Das Spiel ist aus

TC

Folgender Text ist die Erklärung von Théorie communiste, wieso sie die Zeitschrift Sic verlassen. Einige mögen sich fragen, was es bringt, einen solchen Text zu übersetzen, der auf Ereignisse anspielt, deren genauer Verlauf nur eine Handvoll Leute kennen. Es geht darum, dass der Text auch durchaus theoretische Probleme anspricht und trotz allen diskutierten "Interna" ziemlich konkret auf verschiedene Konfliktlinien eingeht. Um das Bild zu vervollständigen, werden auch die Übersetzungen der Vorworte von Endnotes 3 und Sic 2 folgen, sie sind gewissermassen als Antworten auf diesen Text zu lesen.

 

Das Spiel ist aus


Für uns ist das Projekt Sic tot. Die Ereignisse von Campestre [wo das Sic-Treffen 2013 stattfand] haben schlicht und einfach einem Kranken den Gnadenschuss gegeben, den man noch einige Zeit künstlich hätte am Leben erhalten können.

 

Die nicht nur verbale Gewalt (jemand wurde umgestossen und fiel zu Boden) in der sexistischen Form, welche sie annahm und welche sich dreimal wiederholte, konnte nicht mehr als bedauernswerter Ausrutscher betrachtet werden. Wenn es auch rein hypothetisch unter einem wolkenlosen Himmel geschehen wäre, hätte es gereicht, um den Abbruch des Treffens und die Abreise der meisten Teilnehmer zu rechtfertigen.

 

Die Behauptung, er sei „provoziert“ worden, rechtfertigt keinesfalls eine solche Reaktion und noch weniger die gebrauchten Begriffe welche, aus einer Art Schamgefühl, von niemandem in den etlichen Korrespondenzen auf dieser Liste wiederholt wurden. Dass jene Leute, welche sich während Monaten abmühten, den materiellen Erfolg eines einwöchigen Treffens zu garantieren, sich durch eine Darstellung einer Typologie der Lebensweise, welche sie (absichtlich oder nicht) in die Kategorie „Bourgeois“ einteilt, angegriffen fühlen, ist sehr wohl verständlich. Es muss gesagt werden, dass es sich um theoretische oder politische Gräben in der Pariser Aktivisten- oder sogenannten „autonomen“ Szene handelt. Sie mussten als solche auf den Tisch kommen, doch: Die Entnervung, „den heissblütigen Typ zu spielen“, ist nicht ein Charakterzug, sondern eine gesellschaftliche Rolle und eine Haltung, welche eine gewisse Stellung garantiert, sie ist an sich der Inhalt eines theoretischen Diskurses und nicht seine Form. Die Tatsache, von einer „Provokation“ zu sprechen, bedeutet, einer politischen Uneinigkeit eine persönliche Dimension zu geben, um eine Reaktion zu rechtfertigen, welche von einer politischen Haltung abhängt, die an einem unbezwinglichen Charakterzug festhält. Was daraufhin die Drohung einer Abrechnung erlaubt, als ob das alles persönliche Angelegenheiten wären.

 

Es gab einen Angreifer und eine Angegriffene. Auch wenn wir denken, dass sie es nicht als Mädchen war, so klebt doch die Tatsache, eines zu sein, so natürlich an der Haut, genau wie ein Arbeiterinnenstreik immer ein Frauenstreik ist, muss verbale Gewalt gegenüber einem Mädchen ihr immer zeigen, dass sie, wie ein Makel, eines ist. Was auch immer die Meinungsverschiedenheiten in der besagten Szene, die uns persönlich egal sind, sein mögen, war das das schlimmste und inakzeptabelste. Das ganze ging in den darauf folgenden Korrespondenzen nicht zur Neige, im Gegenteil, es verschlimmerte sich.

