Sand im Getriebe - Antwort auf die Drucksache G14/111

Nie!!!

Dieser Text dokumentiert ein Schreiben vom 2.5.2014 der Wagengruppe Sand im Getriebe an alle Freiburger Stadträt_innen.

 

Anlass war, dass die Stadtverwaltung am 25.4. die Informationsvorlage G-14/111 (pdf im Ratsinfosystem) veröffentlicht hatte.

Dieses Papier versuchte, die Räte in zweierlei Hinsicht auf die Anti-Wagenburg-Linie der Verwaltung (diese wird im "Fazit" glasklar formuliert) zu bringen:

 

1) Mit einer altbekannten Tatsachenverdrehung zum Thema "bisherige Beschlüsse aus den 90er Jahren"

2) Am Beispiel eines Geländes am Wiehrebahnhof versuchte die Verwaltung zu zeigen, dass Wagenplätze planungstechnisch quasi unmöglich und außerdem kostenverursachend seien.

 

Die G-14/111 diente als "Entscheidungsgrundlage" für den Gemeinderatsbeschluss vom 13.5. zum Thema Wagenburgen / Sand im Getriebe. (Mehr zu diesem Beschluss: sandimgetriebe.noblogs.org/chronik/#ratsbeschluss2014 und linksunten.indymedia.org/de/node/117840/

 

Wir konnten dieses Verwaltungspapier unmöglich unkommentiert lassen. Mehrere Stadträte bedankten sich daraufhin für unsere Klarstellungen.

 

 

(Anmerkung: im Gegensatz zu dem Schreiben, das den Stadträten zuging, haben wir hier zum besseren Verständnis einige Zitate aus der Informationsvorlage eingeflochten. Auch die diversen Links sind nachträglich eingefügt.)

 


 

 

Freiburg, 02.05. 2014

 

Sehr geehrte Gemeinderätinnen und Gemeinderäte,

Hiermit möchten wir auf die Informationsvorlage G-14/111 der Stadtverwaltung reagieren. Unserer Ansicht nach betreibt die Verwaltung hierin Politik, anstatt zu informieren. Etliche Punkte sind einseitig oder sogar falsch dargestellt, sowohl in rechtlicher als auch historischer Hinsicht. Sie werden im folgenden korrigiert bzw. ergänzt. Es ist uns wichtig, klarzustellen, dass wir die folgenden Punkte nicht aufführen, um uns auf das Gelände am Wiehrebahnhof zu versteifen; vielmehr wollen wir generell zeigen, inwiefern die Verwaltung - leider muss man das so sagen - gegen Wagenplätze Stimmung zu machen versucht.

 

Absatz 1. a) "Beschlusslage des Gemeinderats"

 

Die gesamte Beschlusslage des Gemeinderates seit 1992 zu Wagenplätzen in Freiburg ist im Schreiben des Dezernates V vom 24.02.2014 (vgl. Anlage 2) an die im Gemeinderat vertretenen Fraktionen, Fraktionsgemeinschaften und Gruppierung aufgearbeitet.
Dementsprechend ist die aktuelle Beschlusslage, "dass der Gemeinderat die allgemeine Einrichtung von Wagenplätzen auf öffentlichen Flächen ablehnt und sich für besondere Fallkonstellationen eine von dieser Grundhaltung abweichende Einzelfallentscheidung vorbehält" (vgl. Seite 3 Ziff. 4.1 des Schreibens).

 

Die G-14/111 spricht wieder einmal von einer "Beschlusslage" aus den 90ern zum Thema Wagenburgen. Davon kann keine Rede sein. In den 90ern fanden lediglich einige konkrete Standorte keine Mehrheit.


Nicht erwähnt wird die Absichtserklärung der Stadtverwaltung, die im Schattenparker-Mietvertrag aus 2006 zu finden ist: "Nach dem Umzug soll zur selbstbestimmten Entwicklung sozialer und kultureller Wohn-, Lebens- und Arbeitsprojekte ein Konzept für den Themenbereich „alternatives Leben und Wohnen“ von Bewohnern und der Stadt gemeinsam entwickelt werden..." Zu diesem Zweck war die Einrichtung einer Arbeitsgruppe von Verwaltung und Wagenbewohnern vorgesehen.


