Antifaschisten wollen am Samstag Neonaziaufmarsch in Magdeburg stoppen

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Erstveröffentlicht: 
15.01.2014

»Neonazis stoppen«, heißt es am Samstag in Magdeburg. Zwei Bündnisse hoffen auf erfolgreiche Blockaden, ein städtischer Zusammenschluß setzt auf »Meilensteine«. Erneut versuchen NPD und rechte Kameradschaften, die Bombardierung Magdeburgs vor 69 Jahren für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.

 

Zu dem braunen »Gedenkmarsch« mobilisiert erneut die »Initiative gegen das Vergessen«. Sie will ausschließlich die »deutschen Opfer« bei der Zerstörung Magdeburgs am 16. Januar 1945 »betrauern« und blendet den vom Naziregime entfesselten Krieg als Ursache aus. Bei dem Luftangriff legten die Bomber der Alliierten fast die gesamte Innenstadt in Schutt und Asche – rund 2500 Menschen kamen dabei ums Leben. Bislang rufen die Neofaschisten dazu auf, sich um 12 Uhr am Bahnhof Magdeburg Neustadt zu treffen. Nach jW-Informationen sind acht mögliche Routen angemeldet.

Das Magdeburger Bündnis gegen Rechts (BgR) initiiert zum sechsten Mal eine ganztägige »Meile der Demokratie« auf dem Breiten Weg in der Innenstadt. Erstmals plant es zudem sogenannte Meilensteine. Diese Mahnwachen sind unter anderem am Gewerkschaftshaus in der Otto-von-Guericke-Straße, an den Bahnhöfen Neustadt, Buckau, Herrenkrug, Eichenweiler, Sudenburg und Südost sowie am Nicolaiplatz und am Salbker Wasserturm vorgesehen. Ferner ruft das BgR zu einer Auftaktkundgebung um 12 Uhr vor dem Hauptbahnhof und zahlreichen Veranstaltungen im gesamten Stadtgebiet auf. In der Vergangenheit hatte das Bündnis vielfach Kritik von Antifaschisten erfahren. Mit dem Konzept der »symbolischen Meile« sei man nicht in der Lage, den Aufmarsch zu verhindern, hieß es. So waren zunehmend mehr Rechte nach Magdeburg gepilgert, im Jahr 2012 über 1200. Mit den neuen Aktionen will nun das BgR verdeutlichen, daß es »uns nie egal war, was um uns herum geschieht«.

Zum zweiten Mal mobilisiert das Bündnis »Magdeburg nazifrei« zu Blockaden. Dabei konzentriert es sich diesmal auf drei Treffpunkte: den Bahnhof Neustadt, den Hinterausgang des Hauptbahnhofes sowie den Herrenkrug. Die Kundgebungen sind ab 8 Uhr angemeldet; »Magdeburg nazifrei« rechnet mit zahlreichen Polizeikontrollen und -sperren. Hauptziel seien Blockaden, ebenso wichtig sei aber das Zusammenspiel von unterschiedlichen Strömungen. Bereits für den 17. Januar ruft eine Initiative zur Vorabenddemo auf. Die Veranstaltung, die um 18 Uhr am Hauptbahnhof beginnen soll, werde nicht angemeldet, informierten die Initiatoren. Nach zahlreichen Hausdurchsuchungen, Verhaftungen und Versuchen der Kriminalisierung werde man nicht mit der Polizei zusammenarbeiten, hieß es.

Außerdem hat sich mit »BlockMD« ein zweites Netzwerk gegründet, das den Aufmarsch blockieren will. Dieses visiert neben dem Neustädter den Buckauer Bahnhof an. Initiator ist nach jW-Informationen der Jugendverband der Linkspartei Solid, der sich nach internen Kontroversen von »Magdeburg nazifrei« abgespalten hat. Er warf dem Bündnis etwa vor, die bürgerliche Meile zu scharf kritisiert zu haben. Ein weiterer Grund ist ein ideologischer Streit: So wirkt bei »Magdeburg nazifrei« die israelkritische Antifagruppe »Zusammen Kämpfen« (ZK) mit. Diese wehrt sich gegen sogenannte Antideutsche, die »prozionistisch, proimperialistisch und proamerikanisch« agieren und jegliche Kritik an Israels Politik antisemitisch nennen. Laut einer internen Mail eines Solid-Sprechers »an Genossen«, die jW vorliegt, habe sich der Verband »durch ZK, aber auch Einzelpersonen aus dem DKP- und FAU-Umfeld (Anm. d. Red: Freie Arbeiter-Union) isoliert« gefühlt. Gleichsam appelliert der Sprecher in dem Schreiben an Parteimitglieder, »den neuen Aufruf zu unterschreiben und ›Magdeburg nazifrei‹ nicht weiter zu unterstützen«. Man kooperiere mit dem Bündnis nicht mehr, nur wenn »größerer Schaden drohe«, seien »pragmatische Übereinkünfte« möglich.

2013 hatte die Polizei auf strikte Lagertrennung und Desinformation gesetzt. Die knapp 1000 Neonazis hatte sie derweil in Sonderzügen ins südliche Magdeburg chauffieren lassen. Das mitunter aggressive Vorgehen der Hundertschaften gegen Antifaschisten hatte nicht nur das Grundrechtekomitee beklagt, das ankündigt, die Proteste am Samstag zu beobachten. Auch das BgR hatte den Einsatz scharf kritisiert. »Dieses Mal werden wir offener sein«, versprach allerdings Polizeisprecher Marc Becher am Montag auf jW-Nachfrage. Nähere Infos gebe es aber frühestens am Mittwoch. Derzeit sei das Innenministerium von Sachsen-Anhalt noch beim Planen, »und das ändert sich täglich«, so Becher.

magdeburg-nazifrei.com

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bgrmagdeburg.wordpress.com