 

Die „Enthüllung“ des Privatlebens einer Person, indem man sich auf die Tatsache beruft, das Private sei politisch und müsse somit öffentlich sein, pervertiert den Zweck dieses Prinzips und seine Rechtfertigung, wenn sie nicht von der betroffenen Person entschieden und verantwortet wurde und vor allem wenn sie dazu dient, eine andere Aggression zu rechtfertigen und kleinzureden, wo eine Person als Mädchen an ihren Platz zurückgewiesen wurde. Zu sagen, dass das Private öffentlich oder politisch ist, verwischt nicht die Tatsache, dass das Private immer das Private des Öffentlichen ist, und dass seine Politisierung immer mit seiner Unterordnung einhergeht. Es ist immer eine Frage, welche den Widerspruch zwischen Männern und Frauen betrifft, diese Politisierung bekämpft dieses Verhältnis, doch wischt es nicht weg. Sogar eine Bestätigung des Privaten als politisch kann eine Bestätigung der Herrschaft sein, man denke an ganz andere Umstände, nämlich die Aktivität der Frauen in den Zentren der Textilindustrie im Delta Ägyptens. Nichts spielt sich unmittelbar zwischen Öffentlichem und Privatem oder Privatem und Politischem ab, denn es sind zwei Instanzen, welche nicht nur nicht unabhängig sind und sich begegnen, sondern in einem Verhältnis der Unterordnung des einen gegenüber des anderen zueinander stehen. Die Bestätigung des Privaten als politisch bedeutet nicht nur eine Art Enthüllung, sondern auch einen Kampf innerhalb der auferlegten Bedingungen der Enthüllung. Entschuldigt diese „theoretische Abschweifung“, obwohl es um Personen und ihr konkretes und unmittelbares Leben geht, doch manchmal kann die Theorie auch dazu dienen.

 

Die Mehrheit der Teilnehmer des Treffens entschied also, dieses aus den obengenannten Gründen abzubrechen, und traf sich in Marseille mit dem Bedürfnis, die anderen Teilnehmer von Sic auf den Abbruch dieses Treffens und die Gründe dafür aufmerksam zu machen. Das war also das berühmte „Kommuniqué“, das mit „Sic Admin“ unterschrieben war. Unserer Meinung nach ist die einzige mögliche Kritik gegenüber diesem Kommuniqué, dass es in Bezug auf das Wesen der nur evozierten Gewalt nicht explizit genug war. Ja, es war natürlich eine Fraktionsaktivität und das vom Administrator der Liste übermittelte Kommuniqué war mit „Sic Admin“ unterschrieben. Da die Massnahme oder die Entscheidung dieser Fraktion (trotz allem die Mehrheit der Teilnehmer des Treffens), Sic zu verlassen, de facto beträchtliche Konsequenzen für die Gesamtheit von Sic hatte, war „Sic Admin“ die angemessene Unterschrift. Es gab andere Vorschläge, doch schliesslich waren alle Anwesenden mit dieser Lösung einverstanden.

 

Der „Ortswechsel“ des Treffens wurde nicht aus materiellen Gründen vorgeschlagen (Ort des Treffens oder Unfähigkeit der Leute, welche sich anboten, es zu organisieren), als ob der Grund für die Ereignisse in Campestre in einem „Organisationsproblem“ läge, sondern klar und eindeutig, um zu verhindern, dass es an einem Ort stattfindet (Montreuil), wo das ganze Umfeld und die Leute für eine Wiederholung der gleichen Ereignisse vorhanden gewesen wäre.

 