Dieses Gremium, auf dessen Einrichtung die Wagenbewohner vor drei Jahren erneut gepocht haben, wurde nie eingerichtet - stattdessen auf angebliche "Beschlusslagen" zu verweisen und Wagen zu beschlagnahmen, zeugt von einer Verwaltungslinie, die sich aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen in Bezug auf modernes Wohnen konsequent verweigert.


In diesem Gremium hätte man beispielsweise die aktuellen dramatischen Entwicklungen im Vorfeld auch diskutieren und lösen können.

 

 

Absatz 2.a) "Grundsätzliche Bewertung des Grundstücks Flst.Nr. 4841 beim Wiehre-Bahnhof"

 

(...)Das Grundstück Flst.Nr. 4841 liegt weder im Geltungsbereich eines Bebauungsplans noch im vorhandenen Bebauungszusammenhang. Planungsrechtlich handelt es sich um Außenbereich, womit die Zulässigkeit der Nutzunggemäß § 35 Baugesetzbuch zu beurteilen ist. Im genehmigten Flächennutzungsplan ist das Grundstück als Bahnfläche dargestellt. Inwieweit eine eisenbahnrechtliche Widmung besteht, ist mit dem Eisenbahnbundesamt noch zu klären.
Die Nutzung des Flst.Nr. 4841 zu Wohnzwecken wäre baurechtlich genehmigungspflichtig.

Aus baurechtlicher Sicht ist es fraglich, ob das Grundstück aufgrund der unmittelbaren Bahnnähe, der Nähe zum Haltepunkt Wiehre und der hier entstehenden Immissionen für Wohnzwecke geeignet ist. Außerdem sind Beeinträchtigungen, die
von der Nutzung des Flst.Nr. 4841 ausgehen und auf das Schutzgebiet einwirken können (z. B. Vermüllung, Verlärmung,
Betrieb von Feuerstätten) grundsätzlich zu vermeiden.(...)

 

Hierbei handelt es sich kaum um eine "grundsätzliche Bewertung", sondern um ein reines Aufzeigen möglicher verwaltungsrechtlicher Hindernisse.

Möglichkeiten, diese Hindernisse zu umgehen - wie z.B. eine Flächenwidmung als "Sonderbaufläche experimentelles Wohnen" - werden verschwiegen.


Durch die Blume werden zu befürchtende Kosten in den Raum gestellt (Fällung von Bäumen, Zaunbau). Das Schlagen einer 30m breiten Schneise zum Schutz der Wagenbewohner ist insofern absurd, als dass die Freiburger Wagenplätze Eselwinkel, Rieselfeld und Schattenparker sich unter Baumbestand befinden. Offensichtlich soll der Gemeinderat den Eindruck gewinnen, Wagenplätze würden die Stadt Geld kosten. Keine Rede von den Mieteinnahmen.


Keine Rede davon, dass die Wagenbewoherinnen immer bekundeten, etwaige Kosten selbst zu tragen und Dinge in Eigenarbeit zu bewältigen. Dabei ist dies von den Schattenparkern 2006 im Gewerbegebiet Haid und später am jetzigen Standort zur Genüge erfolgreich praktiziert worden (Zaunbau, Baumfällungen, ...)


Pauschal wird Vermüllung und Verlärmung für den angrenzenden Wald befürchtet. Das ist reine Stimmungsmache und entbehrt jeder Grundlage. Man befrage den Bürgerverein Littenweiler zum Thema Sand im Getriebe. Man befrage die Nachbarn der bestehenden Freiburger Wagenburgen.


Zu den ökologischen / artenschutzrechtlichen Gesichtspunkten sagen wir nur: Eine Wagenburg vertreibt keine Eidechsen. Die Gemeinderäte sind gern zu einer Exkursion eingeladen, um die Artenvielfalt auf den Freiburger Wagenplätzen zu begutachten.

 

 

Absatz 2. b) "Aktuelle Verwendung"

 

Teile des Grundstücks werden ab Anfang Juni 2014 (Vorbereitung schon im Mai) der Freiburger Verkehrs AG (VAG) als Zwischenlager für die Baumaßnahme in der Innenstadt überlassen. Vor Beginn der Baumaßnahme wird die VAG die benötigte Teilfläche des Grundstückes auf eigene Kosten unter Beteiligung des Forstamtes für diesen Zweck vorbereiten.

