenministerium schieben sich die Verantwortung gegenseitig zu. Polizeigewerkschaft und Politiker sprechen von einem Skandal. Streit herrscht vor allem darüber, ob ein Verbot das richtige Mittel ist – zumal die Gegendemonstrationen wie geplant stattfinden dürfen.

 

Am Sonntagnachmittag tauchte im Netz ein Aufruf zu einer "Spontandemo" auf. "Eine Revolution beantragt man nicht beim Ordnungsamt", heißt es auf dem anonymen Online-Flugblatt, das für einen Aufzug am Montagabend in Leipzig wirbt. Im Hintergrund sind auf einem Foto offensichtlich Pegida-Anhänger mit Deutschlandfahnen zu sehen. Der Aufruf kursierte bei Facebook. Ob es sich um einen Fake handelte, blieb zunächst unklar.

Auch ein zweites Rundschreiben machte am Sonntagabend die Runde durch das Netz. Demnach werden Anhänger der sogenannten "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa) dazu aufgerufen, zahlreich nach Leipzig zu kommen. Sie sollen, so das Schreiben, Anhänger der Legida unterstützen, wenn diese spontan durch die Stadt spazieren. Der Aufruf findet sich in verschiedenen Foren und sozialen Medien, die originale Quelle ist allerdings ebenfalls unklar.

Stadtsprecher Matthias Hasberg erklärte auf Anfrage, dass es sich bei jeglicher Demo mit inhaltlichem Bezug auf Legida oder Pegida um eine illegale Veranstaltung handele, die am Montag von der Polizei aufgelöst werden müsse. Polizeisprecher Uwe Voigt bestätigte dies unter dem Vorbehalt, dass das Demo-Verbot vor Gericht standhalte. Er hielt es für möglich, dass der Aufruf authentisch ist. "Wir müssen mit Spontandemos rechnen", sagte er gegenüber LVZ-Online. Deshalb würden die zugesagten acht Polizeihundertschaften am Montag auch "in jedem Fall im Einsatz" sein.

 

Innenministerium hält Verbot für nicht gerechtfertigt

Die Stadt verteidigte am Sonntag nochmals ihre Entscheidung, den für Montagabend um 19 Uhr geplanten "Abendspaziergang" der islamfeindlichen Legida-Bewegung zu untersagen. „Wir werden uns nicht sehenden Auges in eine Situation begeben, in der Leib und Leben gefährdet sind“, sagte Hasberg. Die Legida-Anmelder hatten mit bis zu 10.000 Teilnehmern auf dem Augustusplatz und dem Innenstadtring gerechnet – zur letzten Demo am 30. Januar waren jedoch nur rund 1500 gekommen.

In Leipzig stehen maximal 800 bis 1000 Beamte zur Verfügung – laut Innenministerium so viele wie in keiner anderen sächsischen Stadt am Montag. Nach Einschätzung der Leipziger Polizei sind jedoch mindestens 3100 Kräfte nötig, um die Sicherheit bei der zuletzt unter anderem von Rechtextremisten und Hooligans besuchten Demo zu gewährleisten. Weil parallel auch bei Pegida in Dresden, bei Cegida in Chemnitz und in anderen Städten bundesweit demonstriert wird, kann die sächsische Polizei jedoch nicht so viele Beamte in die Messestadt beordern.

Das Innenministerium wies die Verantwortung für die Absage vehement zurück. Das von der Stadt ausgesprochene Verbot sei nicht gerechtfertigt, sagte ein Sprecher von Markus Ulbig (CDU). Der Minister hatte nach der Absage der Dresdner Pegida-Demo am 19. Januar wegen mutmaßlicher Anschlagsdrohungen gegen Lutz Bachmann selbst unter Druck gestanden. Parteiübergreifend herrschte Empörung über den harten Einschnitt in das Demonstrationsrecht – eine Debatte, die nun neu entfacht ist.

„Armutszeugnis für den Freistaat“


„Es ist ein Skandal, dass der Personalabbau dazu führt, dass die Polizei ihre Aufgaben nicht mehr wahrnehmen kann und Grundrechte eingeschränkt werden müssen“, kritisierte der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow. Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen im Landtag, sprach von einem „Armutszeugnis für den Freistaat“. Enrico Stange, innenpolitischer Sprecher der Linken im Landtag erinnerte daran, dass der Polizistenmangel nicht „plötzlich vom Himmel gefallen“ sei. Das Verbot bezeichnete er einen „schweren staatlichen Angriff auf das hohe Verfassungsgut der Versammlungsfreiheit“.