Diese Ereignisse hätten genügt, um das Treffen abzubrechen und die Beziehung zwischen etlichen Teilnehmern von Sic und somit auch die Fortsetzung des Projekts schwer zu belasten, doch sie waren für uns auch der alles andere als zufällige Gnadenstoss für ein im Sterben liegendes Projekt. Die Inflation der Anzahl Teilnehmer der Liste, die wachsende Vielfältigkeit ihrer geographischen Herkunft sind nur eine Hinzufügung, doch kein gemeinsames Projekt. Das Thema der „Kommunisierung“ und die Bezeichnung „Kommunisierer“ können schlicht und einfach als Unterscheidung zu einer Mode werden, als eine Angst vor der Leere innerhalb der Leere. „Kommunisierer“ zu sein ist zu einer Art und Weise geworden, den anderen Identitäten der Szene etwas entgegenzustellen, eine Art Gegenhaltung, die darin besteht, dass man sagt „Wir sehen uns nicht als Revolutionäre“ (was bedeutet: womit wir zu echten Revolutionären werden), doch nachdem das einmal gesagt ist, fragt man sich, was man tun könnte und was wir eigentlich sind. Der radikale Demokratismus ist dahingeschieden, die Unterscheidung mit den Alternativen diverser Prägungen ist vorausgesetzt, ohne dass sie etwas hervorbringen würde. Man benutzt also ins Blaue hinein „die Klassenzugehörigkeit als äusserer Zwang“, die „Diskrepanz“, manchmal gar die „Konjunktur“ oder „die Verschränkung des Klassen- und Genderwiderspruchs“ ein bisschen wie Mantras.

 

Die Krise bleibt, ohne dass sie, zumindest bei uns (Westeuropa, Nordamerika), die grossen aufständischen Wellen auslöst, welche Griechenland zu versprechen schien, Griechenland selbst ist schlichtweg K.O., und somit gibt es im Moment nicht viel zu holen: einige Ausschreitungen in England, eine Bewegung gegen die Rentenreform in Frankreich...Natürlich gibt es da noch Bangladesch und China, doch obwohl wir global und internationalistisch sind, ist die Bedingung der unter Trümmern begrabenen Textilarbeiterin oder des Wanderarbeiters von Apple etwas weit weg von uns. Was geschieht (Iran, Brasilien, Türkei, die Bewegungen rund um occupy und die Empörten, oder die „arabischen Revolutionen“), macht uns aufgrund seiner Komplexität stutzig, und wir wissen nicht so genau, was damit anstellen. Nichts geschieht wie „geplant“.

 

Im Text Ende von Meeting (TC 23, 2010) wurde eine Nachfolgezeitschrift folgendermassen definiert: „Meeting ist tot, die nächste Etappe muss unseres Erachtens auf neuer Grundlage erstellt werden. Es geht um unsere Anstrengungen für diese internationale Zeitschrift, welche entstehen wird oder auch nicht und weder TC, noch irgendeine andere Zeitschrift ersetzt, an welcher die Mitglieder dieser internationalen Veröffentlichung, unter anderem, beteiligt sind. Diese Zeitschrift wird nicht mehr die gleiche Problematik und auch nicht die gleichen Voraussetzungen wie Meeting haben. Diese Zeitschrift ist nur ein Aspekt dieses „anderen“, welches Texte wie Revendiquer pour le salaire (Die Lohnforderung, TC 22) oder Le plancher de verre (Die Glasdecke, in Les émeutes en Grèce, Ed. Senonevero) zu definieren suchten. Die Frage der Kommunisierung wird im Kern selbst der Ausbeutung und der Mehrwertproduktion neu begründet. (…).

 

Wir tun andere Dinge auf anderen Grundlagen, nicht diese unausgesprochenen Dinge „Theorie“ und „Aktivität“, welche als wesentliche Streitpunkte innerhalb von Meeting die Intervention voraussetzten, denn die Aktivität ist da und „entspricht“ fast der Theorie. Wir sind nicht mehr die Kritik von nichts, sondern die Bestätigung von etwas, oder besser gesagt, die Kritik des Kapitalismus, da Bestätigung seiner „sichtbaren“ Überwindung?

 

Damit war das spurlose Verschwinden der autonomen Szene und der Bewegung der direkten Aktion verbunden."

 

Der Text von 2009 war etwas überstürzt. Der Verlauf der Krise erwies sich als viel komplexer, Klassen, Klassensegmente und heterogene gesellschaftliche Gruppierungen, welche wir, nicht im Sinne einer allgemeinen Analyse, sondern bezüglich der Existenzberechtigung dieser Zeitschrift, vernachlässigt hatten, wurden von ihr erschüttert. Manchmal drängt das Herz das Hirn in den Hintergrund.

