BGH prüft Urteil gegen Polizisten: Tod von Oury Jalloh beschäftigt weiter die Justiz

Erstveröffentlicht: 
25.08.2014

Der Asylbewerber Oury Jalloh starb 2005 gefesselt in einer Dessauer Polizeizelle, als dort ein Feuer ausbrach. Der Fall beschäftigt immer noch die Justiz. Nun prüft der BGH, ob das Urteil gegen einen Polizisten wegen fahrlässiger Tötung Bestand hat.

 

Karlsruhe

Der ungeklärte Tod des Afrikaners Oury Jalloh in einer Polizeizelle in Dessau (Sachsen-Anhalt) beschäftigt auch nach fast zehn Jahren die Justiz. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe verhandelt am kommenden Donnerstag schon zum zweiten Mal über den Fall. In der Revisionsverhandlung prüfen die Richter die Verurteilung eines ehemaligen Dienstgruppenleiters der Polizei zu einer Geldstrafe von 10 800 Euro wegen fahrlässiger Tötung. Die Entscheidung des BGH könnte auch ein laufendes Ermittlungsverfahren der Dessauer Staatsanwaltschaft zur Klärung der Todesursache beeinflussen.

Jalloh, ein Asylbewerber aus Sierra Leone, war 2005 an Händen und Füßen gefesselt ums Leben gekommen, als in seiner Zelle ein Feuer ausgebrochen war. Im Kern geht es um die Frage, ob die diensthabenden Polizisten für eine ständige Überwachung hätten sorgen müssen.

Urteil des Landgerichts Magdeburg soll gekippt werden

 

Die beiden Verteidiger des inzwischen 54 Jahre alten Polizisten wollen vor dem BGH erreichen, dass das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom Dezember 2012 gekippt wird. Sie streben einen Freispruch an - wie 2008 bereits das Landgericht Dessau in erster Instanz entschieden hatte. Sein Mandant habe nach der Festnahme Jallohs keine Pflichten nach der damals gültigen Gewahrsamsordnung verletzt, sagte Rechtsanwalt Hans-Jörg Böger aus Bitterfeld-Wolfen.

 

Aber auch die Staatsanwaltschaft hat Revision gegen das Magdeburger Urteil eingelegt. Sie will vom BGH geklärt wissen, ob die Ereignisse vom 7. Januar 2005 auch als Freiheitsberaubung mit Todesfolge zu werten seien. Dies könnte dann in einem neuen Prozess eine Haftstrafe von mindestens einem Jahr, das Ausscheiden des Polizisten aus dem Dienst und das Erlöschen von Pensionsansprüchen bedeuten.

 

Auch die Revision der drei Nebenkläger stütze sich auf die Missachtung des Richtervorbehalts, sagte der Hamburger Rechtsanwalt Philipp Napp. Er vertritt den Vater und die Schwester Jallohs, die beide in Guinea leben. Nach der Festnahme um 8.30 Uhr wäre aus Napps Sicht zwingend ein Richter zu benachrichtigen gewesen. Dies sei aber bis zu Jallohs Tod um 12.06 Uhr nicht geschehen.

 

Unterstützer der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh wollen mit drei Bussen aus Jena, Berlin und Leipzig zur BGH-Verhandlung nach Karlsruhe kommen. Ihr Sprecher Mouctar Bah sagte, er erwarte, dass etwa 80 Menschen dabei sein wollten. Bah kritisierte, dass der Nebenkläger und Bruder des Toten, Mamadou Saliou Diallo, von der deutschen Botschaft in Guinea kein Visum erhalten habe, um an der BGH-Verhandlung teilzunehmen.

 

Strafanzeige wegen Mordes

Die Initiative hat bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe Strafanzeige wegen Mordes gestellt und das Gutachten eines irischen Brandexperten vorgelegt. Demnach habe der gefesselt auf einer Matratze liegende Jalloh das Feuer nicht selbst legen können. Es sei unmöglich, dass dieser sich selbst angezündet habe, sagte Bah in einer auf YouTube veröffentlichten Erklärung zur BGH-Verhandlung. Jalloh sei umgebracht worden, „nur weil er diese Hautfarbe hat“.

Die Bundesanwaltschaft leitete die Anzeige an die Dessauer Staatsanwaltschaft weiter. „Es ist ein Todesermittlungsverfahren anhängig, das noch nicht abgeschlossen ist“, sagte Oberstaatsanwalt Christian Preissner eine Woche vor dem BGH-Termin der Nachrichtenagentur dpa. Seine Behörde werde genau prüfen, zu welchen Ergebnissen der BGH kommen werde. Wenn Karlsruhe dem Landgericht Magdeburg in der Feststellung der Todesursache folge, „wird man sehen, wie es mit dem Ermittlungsverfahren weitergeht“. (dpa)