Griechenland: Mehr Schmiergelder als Schulden?

Erstveröffentlicht: 
11.02.2014

Deutsche Firmen scheinen bei der Korruption ganz vorne gestanden zu haben. Von Wassilis Aswestopoulos. Plaudernde korrupte Beamte bringen Griechenlands Politikwelt in Bedrängnis. Die Beamten haben die Omerta gebrochen und decken die Korruption der vergangenen Jahre auf.

 

Es sind allerdings so viele Fälle, dass sich die peniblen Beamten beim besten Willen nicht mehr an alle erinnern können. Kein Rüstungsdeal lief ohne Bestechung ab. Die Lieferanten aus Deutschland, Russland, Frankreich und den USA zahlen die Schmiergelder nicht aus eigener Tasche, sie schlugen die Zahlungen schlicht auf die Rechnung drauf. Diese zahlten dann zunächst die griechischen Steuerzahler. Seit der Zypern-Krise 1974 hat der griechische Staat knapp 216 Milliarden Euro für Waffen ausgegeben. Im Vergleich zu den Staatsschulden, die im August 2013 bei 316 Milliarden Euro lagen, ist dies eine stolze Zahl. Das gilt vor allem dann, wenn man bedenkt dass die Käufe auf Pump erfolgten und folglich Zins und Zinseszinsen dazu kommen.

 

Sollte das Land endgültig Pleite gehen, dann geht die Rechnung nach Berlin, Paris und in die übrigen Hauptstädte der Eurozone. Hellas zahlte jahrzehntelang zwischen drei und sechs Prozent des Staatshaushalts für die Rüstung. In der Regel lagen die Ausgaben für Waffenkäufe auf dem doppelten Niveau der Bildungsausgaben. Erst für 2014 fiel der Etatposten auf unter zwei Prozent.

 

Auch in der Krise scheint der Kalte Krieg für die Hellenen noch nicht vorbei zu sein. Trotz ständiger Kürzung von Renten, Löhnen und Sozialleistungen und immer neuen Steuern bleibt das Land an der Außengrenze Europas hinsichtlich seiner Rüstungsausgaben unter den ersten drei EU-Ländern. Schlimmer noch, die fanatischsten Verfechter der unsozialen Sparmaßnahmen drängten die Griechen, weiterhin ihre Arsenale zu füllen.

 

Schließlich verkauften die Rüstungslieferanten geschickt ihre Waffensysteme zuerst an den Erzfeind Türkei und erhöhten somit den Druck auf die Griechen zum ruinösen Wettrüsten. Profitiert davon hat, glaubt man der Presse, vornehmlich Deutschland. Schließlich sind die beiden notorischen Streithähne die besten Kunden der deutschen Rüstungsindustrie. Übersehen wird dabei, dass der Kapitalzufluss der Rüstungsindustrie nicht unbedingt mit dem Wohlstand der Einwohner Deutschlands korreliert. Ebenso wenig konnten die Griechen das Ausmaß der Bestechung ihrer Politiker abschätzen. Denn vor staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen waren diese bislang gefeit.

 

Tatsächlich haben neben Deutschland auch noch weitere Industriestaaten vom Waffengeschäft profitiert.

Der Hintergrund

Griechenlands Politiker hatten sich bisher erfolgreich gegen Strafverfolgungen gewehrt. Listig hatte der aktuelle PASOK-Chef Evangelos Venizelos Gesetz 3126/2003 in Artikel 86 der griechischen Verfassung verankert. Über schnelle Verjährungsfristen bleiben die Vergehen im Amt unbestraft. Selbst Kapitalverbrechen sind nach spätestens fünf Jahren nicht mehr verfolgbar. Stets wird beteuert, dass eine Änderung dieser skandalösen Regelung beabsichtigt sei, noch bleibt es jedoch bei Beteuerungen.

 

Unter dem öffentlichen Druck der Finanzkrise musste seitens der Politik aber ein Opfer gebracht werden. Die Wahl fiel auf Akis Tsochatzopoulos. Die ehemalige Nummer 2 der PASOK war bereits Politrentner, als die alten Korruptionsaffären noch einmal aufgerollt wurden.

 

2005 hatte er vom Parlament bereits seinen Freispruch erhalten. Evangelos Venizelos hatte pfiffig die in Tsochatzopoulos Notizbüchern gefundenen Nummernkonten zu Telefonnummern erklärt. Als der Verdacht 2011 erneut hoch kochte, fing sich der Spiegel eine Klage des als korrupt bezeichneten Ministers ein.