 

Wir denken nicht, dass eine neue Periode der Restrukturierung beginnt, sondern eine Unterperiode dieser Krise, in welcher die ausbrechenden Konflikte wesentlich von den Merkmalen der kriselnden Phase der kapitalistischen Produktionsweise bestimmt sind. Diese reichen von Arbeiteraufständen bis hin zur Empörung der Mittelklassen (diesbezüglich denken wir, dass man bezüglich der Besonderheit der Mittelklasse klar sein und damit aufhören muss, zwischen Inter- und Intraklassismus hin- und herzuwechseln), verbunden mit all den Problemen, welche das Konzept der Konjunktur mit seiner Idee einer Planungskrise der Instanzen als Krise der Selbstreproduktion und seiner Fokussierung auf die Widersprüche zu erfassen sucht. In Bezug auf diesen letzten Punkt wagen wir zu behaupten, dass die aktuelle Fokussierung der Staat und genauer die Krise der Entnationalisierung des Staates ist, welche man mit der in der aktuellen Krise konterproduktiv gewordenen Dreizonenteilung (TC 24; S. 28) und der Entkoppelung von Kapitalverwertung/Reproduktion der Arbeitskraft (Türkei, Brasilien, die jüngsten Konfrontationen in Ägypten, die stetigen Kämpfe in China, Bangladesch usw.; ohne von Westeuropa zu sprechen) in Verbindung bringen kann. Eine solche Fokussierung auf die Widersprüche ist nicht im Vorhinein zielgerichtet und birgt mehrere Gefahren.

 

Um diese durch die „arabischen Revolutionen“ eröffnete Unterperiode zu verstehen, muss man von folgendem ausgehen: 1) der Übereinstimmung dieser Krise zwischen Unterkonsumtion und Überakkumulation;

 

Und dadurch 2) Krise einer definitorischen Bestimmung dieser Periode der kapitalistischen Produktionsweise, welche in eine Krise tritt: die Zonendreiteilung; 3) seit den „Empörten“, dann den arabischen Revolutionen, Türkei, Brasilien usw., ohne Griechenland und Portugal zu vergessen: Kohärenzverlust des Systems: die Dreiteilung ist konterproduktiv geworden (TC 24, S. 28), sowohl für das Proletariat als auch für die Mittelklassen und die kapitalistische Klasse. Niemand weiss, wohin er geht.

 

Diese Fokussierung der Widersprüche als Staatskrise (ein entnationalisierter Staat) hat etliche Möglichkeiten eröffnet: der Nationalismus nicht nur als Ideologie des Klassenkampfes, sondern als Arbeit der Wiederzusammensetzung des globalen Zyklus. Die Entkupplung zwischen Kapitalverwertung und Reproduktion der Arbeitskraft war ein globales System. China, Indien, Brasilien sind hin- und hergerissen zwischen ihrer funktionellen Rolle im System, welches zusammenbricht, und ihrer eigenen errungenen Entwicklung, welche sie noch nicht für sich selbst verwerten können. Diese Länder hatten dort ihren Platz, gleichzeitig als aufsteigenden autonome wirtschaftliche Mächte und Teile dieser globalen Struktur. Eine Rekonfiguration des globalen Zyklus des Kapitals, welche die gegenwärtige Globalisierung verdrängt (eine Renationalisierung der Wirtschaften, welche die Globalisierung überwindet/beibehält, eine Definanzialisierung des produktiven Kapitals?), ist eine Hypothese, welche ausserhalb unserer Reichweite liegt, weil sie ausserhalb dieses Kampfzyklus liegt, sie setzt die Revolution wie sie in diesem Zyklus als besiegt getragen wird und, innerhalb dieser Niederlage, eine Restrukturierung der kapitalistischen Produktionsweise voraus.

