Lieferservice bringt Drogen in den Knast

Erstveröffentlicht: 
03.03.2014

Gefängnis Moabit

 

In großem Stil hat eine Bande Drogen und Handys in die Haftanstalt Moabit geschmuggelt. Nach Informationen der Berliner Zeitung durchsuchten Polizisten fünf Zellen von Insassen und acht Wohnungen in Berlin.

 

Von Andreas Kopietz

 

Nach Erkenntnissen von Staatsanwaltschaft und Polizei schmuggelte die Tätergruppe über einen längeren Zeitraum unter anderem Heroin, Haschisch, Handys und verschreibungspflichtige Medikamente wie Tilidin und Subutex in das Gefängnis Moabit. Bereits am vergangenen Freitag griffen die Ermittler zu: Sie durchsuchten fünf Hafträume in der Justizvollzugsanstalt (JVA) und acht Wohnungen in Berlin. Beschuldigt sind Mitglieder zweier polizeibekannter arabischer Großfamilien und ein Mitarbeiter einer Firma, die von der JVA selbst engagiert worden ist.

Vor mehreren Monaten kamen Fahnder des Landeskriminalamtes den Tätern auf der Spur. Sie observierten die elf Verdächtigen und hörten deren Telefone ab. Und sie stellten fest: Die heiße Ware wurde mit regulär bestellten Waren geliefert. Inhaftierte dürfen sich mit eigenen Nahrungs-, Genuss- und Körperpflegemitteln versorgen. Dafür beauftragen Haftanstalten nach einer Ausschreibung eine Firma mit der Belieferung. Die Gefangenen erhalten Listen mit Artikeln, die sie bestellen dürfen. Einige Tage später werden die Artikel in einer Kiste angeliefert.

 

Eine Firma liefert alles

Die Firma, die die JVA Moabit beliefert, ist nach eigener Darstellung ein „Spezialist für Gefangeneneinkauf“ und hat ihren Sitz im bayrischen Memmelsdorf. Sie versorgt mehr als 70 Anstalten in acht Bundesländern. „Insassen und Anstalten profitieren dabei von unserem einmaligen Konzept, das Qualität und Zuverlässigkeit in einem sehr hohen Maß“ garantiere, schreibt die Firma über sich. Der 26-jährige Mitarbeiter Sascha E., so der Vorwurf der Ermittler, habe die reguläre Übergabe bestellter Waren an die Beschuldigten für die illegalen Geschäfte genutzt.

In den Zellen des 23-jährigen Bilal R. und des 32-jährigen Veysel K. wurden die Ermittler am Freitag fündig. Auch die Zellen der 33-jährigen Häftlinge Apdelzalam Y. und Selim D. sowie des 26-jährigen Aykut K. wurden durchsucht. Die Fahnder fanden mehrere verbotene Handys und SIM-Karten.

Allein bei Veysel K. entdeckten sie 85 Gramm Haschisch, 13 Gramm Heroin und 17 Tabletten des opiumhaltigen Schmerzmittels Subutex. Apdelzalam Y. hatte 36 Tabletten Subutex und ebenfalls Haschisch.

 

Pistole hinter dem Lüftungsgitter

Auch Wohnungen mutmaßlicher Bandenmitglieder wurden durchsucht. Bei dem 46-jährigen Anil A. aus Neukölln fanden die Polizisten daheim eine scharfe Pistole der Marke Browning und mehrere hunderttausend Euro. Die Waffe war hinter einem Lüftungsgitter im Bad versteckt. Er wurde den Ermittlungen zufolge per Telefon direkt aus dem Knast beauftragt, Rauschgift und Telefone zu besorgen. Anil A. wurde festgenommen und einem Haftrichter vorgeführt.

Auch der Inhaber zweier Apotheken in Moabit gehört zum Kreis der Beschuldigten. Bei dem 32-jährigen Ahmad A. stellten die Ermittler eine große Bargeldsumme sowie Arzneimittel sicher, die nicht ordnungsgemäß deklariert waren. Ahmad A. soll den Gefängnisschmugglern die verschreibungspflichtigen Subutex-Tabletten sowie Tilidin zur Verfügung gestellt haben. Letzteres ist ein synthetisches Opioid, das in der Medizin als Schmerzmittel eingesetzt wird. In Berlin boomt allerdings der illegale Handel damit.

 

Vor allem von arabisch- und türkischstämmigen Jugendlichen wird Tilidin, das unter das Betäubungsmittelgesetz fällt, als Modedroge benutzt. Es versetzt in Euphorie, kann schmerzfrei und aggressiv machen. Nach Erkenntnissen von Polizisten verkaufen einzelne Apotheker es unter dem Ladentisch für 50 Euro.

Das Geld für die Medikamente soll der Apotheker in bar von dem 22-jähriger Yasser Abou-Ch. bekommen haben. Dieser gehört zu einer polizeibekannten palästinensischen Großfamilie, die mit dem Rapper Bushido befreundet ist und von diesem verehrt wird.

Auch Bilal R., der zurzeit in Moabit einsitzt, gehört zu einem der polizeibekannten Araberclans, dessen Mitglieder immer wieder durch Straftaten auffallen. Er wurde im vergangenen Jahr zu einer Haftstrafe für einen Überfall auf einen Juwelier in der Schöneberger Kleiststraße verurteilt.

 

Schmuggel über viele Wege

Berlins Gefängnisse haben schon traditionell ein Schmuggelproblem. Nach Angaben von Ex-Insassen gibt es im Knast fast alles: Alkohol, Heroin und eben auch Handys, die dort verboten sind. Geschmuggelt wird über viele Wege: Besucher – oft Angehörige – bringen die Waren mit, manchmal liefern auch bestechliche Sozialarbeiter und Anwälte. Oft werden Drogen über Zäune geworfen oder in Wäschepaketen eingeschmuggelt.

Im Oktober 2012 fanden Ermittler bei einer Razzia in der JVA Charlottenburg Drogen und Hardcore-Pornos – und in der JVA Plötzensee wurden von Beamten 200 Handys sichergestellt.