Burschenschaften in Deutschland im Abseits

Erstveröffentlicht: 
26.08.2014

NSU-Bericht in Thüringen belastet Deutsche Burschenschaft - Österreichische Burschenschaften von Dresdner Akademikerball ausgeschlossen

 

von Colette M. Schmidt

 

Wien/Dresden/München - Während in Österreich diesen Sommer kaum eine Woche verging, in der die Demo gegen den Wiener Akademikerball im Jänner - etwa durch Gerichtsverfahren gegen Demonstranten - medial nicht wieder zum Thema wurde, haben Burschenschaften noch ganz andere Sorgen.

Wie DER STANDARD berichtete, leidet der Dachverband "Deutsche Burschenschaft" (DB), in dem sich Verbindungen aus Deutschland und Österreich versammeln, unter massivem Mitgliederschwund, weil deutsche Verbindungen aus Protest gegen den Rechtsruck, der unter Einfluss der Österreicher passiert, austreten. Schon rund die Hälfte suchte das Weite. Ein Gutteil von ihnen will im Herbst 2015 einen neuen Dachverband gründen.

Die 65 in der DB verbliebenen Burschenschaften haben es derweil auch immer schwerer. Wie berichtet, waren die Burschenschafter heuer bereits im Juni nicht mehr auf der Wartburg in Eisenach willkommen, im Juli wurde der Dachverband vom traditionellen Marktfrühschoppen in Marburg ausgeschlossen, und die Universität Jena warf die DB aus ihrem Förderverein.
"Erstaunliche Kehrtwende"

Christian Becker, selbst Ex-Burschenschafter, Sprecher der Initiative Burschenschafter gegen Neonazis und Betreiber des Blogs "Burschenschafter packt aus", sieht eine "erstaunliche Kehrtwende": "Der bürgerliche Mittelstand wendet sich von den ganz rechten Burschenschaften ab."

Vorläufiger Höhepunkt: Die 34 Burschenschaften der "Burschenschaftlichen Gemeinschaft" (einer Arbeitsgruppe innerhalb der DB) wurden vom Dresdner Akademikerball, einem der "kleinen Brüder" des Wiener Akademikerballs, ausgeladen. Unter ihnen sind 20 österreichische Burschenschaften. Als Grund gibt die Veranstalterin, die "Gesellschaft zur Förderung Studentischer Kultur", Extremismus an.

Betroffen von dem Verbot sind auch deutsche Verbindungen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, Mitglieder der NPD und einzelner Pro-Parteien und Kameradschaften. Der Vorsitzende der Gesellschaft bekam empörte Post von österreichischen Verbindungsbrüdern.
Abschlussbericht

Der nächste Schlag für die DB ist der am Donnerstag vom Thüringer Landtag präsentierte Abschlussbericht zur Terrororganisation NSU. In dem von allen Landtagsfraktionen verabschiedeten Bericht, der dem STANDARD vorliegt, wird erstmals bestätigt, dass unter zehn bekannten Unterstützern und ehemaligen Sympathisanten des NSU, dem mehrere Morde angelastet werden, auch Burschenschafter waren. Einer der Genannten hält in einer Stellungnahme gegenüber dem STANDARD fest, dass er nur "farbentragender Gast (Konkneipant)" und nicht Mitglied einer Burschenschaft war. Er habe keinerlei Kontakt zu Mitgliedern des heute als NSU bekannten Trios nach ihrem Abtauchen im Jänner 1998 gehabt. Zudem sei der Mann mittlerweile aus der rechtsextremen Szene ausgestiegen und wird nun als Zeuge gegen Beate Zschäpe im NSU-Prozess geführt.

Becker dazu: "Wir reden hier von 30 Prozent der Unterstützer, da hält das Argument der Regierung, es gebe nur vereinzelte Kontakte zwischen Burschenschaften und Neonaziszene, nicht mehr. Das gehört weiter untersucht!" (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 23.8.2014, Update mit Stellungnahme am 26.8.2014)