 

Gegenwärtig ist der Staat das Problem, gleichzeitig präsentieren ihn alle, welche ihn zum Problem machen, als die Lösung. Die Grenze der Kämpfe aller Klassen und dessen, was sie vereint, ist die Betrachtung ihrer Kämpfe als Redefinition des Staates, denn diese selbst existieren, als Kämpfe, als Moment der Krise der Zoneneinteilung. Die Vielfältigkeit der gegenwärtigen Kämpfe und der Klassen oder Klassensegmente, welche sie tragen, wird nicht zu einer Vereinigung der Kämpfe führen, sondern zu Konflikten, weil gewisse Tendenzen ihren vorherrschenden Charakter den anderen Tendenzen aufdrängen, was nur dazu führen kann, diese vorherrschende Tendenz selbst zu verwandeln, indem sie Vertreter der Überwindung der Gesamtheit der bestehenden Widersprüche wird.

 

In dieser Verschränkung zwischen der Krise eines entnationalisierten Staates, dem Interklassismus und den zentralen Arbeiterkämpfen, welche jedoch in diesem Interklassismus ihre Daseinsberechtigung und ihre Grenze haben, geht es gleichzeitig um die Sackgasse dieser Kämpfe, ihrer von sich selbst ausgehenden Negation, die Möglichkeit ihrer Überwindung und last but not least die Restrukturierung der kapitalistischen Produktionsweise.

 

Das Projekt Sic hätte einen Sinn haben können, indem es diese Situation und ihren Kontext analysiert, um eine Art freie Stimme zu sein, welche ausserhalb ihrer unmittelbaren Produzenten gebraucht werden kann und wird, was scheinbar begonnen hat, der Fall zu sein. Es ist diese Unterperiode, welche der Gegenstand und die Daseinsberechtigung von Sic hätte sein können, und nicht die scheinheilige Behauptung der kommunisierenden Perspektive und eine Serie von „Was weiss ich“ über die Kommunisierung und die kommunistischen Massnahmen. Diese Perspektive muss wieder in die Analyse der heutigen Zeit zurückkehren, auch unter dem Risiko normativ und ideal zu sein und noch mehr muss daraus abgeleitet werden. Wenn die gebrauchten Begriffe auch störend sein mögen, die „zweite Phase der Restrukturierung“ der griechischen Genossen beschreibt etwas wirkliches. Und wieso soll man dies nicht die „Ära der Aufstände“ nennen? Der Text Von Schweden zur Türkei kam zum richtigen Zeitpunkt, denn es war schlimm, dass niemand, auch wir nicht, eine Analyse und eine Arbeitsgruppe zum Thema, wo wir uns in der Krise befinden, anzubieten hatte.

 

Das ist nicht geschehen. In Anbetracht der Vorschläge, gewisse Texte aus dem Inhaltsverzeichnis zu streichen, entstand heftiger Widerstand der empörten Autoren, sie gingen soweit, diesen Vorschlag als „inakzeptabel“ zu bezeichnen (was bedeutet, dass man ihn nicht mal diskutieren kann), man sah einen politischen Putsch von TC, wenn nicht gar eine „Aneignung des Projekts durch eine Organisation“, was natürlich „inakzeptabel“ ist, denn wie jemand ohne zu lachen gesagt hat, „ist das Eigentum eine bürgerliche Kategorie“ (ohne Witz). Die vorgeschlagenen Änderungen wurden nicht mal diskutiert, jeder wollte seine Viertelstunde Ruhm in der Sonne von Sic. Theorie ausgehend von „Kampfberichten“ zu machen, welch ein Horror, wo wir doch hier sind, um zu diskutieren, wie wir es mit der Kommunisierung haben. Dass Sic zu einem Briefkasten verkommt, ist nicht interessant – doch das betrifft uns nicht mehr!