 

Hinsichtlich der Rechtslage könnte Tsochatzopoulos auch heute aus der Haft wieder solche Unterlassungsklagen einreichen. Sie wären erfolgreich. Denn gemäß des bereits erwähnten Gesetzes zur Verantwortbarkeit von Ministern ist die Korruption nicht nur verjährt, sie ist hinsichtlich des involvierten Ministers gegenstandslos! Obwohl die deutsche Presse unisono vermeldete, dass der smarte Tsochatzopoulos wegen der Korruption beim Kauf deutscher U-Boote einsitzt, wurde er tatsächlich wegen Geldwäsche verurteilt.

 

Tsochatzopoulos erhielt zwanzig Jahre Haft und kam damit nach griechischer Rechtslage noch recht gut davon. Hätte er eine Verurteilung wegen Korruption erhalten, dann müsste die Strafe aufgrund des Millionenschadens für den griechischen Staat zwangsläufig lebenslang lauten. Zum juristischen Verhängnis wurde dem Minister, dass er von den Geldern profitierte und sie nicht unberührt auf unverzinsten Konten liegen ließ.

 

"Akis" verprasste seinen Reichtum mit vollen Händen. Nur so konnte das Konstrukt der Geldwäsche gerichtsfest belegt werden. Seine Gattin, Vicky Stamati-Tsochatzopoulou, muss dagegen mit weiteren juristischen Konsequenzen rechnen. Sie war zusammen mit ihrem Ehemann verurteilt worden. Nun wurden auf ihren Konten in der Schweiz direkte Schmiergeldzahlungen gefunden. Stamati ist ebenso wie die übrigen normal Sterblichen nicht von den ministeriellen Verjährungsfristen geschützt. Sie hat zudem seit Beginn der Ermittlungen jegliche Beteiligung verleugnet.

Der Ausplauderer

Ganz anders verhielt sich Antonis Kantas. Kantas war nicht Minister. Als mittlerer Verwaltungsangestellter des gehobenen Dienstes hatte der Mann die Aufgabe, Rüstungskäufe formal auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Kantas diente als stellvertretender Abteilungsleiter für Aufrüstung im Verteidigungsministerium. Er geriet in die Maschen der Steuerfahnder, als diese im In- und Ausland nach Sparkonten von Griechen suchten.

 

Der Beamte hatte insgesamt 19 Millionen Euro auf seinen Konten. Geld, das sich durch seine Gehälter in keiner Weise erklären ließ. Statt auf eine Vertuschungstaktik zu setzen, packte Kantas aus. Er übertrug seine Konten freiwillig auf den griechischen Staat und nennt seit Weihnachten 2013 Ross und Reiter. Nur wenn sein Handeln als lückenlose Kooperation mit den Ermittlern gewertet wird, kann er der lebenslangen Freiheitsstrafe entgehen. Seine Aussagen führten dazu, dass ein Geflecht von Bankkonten entschlüsselt werden konnte0

 

In den entsprechenden Auszügen, welche den Geldverkehr von Konten UBS und der Dresdner Bank dokumentieren, tauchen deutsche Namen ebenso auf wie die Namen der griechischen Vertreter deutscher Rüstungsfirmen. Die Listen, wandern auf unerfindlichen Wegen von der Staatsanwaltschaft an die griechische Presse.

 

Beinahe jeder Handelsvertreter deutscher Firmen steht nun unter Generalverdacht. Dies musste am Montag auch Spyros Papachristos spüren. Sein Vater, Dimitris Papachristos, sitzt als Vertreter von Krauss Maffei Wegmann bereits in U-Haft. Spyros Papachristos kam als Sohn mit einer Kaution von 50.000 Euro noch auf freien Fuß. Das Land verlassen darf er jedoch nicht mehr.

 

Um den Griechen Leopard 2 Panzer anzudrehen, hatten sie faktisch das komplette Ministerium geschmiert. Unter den verdächtigen Firmen befinden sich zahlreiche alte Bekannte, wie der bereits wegen nachgewiesener Korruption in Griechenland abgestrafte Siemens Konzern.

 

Aktuell versuchen die griechischen Strafverfolger das komplette Labyrinth der Bestechungsgelder zu erkunden. Noch sind nicht alle Angeklagten so kooperativ wie Kantas. Wenn jedoch ein stellvertretender Abteilungsleiter 19 Millionen Schmiergelder ansammeln konnte, was haben dann die Minister kassiert?