Es gibt aber auch politischen Gegenwind: Christian Hartmann, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag, nannte die Entscheidung der Stadt Leipzig unverhältnismäßig. Mit rund 1000 Polizeikräfte seien die Demonstrationen „hinreichend abgesichert“. Von einem Polizeinotstand könne „nicht die Rede sein“. Legida hat bereits angekündigt, Rechtsmittel einzulegen und sprach von „staatlicher Willkür in Reinkultur“. Auf der Facebook-Seite hieß es: „Legida lässt sich von einem Herrn Jung nicht aus der Stadt vertreiben! Wir sind das Volk! Wir sind gekommen, um zu bleiben!“

OBM bezeichnet Absage als alternativlos

 

Nach Ansicht des Innenministeriums sei es an der Stadt, den Veranstaltern Auflagen zu machen und eventuell nur eine Kundgebung zu genehmigen, wenn die zugesagten Kräfte als nicht ausreichend erachtet würden. Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) betonte dagegen, die Absage des Ordnungsamtes sei alternativlos gewesen und hätte auch nicht durch Auflagen verhindert werden können.

„Herr Ulbig liest offensichtlich die Lageeinschätzung der eigenen Polizei nicht. Für uns ist diese eindeutig: Die 1000 Beamten reichen zur Absicherung nicht“, so Stadtsprecher Hasberg. „Falls doch, muss der Innenminister erklären, warum er offensichtlich genau das Gegenteil von dem behauptet, was die Polizei dem Ordnungsamt mitgeteilt hat.“

Die Polizeidirektion Leipzig hatte zuvor in ihrer Lageeinschätzung davon gesprochen, dass mit 800 Beamten weder eine stationäre Kundgebung „geschweige denn ein Aufzug“ abgesichert werden könnten. Bei der letzten Demo am 30. Januar, die durch Auflagen auf den Augustusplatz beschränkt wurde, war es trotz der 2000 eingesetzten Polizisten zu Zusammenstößen zwischen Legida-Anhängern und Gegendemonstranten gekommen.

Der Leipziger Ableger der Pegida-Bewegung wird vom Verfassungsschutz als deutlich radikaler eingeschätzt. An der letzten Demo sollen auch rund 300 Hooligans aus der Fußballszene teilgenommen haben. Das Gefährdungspotenzial sei „nicht beherrschbar“ so die Polizei – daher seien eher noch mehr als weniger Kräfte nötig, hieß es in der Einsatzplanung.

Demos in anderen Städten finden statt – trotz Kräftemangels

Pikant sind vor diesem Hintergrund die Aussagen von Landespolizeipräsident Jürgen Georgie. Er betonte am Samstag in einem Brief an Jung, der schließlich zur Absage führte, dass der Polizeidirektion Leipzig bereits der „größte Teil der verfügbaren Kräfte“ bereitgestellt werde. Ein von der Stadt angekündigtes Verbot hielt er für unverhältnismäßig. „Die Polizeidirektionen Dresden und Chemnitz sind ebenfalls gehalten, ihre Einsätze mit deutlich weniger als den angeforderten Einsatzkräften zu bewältigen“, so Georgie.

Der Landespolizeichef verwies auch darauf, dass trotz „angespannter Kräftesituation“ am Montag unter anderem in Berlin, Kassel, Hamm, Duisburg, Baden-Baden, Würzburg, München und Magdeburg demonstriert werde. Dort könne trotz „teilweise mehreren tausend Teilnehmern aus verschiedenen Meinungslagern“ das Versammlungsrecht gewährleistet werden.

Demo-Verbot könnte vor Gericht bröckeln


Demonstriert wird am Montag wohl auch in Leipzig – aber auf der Gegenseite. Die Legida-Protestveranstaltungen seien nicht von dem Verbot betroffen, erklärte Stadtsprecher Hasberg. Diese seien „versammlungsrechtlich als eigene Veranstaltungen“ zu werten. Auch eine Satire-Demo mit dem Namen „Legida – das Original“ der „Partei“ auf der Gewandhaus-Seite des Augustusplatzes darf stattfinden. Es ist nicht auszuschließen, dass sich Legida-Anhänger wie angekündigt unter die Menge mischen werden. Darauf angesprochen sagte Hasberg: „Um illegale Versammlungen aufzulösen, werden die 800 Beamten ausreichen.“

Die Gewerkschaft der Polizei ist indes skeptisch, dass das ausgesprochene Verbot Bestand haben wird. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Leipzig wird für Montag erwartet. „Es ist fraglich, ob die Gerichte den Einwand, es herrsche polizeilicher Notstand, überhaupt gelten lassen“, sagte der GdP-Vorsitzende Malchow. Um die Gesundheit der Polizisten macht er sich ernsthaft Gedanken: „Sollten die Demonstrationen doch stattfinden dürfen, werden meine Kolleginnen und Kollegen bei der gewalttätigen Stimmung, die in Leipzig herrscht, dort verheizt werden.“