 

Unserer Meinung nach befindet sich Sic, aufgrund der Ohnmacht der Ausgangsperspektive gemäss welcher die Kommunisierung wie ein offenes Buch in der Entwicklung der Krise gelesen werden kann, in einem höllischen Zwiespalt zwischen der Unmöglichkeit einerseits die Aktivistenszene loszuwerden, eine Leiche, die sich immer noch bewegt und sogar während der Bewegung gegen die Rentenreform eine neue Frische als Zombie eines radikalen Programmatismus gefunden hat, und andererseits einem marxistischen Akademismus, der zum guten Ton gehört und der, eben genau wegen dieser Ohnmacht und dieser Verzerrung, die Theorie der Kommunisierung zu einer Idee und einer Norm und somit zur Bedeutungslosigkeit verdinglichen konnte. Im Gegensatz zu unserem Standpunkt in Fin de Meeting, können die einen mit der Kommunisierung noch so tun, als ob sie gestikulierten; und die anderen sich abmühen, den Marxismus als zeitgemässe Wahrheit wieder herzustellen.

 

Für die einen wie für die anderen geht es allen voran um die Kommunisierung als Ziel, als Idee. Die Debatte über den Wert und die Planung im Kommunismus (nennen wir es so), eine der wenigen auf der Sic-Liste, war bezeichnend für diese Situation. Eine zukunfsorientierte und normative Debatte, die vergisst, dass die Frage des Fortbestands des Werts nicht in der Historizität oder Ahistorizität der Abstraktionen oder in der besten Art und Weise liegt, den Topf zum Sieden zu bringen, sondern in den gegenwärtigen Bedingungen des Klassenkampfes und somit im wenigen, das man vom eventuellen revolutionären Verlauf, getragen von diesem Kampfzyklus, wissen kann: die kommunistischen Massnahmen. Doch es war schon zu spät. Der Aktivismus präsentiert die Kommunisierung als Lösung und Perspektive für die Kämpfe, wie man es zuvor mit der „Regierung der Volkseinheit“ tun konnte, und der Akademismus macht aus der Kommunisierung die angemessenste zeitgemässe Lesart auf dem Markt der Marxschen Konzepte, immer darauf bedacht, die Albernheiten gewisser Meister nicht zu stark zu kritisieren, was das Leben von Sic formatiert hatte. In der wirklichen Verzerrung der kommunisierenden Perspektive wurde diese zu einer Idee oder einer Parole.

 

All das geisterte schon lange explizit in unseren Köpfen herum und es gab etliche Anzeichen, doch in der Verzerrung der kommunisierenden Perspektive wurde das Medium zum Zweck. Die Erhaltung und Ausbreitung einer „theoretischen Szene der Kommunisierung“ ist schnell wichtiger geworden als die historische und gesellschaftliche Angemessenheit, welche jede Zeitschrift braucht, es wurde zum eigentlichen Zweck. Wir waren bereit, die Prahlereien und die Intrigen der Aktivisten, die universitären Power-Point-Präsentationen und die unproduktive Wiederholung einiger Konzepte als Begleiterscheinungen im Namen der notwendigen Vielfältigkeit der Strömung der Kommunisierung zu betrachten, doch eigentlich versuchten wir nur, unsere eigene theoretische und „gesellschaftliche“ Behaglichkeit unter dem Deckmantel eines verantwortungsbewussten Verhaltens und der Notwendigkeit der Debatten zu erhalten. Die Meinungsverschiedenheiten müssen auf den Tisch gelegt, die gegenwärtige Zerstreuung kann nicht verschwiegen werden, sie ist notwendig und willkommen. Es muss jedoch gesagt werden dass wir bis zu jenem Punkt, wo der Schein selbst von Gemeinsamkeiten mit der Theorie des Genderwiderspruchs verschwunden ist, wo an einem Ort, an einem Tag, in einer vollendeten Tatsache alle Spannungen explodierten, die Hoffnung nicht aufgegeben hatten. Die Hoffnung, die Wunde, die der Sonne am nächsten ist.