 

Wir bezweifeln, dass es sich hier um einen unverrückbaren Sachzwang handelt.

Schön übrigens, wie die Verwaltung betont, dass die VAG die Kosten selbst trägt. Und wem gehört die VAG?

 

 

Absatz 2. c) "Abschließende Bewertung"

 

(...)Zu der im interfraktionellen Antrag angeregten dauerhaften Wohnnutzung gibt es bauplanungsrechtlich keine Grundlage.

(...)

Bereits jetzt sind die bekannten Restriktionen allerdings als so hoch einzustufen, dass nach Einschätzung der Verwaltung nicht von einem positiven Abschluss einer vertieften bauplanungsrechtlichen Prüfung ausgegangen werden kann.(...)

 

Für einen Wagenplatz auf dem Grundstück 4841 gibt es bauplanungsrechtlich keine Grundlage? - Diese Grundlagen können geschaffen werden.

Wie bereits erwähnt, werden Möglichkeiten, baurechtliche Hindernisse zu umgehen - wie z.B. eine Flächenwidmung als "Sonderbaufläche experimentelles Wohnen" - verschwiegen.


Die Geschichte der Freiburger Wagenplätze zeigt, dass letztlich der politische Wille entscheidend dafür ist, wie mit rechtlichen "Hindernissen" umgegangen wird.

 

 

Absatz 3. "Temporäre Nutzung"

 

(...)Je nach Lage und Beschaffenheit der Fläche müssten für die Nutzungsdauer Ver- und Entsorgungsleitungen auf Kosten der Nutzer/innen verlegt und bereitgestellt werden.

 

(...)Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass sich als Ergebnis einer eingehenden Prüfung potenzieller städtischer Flächen, aufgrund fast überall vorhandener unterschiedlicher Restriktionen, gegenwärtig nur noch ganz wenige städtische, für eine temporäre Nutzung geeignete Flächen zur dringend notwendigen Ausweitung von Kapazitäten bei der Flüchtlingsunterbringung in der abschließenden Prüfung befinden. (...)

 

Für die Errichtung eines Wagenplatzes müssen keine Zu- und Abwasserleitungen verlegt werden. Mobile sanitäre Lösungen werden bei den Schattenparkern seit Jahren erfolgreich praktiziert.


Wagenburg-Strom ist Solarstrom. Dutzende Wagenplätze in der ganzen Republik können als Beispiel genannt werden.


Wieso werden "Bodenverschmutzungen" angenommen, obwohl z.B. eine Prüfung seitens Umweltschutzamt und WKD bei den Schattenparkern (24.11.2004) keine negativen Ergebnisse lieferte?


Wir verwehren uns entschieden gegen das Ausspielen von Gruppen gegeneinander - ob nun Flüchtlinge vs. Wagenbewohner, Behinderten-Arbeitsplätze vs. Wagenplatz oder was auch immer als nächstes herangezogen werden mag.

 

Nach Ablauf des Nutzungszeitraumes müsste die Fläche fristgerecht wieder von allen Fahrzeugen, Aufbauten, Leitungen und evtl. verursachten Bodenverschmutzungen freigemacht und z. B. bei Bau- und Gewerbeflächen aufgrund des anstehenden Verkaufs im ursprünglichen Zustand an die Stadt zurückgegeben werden. Entsprechend der Erwartungshaltung aus dem vorliegenden interfraktionellen Antrag müsste die Verwaltung unmittelbar im Anschluss wieder eine Fläche für eine befristete Nutzungsdauer mit Ver- und Entsorgungsleitungen bereitstellen.

Dieser nahtlose Übergang setzt das Vorhandensein entsprechend geeigneter städtischer Flächen, die baurechtliche Zulässigkeit auf der jeweiligen Fläche, die Herrichtung der Ver- und Entsorgungsleitungen, den Abschluss von Mietverträgen, die Kommunikation mit der Nachbarschaft und ggf. die Bearbeitung von Beschwerden, kurzum ein aktives Umzugsmanagement, voraus.

