Freispruch im Riegler Neonazi-Prozess

Erstveröffentlicht: 
31.01.2014

Im Riegler Neonazi-Prozess ist das Urteil gefallen: Im Wiederaufnahmeverfahren wurde der rechtsextreme Angeklagte freigesprochen. Der 31-Jährige war mit seinem Auto auf mehrere Linksextreme zugerast und hat einen von ihnen schwer verletzt.

 

In der Urteilsbegründung hieß es, das Gericht habe sich intensiv mit der Motivation des Angeklagten und seiner rechtsradikalen Vorgeschichte auseinandergesetzt. Wenn es darum ginge, festzustellen, was ein Mensch gedacht hat, stößt die Justiz an ihre Grenzen, so der vorsitzende Richter Arne Wiemann. Der Grundsatz "in dubio pro reo" gelte unabhängig von Ansehen und politischer Ausrichtung einer Person. Es sei nicht auszuschließen, dass es Notwehr war.

Der Angeklagte sah sich einem gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff gegenüber, so Weimann weiter. Der Angeklagte sei deshalb berechtigt gewesen, auf die Gruppe zuzufahren.

Der Angeklagte soll wenige Tage vor dem Vorfall in einem Facebook-Chat mit Freunden angekündigt haben, Linke die "Klinge fressen zu lassen" – auch unter Berufung auf Notwehr. Die Polizisten versäumten es damals aber, seinen Rechner zu beschlagnahmen; die Beweiskraft dieser Aussagen ist umstritten. Zu diesem Komplex sagte Richter Wiemann, es sei ein Unterschied, ob man sicher am Rechner sitzt oder sich einer Übermacht von fünf Angreifern gegenüber sieht. Dass der Angeklagte sich retten wollte, erscheint plausibel und ist nicht widerlegbar.

 

Nach der Verkündung des Urteils wurde es auf den Zuschauerrängen laut. Einige anwesende Vertreter der linken Szene brüllten Parolen, auch Papierschnipsel flogen.

War es Notwehr?


Der Vorfall ereignete sich im Oktober 2011. Der Angeklagte Florian S. war als Schleuser eingeteilt – er sollte am Pendlerparkplatz in Riegel auf andere Rechtsextreme warten und ihnen den genauen Weg zu einer Naziparty in Bahlingen erklären.

Die linke Szene bekam davon Wind. Fünf Linksextreme beschlossen nach einer Demonstration in Offenburg, einen Abstecher an den Kaiserstuhl zu machen. Sie vermummten sich und rannten auf das Auto des Angeklagten zu, der drückte das Gaspedal herunter und fuhr in die Angreifer hinein. Einen von ihnen erfasste er mit seinem Auto. Dieser krachte mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe, stürzte zu Boden und erlitt schwerste Verletzungen – unter denen er heute noch leidet.

Auslöser der Revision


Der Fall wurde schon einmal vor dem Freiburger Landgericht verhandelt. Im Juli 2012 hatte Richterin Eva Kleine-Cosack den Angeklagten vom Vorwurf des versuchten Totschlags freigesprochen und sich auf den Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten" berufen – es sei möglich gewesen, dass er Panik hatte und keine andere Möglichkeit sah.

Staatsanwaltschaft und Nebenklage legten Revision ein. Nebenkläger-Anwältin Angela Furmanik sprach von einem Freibrief für Neonazis, Antifaschisten anzugreifen.

Im April 2013 hob der Bundesgerichtshof das Freiburger Urteil auf. Das Landgericht habe sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob Florian S. mit Verteidigungswillen gehandelt habe. Im Hinblick auf die Facebook-Gewaltfantasien erklärte Richter Norbert Mutzbauer, es sei "nicht fernliegend, dass er den Angriff nur zum Anlass genommen hat, um nun selbst Gewalt auszuüben."