 

Dafür haben wir bezahlt. Die Akademiker brauchten nur ihre eigenen Reflexionen und das Erscheinen der Zeitschrift, möglichst dick und gut geschrieben, und kamen ohne die Treffen aus; den Aktivisten, welche nichts anzubieten haben, blieb nur noch die Nabelschau ihrer Streitigkeiten in einem lebenswichtigen Drang, eben diese Treffen und die Zeitschrift als Schaufenster ihrer Existenz und ihrer Identität zu gebrauchen; der Genderwiderspruch bedeutete das Ende dieses anfänglichen Konsens.

 

Genau wie die Wolke das Gewitter ankündigt, geschahen auch die Ereignisse in Campestre nicht unter einem klaren Himmel. Wenn die Lebensweisen zu „theoretischen“ und „politischen“ Fragen werden, muss mit dem Schlimmsten gerechnet werden. Und wie üblich geschah das Schlimmste dreimal. Wir behaupten nicht, dass der Zeitpunkt, der Vorwand, der Inhalt und die Form davon vorhersehbar war, doch in einer Versammlung, welche, aufgrund der oben erklärten Gründe, fast ganzheitlich aus Leuten bestand, welche sich innerhalb oder am Rande dieses „Aktivisten“- oder „autonomen“ Dunstkreis bewegen: Das Schlimmst war dort in seinem Biotop. Die Konfrontationen über Lebensweisen artikulieren sich notwendigerweise rund um zwei Achsen: Geld und Sex. „Bourgeois“ und „dreckige Hure“. Doch zwischen diesen beiden gibt es keine Gleichwertigkeit, kein Gleichgewicht, keine Symmetrie. Das eine kann diskutiert werden, man kann vernünftig darauf antworten (unter der Bedingung, aus dem „Ausrasten“ nicht eine gesellschaftliche und politische Positionierung zu machen), man kann eine Typologie kritisieren und sogar die Tatsache, sie zu erstellen; das andere kann nicht diskutiert werden: es ist massiv, hieb- und stichfest, auf „dreckige Hure“ gibt es keine Antwort.

 

Für uns ist die Schlussfolgerung dieses Zwiespalts, dass es innerhalb Sic nichts mehr zu tun gibt, umso mehr, weil die Frage des Klassen- und Genderwiderspruch symptomatisch brutal und experimentell dargestellt wird. Es scheint bei der Lektüre der Mails, welche auf die Ereignisse von Campestre folgten, dass das Scheitern des Treffens und der Reflexion über dessen Gründe zur Anekdote verkommen ist. Schon unmittelbar danach ging es auf der Sic-Liste nur darum, das business as usual weiterzuverfolgen, indem von den beiden Protagonisten, wenn man daran dachte, verlangt wurde, dass sie sich „versöhnen“, und von jenen, welche die Liste verliessen, dass sie sich „verantwortungsbewusst“ verhalten (es muss gesagt werden, dass dieser Aufruf zur „Vernunft“ erst lanciert wurde, als die Mitglieder von TC die Liste verlassen haben und auch erst, als es besonders zwei davon betraf). Man konnte dabei auch die sehr französische Neigung zur Aggressivität und zum Mobbing beobachten: der French touch. Jeder weiss, dass Frankreich natürlich einhergeht mit Asterix.

 

Das Hauptthema ist jetzt die Hegemonie von TC und die grosse Erleichterung, welche der Austritt der Mitglieder bei einigen ausgelöst hat. Wenn unser Austritt und jener von anderen Genossen diesen Effekt haben kann, umso besser. Gutes Gelingen und viel Glück. Für jene, welche diesen Austritt bereuen oder darin ein Aufgeben sehen, sage ich nur, dass es Momente gibt, wo Entscheidungen getroffen werden müssen, und dass diese nie zufällig sind.

 

Wir müssen brechen.


Und da die Frage gestellt wurde, es ist selbstverständlich, dass die von den Unterzeichnern dieses Briefes verfassten Texte weiterhin jenen zur Verfügung stehen, welche weitermachen, und in Sic 2 oder 3 veröffentlicht werden können, falls der Wunsch besteht, das in irgendeiner Form zu tun. Es ist ebenfalls selbstverständlich für uns, dass unsere Teilnahme am Treffen im November ausgeschlossen ist und natürlich auch seine Organisation.

