"Die verschwiegenen Toten" - Gedenken an Kamal und andere Opfer

Erinnerung an Kamal Kilade: Bei einer Antirassismus-Demonstration gedachten 1000 Teilnehmer der Opfer rechtsextremer Gewalt in Leipzig. Foto: André Kempner
Erstveröffentlicht: 
27.10.2014

Antirassismus-Demonstration mit 1000 Teilnehmern in Leipzig / Ausstellung im Rathaus geplant Von Matthias Puppe und Sabine Kreuz

Unter dem Motto "Erinnern heißt kämpfen" gedachten am Samstag 1000 Leipziger dem 19-jährigen Kamal Kilade und anderen Todesopfern rechtsextremer Gewalt in Leipzig. Vor vier Jahren, am 24. Oktober 2010, war der Migrant aus dem Irak am Leipziger Hauptbahnhof aufgrund seines ausländisch wirkenden Aussehens von zwei Neonazis mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt worden. Wenig später starb er an den Folgen der Attacke.

Der Gedenkmarsch führte vom Markt zum Tatort und anschließend durch östliche Stadtteile. Angaben der Polizei zufolge gab es keine nennenswerten Vorkommnisse. Mitinitiatorin Juliane Nagel (Die Linke) freute sich über die rege Beteiligung: "Es ist schön, dass auch im vierten Jahr nach dem Mord noch so viele Menschen beim Gedenkmarsch dabei sind. Es zeigt, dass es eine Sensibilität für das Thema in Leipzig gibt", so die Landtagsabgeordnete und Stadträtin. Laut Maximilian Schmidt von der Initiative "Rassismus tötet" gab es seit 1990 in Leipzig acht rechtsextrem motivierte Morde, wovon die Bundesregierung bislang nur drei anerkennt. Deshalb sei die Aufarbeitung längst noch nicht abgeschlossen, so Schmidt. Bundesweit zählt die Amadeu-Antonio-Stiftung 184 Todesopfer - offiziell werden 63 anerkannt. Hier die Leipziger Fälle:

 

Klaus R. (43): Der Obdachlose geriet am 28. Mai 1994 mit Skinheads in Streit, wurde zu Tode geprügelt.

 

Horst K. (44): Am 30. Dezember 1995 zündeten zwei Jugendliche den Obdachlosen in einer Straßenbahn der Linie 15 an. Er starb.

 

Bernd G. (43): Am 8. Mai 1996 schlugen drei Rechtsextreme den Geschäftsmann, der homosexuell war, zusammen und erstachen ihn. Die Leiche versenkten die Täter im Ammelshainer See, wo sie eine Woche später gefunden wurde.

 

Achmed B. (30): Der Asylsuchende wurde am 23. November 1996 vor einem Gemüseladen erstochen, als er zwei deutschen Kolleginnen zu Hilfe kommen wollte. Zwei Skinheads hatten sie als "Türkenschlampen" attackiert. (In der staatlich geführten Statistik zu Todesopfern rechter Gewalt anerkannter Fall.)

 

Nuno L. (49): Im Juli 1998 schlugen acht rechtsgerichtete Männer den Portugiesen zusammen. Anlass war das Ausscheiden Deutschlands bei der Fußball-Weltmeisterschaft. Nuno L. starb Ende 1998 in Portugal an den Verletzungsfolgen (staatlich anerkannt).

 

Thomas K. (16): Am 4. Oktober 2003 wurde der alternative Jugendliche von einem Sympathisanten der rechten Szene erstochen.

 

Karl-Heinz T. (59): Am 23. Juli 2008 misshandelte ein Neonazi den Obdachlosen mit massiven Schlägen und Tritten. Er starb zwei Wochen später.

 

Kamal Kilade (19): Der Migrant aus dem Irak starb nach einem Angriff zweier Nazis am 24. Oktober 2010 an den Folgen eines Messerstiches in den Bauch (staatlich anerkannt).

 

Die Ausstellung des Initiativkreises Antirassismus "Die verschwiegenen Toten. Opfer rechter Gewalt in Leipzig seit 1990" will einen Beitrag zur Aufarbeitung und zur Erinnerungskultur leisten. Sie wird am 14. November um 17 Uhr im Neuen Rathaus eröffnet.