 

Zu "aktives Umzugsmanagement" / "Erwartungshaltung aus dem vorliegenden interfraktionellen Antrag":

 

Wagenleben ist eine gesellschaftliche Realtität, die in fast allen anderen Städten dieser Republik wesentlich unkomplizierter gehandhabt wird als in Freiburg.


Jede Stadt betreibt Wohnungsbau; Menschen zu ermöglichen, einen Wagenplatz in Eigenregie aufzubauen, ist ungleich kostengünstiger und planungsextensiver als die städtebauliche Normalität, auch im Bezug auf "aktives Umzugsmanagement".


Man kann es durchaus auch so sehen: Für jeden einzelnen Wagenstellplatz wird letztlich eine Wohnung weniger gebaut. Und das ohne Bodenversiegelung.

 

 

Absatz 4. "Fazit"

 

Mit den vorhandenen Wagenburgstandorten "Eselwinkel" (31 Stellplätze) und "Vormoos" (20 Stellplätze), die als öffentliche Einrichtungen betrieben werden, sowie der an den Verein Schattenparker e.V. (45 allgemeine Stellplätze) vermieteten Fläche besteht ein seit Jahren breites Angebot zur Wohnversorgung für alternative Wohnformen.
Die Verwaltung wird deshalb an ihrer Linie festhalten und keinen neuen Standort für einen Wagenplatz ausweisen. Auch eine wechselnde temporäre Nutzung von Flächen, die es faktisch in dieser Qualität nicht gibt, wird aus den unter Ziffer 3 genannten Gründen abgelehnt.

 

Das "Fazit" der Verwaltung in G-14/111 ist kein Fazit sondern ein politisches Bekenntnis.


Außerdem gehören folgende Details kommentiert:

 

"Flächen, die es faktisch nicht gibt": Bevor es den Schattenparker-Platz gab, waren angeblich ebenfalls "keinerlei freie Flächen verfügbar".

"Auch hat sich bislang kein Bürge bei der Verwaltung gemeldet": Auch das ist reine Stimmungsmache. Warum sollten sich zum derzeitigen Zeitpunkt Bürgen bei der Verwaltung melden? Es gibt noch nichts zu bürgen.

"Private Flächen": Bislang hat die Stadtverwaltung noch jeden Versuch, von Privat zu pachten, torpediert. Beispiele: Gelände im Vauban 2011, Zwischennutzung Littenweiler 2011, Blockade der Strabag-Idee 2006, Verhinderung eines Mietvertrages mit dem Verein Autofrei-Wohnen 2001, Räumung des privaten Geländes am Schönberg 1998 - die Liste geht noch weiter (http://schattenparker.net/spip.php?article171). Auch die Ausübung von Druck auf die Bahn AG, die Duldung gegenüber Sand im Getriebe 2013 aufzuheben, gehört dazu.

 

***

 

In erster Linie geht es darum die Schieflage in unserer Stadt bezüglich Wagenleben zu lösen - und diese besteht nicht plötzlich seit ein paar Wochen, sondern ist seit einigen Jahren im gesellschaftlichen Leben präsent.


Es ist einfach eine nicht zu verleugnende gesellschaftliche Realität. Seien es die geringeren Lebensgrundkosten, sei es die geforderte berufliche Mobilität, sei es der Wunsch in größeren gemeinschaftlichen Zusammenhängen zu leben. Dieser modernen Entwicklung bezüglich alternativen Wohnens und der Nachfrage danach muss so oder so Rechnung getragen werden. Entweder mit verschärfter Repression und den damit verbundenen Verwerfungen, oder aber mit einem zeitgemäßen Umgang.



Deswegen bitten wir Sie hiermit, die sofortige Herausgabe unserer Wägen zu erwirken, und eine moderate Lösung hinsichtlich des Freiburger Wagenplatzbedarfs zu finden.

Das Gelände am Wiehrebahnhof ist nur ein Beispiel, wie die Verwaltung "wohlwollend" prüft. Wir hoffen, dass wir gemeinsam mit Ihnen dafür sorgen können, dass künftige Prüfungen von weiteren Geländen sachlicher ausfallen.



Wir hoffen, das wir zu einer ausgewogenen Meinungsbildung Ihrerseits beitragen konnten und sind gerne bereit, etwaige Fragen zu beantworten. Sie können uns kontaktieren unter : wagenohneplatz-at-web.de