FR: Offene Fragen und Spendenaktion nach Abschiebung

Verwüstet: Das Haus der Familie Ametovic im Roma-Lager Nis.
Erstveröffentlicht: 
22.01.2015

Nach der Abschiebung der Roma-Frau Sadbera Ametovic mit ihren sechs Kindern zwischen einem und zehn Jahren nach Serbien gehen die Diskussionen weiter. Das Jugendhilfswerk startet eine Spendenaktion.

 

Die grüne Bundestagsabgeordnete Edith Sitzmann forderte beim Neujahrsempfang der Freiburger Grünen "verbindliche Kriterien, wann humanitäre Gründe gegen Abschiebungen sprechen". Das Innenministerium lehnt das auf Nachfrage der BZ ab: "Fixe Entscheidungskriterien können der Vielschichtigkeit der ausländerrechtlichen Einzelfälle nicht gerecht werden."

 

Was genau steckt hinter den "humanitären Einzelfallprüfungen", die laut Innenminister Reinhold Gall einen Winter-Abschiebestopp unnötig machen? Die BZ hat beim Innenministerium und dem Regierungspräsidium Karlsruhe mit einem langen Fragenkatalog nachgehakt: Wer überprüft, wie viele Ärzte sind bei den medizinischen Untersuchungen dabei, wer wählt die Ärzte aus, spielt das Kindeswohl eine Rolle? Auf diese und andere konkrete Fragen gab es höchst dürftige Antworten.

Andreas Schanz, Pressesprecher des Innenministeriums, listet allgemeine Kriterien – unter anderem das Alter und den Gesundheitszustand – auf und betont die Position des Ministeriums: "Verbindlicher Vorgaben oder Erlasse seitens des Innenministeriums bedarf es nicht." Das Regierungspräsidium nehme seine "verantwortungsvolle Aufgabe und das eingeräumte Ermessen" sehr gewissenhaft wahr. Unter anderem werde bei der Ausländerbehörde vor einer Abschiebung die aktuelle Situation erfragt.

Stadt widerspricht dem Regierungspräsidium


Dem widerspricht die städtische Pressesprecherin Edith Lamersdorf: Eine solche Nachfrage zur Einschätzung der Familie Ametovic habe es nicht gegeben. Das Regierungspräsidium antwortet auf alle Fragen der BZ nur mit der Auskunft: "Im Fall der Familie Ametovic lagen keine Abschiebungshindernisse vor." Die Reisefähigkeit der Familie sei am Flughafen durch einen begleitenden Arzt bestätigt worden – für die Frage, ob die Ametovics gesundheitlich in Serbien zurechtkommen oder nicht, sei, wie für alle Fragen, die mit der Situation im Herkunftsland zusammenhängen, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig.

Dort wurde der Asylantrag längst abgelehnt, eine Klage, die von Unterstützern eingereicht wurde, hatte keine aufschiebende Wirkung. Auch der Petitionsausschuss hatte – trotz rotgrüner Mehrheit im Ausschuss – nicht gegen eine Abschiebung gestimmt. Dafür habe die rechtliche Grundlage gefehlt, argumentiert die SPD-Landtagsabgeordnete Gabi Rolland, die gegen die Abschiebung gekämpft hat.

Nach ihrer Einschätzung wäre die Härtefallkommission die bessere Adresse gewesen – doch anders als in anderen Fällen habe der Petitionsausschuss der Familie nicht empfohlen, sich dorthin zu wenden. Gabi Rolland kritisiert, dass nach der Ankündigung der Abschiebung Mitte Dezember durch das Regierungspräsidium – ohne festen Termin, für die vierte Kalenderwoche – nicht mehr passiert ist, um die Abschiebung zu verhindern. Diese Kritik richtet sie auch gegen sich selbst: "Hinterher bin ich nun schlauer."

An dieser Stelle schließt sich der Kreis: Alle Beteiligten hatten nicht mit der Abschiebung gerechnet, überall ist nun die Fassungslosigkeit groß. Zum Beispiel an der Emil-Gött-Schule, die Dejan (10), der älteste Sohn der Familie, bis Montag besuchte. Die Lehrerin Monika Bettermann bot Kindern, die Dejan kannten, an, ihre Gefühle aufzuschreiben – es entstanden berührende Briefe. Betroffenheit herrscht auch beim Jugendhilfswerk, dessen Mitarbeiter die Familie gut kennen. Eine Betreuerin der Familie, die selbst aus Serbien stammt, hat das verwüstete frühere Haus der Familie im Roma-Lager Nis im vergangenen Sommer fotografiert und hält telefonisch Kontakt. Der kleinste Sohn habe Fieber, die Kinder würden auf dem Boden schlafen. Das Jugendhilfswerk hat ein Spendenkonto eingerichtet, fordert allerdings genau wie das "Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung" vor allem eine Wiedereinreise der Familie.

 

Spenden für die Familie Ametovic

Bitte auf folgendes Konto:
Sparkasse Freiburg
IBAN: DE18 6805 0101 0013 4755 43
BIC: FRSPDE66XXX


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