 

Hätten wir böse Absichten, Gott bewahre, so würden wir im Gegenzug jene auffordern, welche Sic weiterführen, ihre gütliche Einigung mit der Situation und den Ereignissen zu erklären. Übrigens haben einige von uns trotz ihres Alters Mühe, die Ausgeglichenheit der „Alten von gestern“, jener, welche auch schon andere gesehen haben, zu teilen.

 

Die Perspektive einer internationalen Zeitschrift ist nicht definitiv abgeschlossen, doch Klärung ist nötig, sowohl zwischen uns als auch in der Geschichte – welche lange ist.

 

Freundschaftlich und bis zum nächsten Mal


[Unterschriften der Mitglieder von Théorie communiste]

 

Übersetzt aus dem Französischen von Kommunisierung.net

 

Quelle

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Ich bin ja nicht grundsätzlich und bei jedem Thema für die einfachst mögliche Sprache, aber dieses absichtlich intellektuell wirken wollende Geschwurbel der "Kommunisierungs"-Texte ist echt zum Kotzen. Selbst wenn einen der Inhalt interessiert, was selten genug der Fall sein dürfte, kann man nach einer Seite nicht mehr, weil man, wenn man sich die Leute vorstellte, die solche Sätze schreiben, sofort die eigene Tastatur ankotzen würde. Ekelhaft.

Habe es mit Ünterstützung von Logox Speechbox ( ein "Vorleseprogramm") geschafft zwei Drittel zu "Lesen". Bizarr !

Auch hier frage ich mich einmal mehr, WEM es am Ende von nutzen ist. Das sich linke Strukturen durch, Wortklaubereien und Gruppendynamische Didaktiken selbst zerfleischen. Dachte immer das ist nur so ein doitsches Problem. Scheint aber wohl um sich zugreifen. Anstatt endlich mal den Stock aus dem Arsch zunehmen und am gleichen Strang zuziehen, hängt Mann und Frau sich auch hier wieder an Begrifflichkeiten auf.

Vielleicht mal auf die Idee gekommen das duchr so einen "Grüüpchenmist" die Scene ganz bewußt gespalten und geschwächt werden soll oder glaubt jemand V-Männer und Frauen gibt es nur in der NPD?

Mal ehlich, Leute die sowas schreiben und so drauf sind gehören nicht zu "meiner" Scene da ist kein Spalt dazwischen da ist (zum Glück) ein Canyon zwischen uns.

Eventuell ist diese komplizierte Sprache auch nur die Folge einer etwas misslungen Übersetzung.

die die da meine, dass bei den texten von TC eine schwere Sprache verwendet wurde und gleichzeitig dies als "intelektuelles geschwurbel" diffamieren, liegen doch tendenziell auf einer reaktionären und völlig falschen linie.

klar sollte die sprache je nach anlass angepasst werden. aber DIESER text ist eben nicht als flugi gedacht. dementsprechend kann man auch erwarten, dass die leute sich zeit nehmen. lest mal bisschen marx, lenin, adorno/horkheimer oder ähnliches. das sieht doch gennauso aus und das hat auch seine guten gründe.

ich und viele andere haben keinen bock einen qualitätiven inhaltsverlust hinnehmen zu müssen, weil leute zu faul sind sich mit texten zu befassen.

 

noch eine anekdote welche mal an "linke intelektualitätskritik" anlehnt: die "roten" khmer haben leute umgebracht, weil sie? richtig, ne brille getragen haben und damit "intelektuell" waren.

 

weiter im text:

es geht nicht darum als "linke" "endlich mal an einem strang" zu ziehen. welcher sollte das auch sein, wenn über grundsätzlichste sachen keine einigung besteht "innerhalb" "der linken". hier nimmt sich "linker" nicht sehr viel zum biodeutschen, welcher keinen politischen streit will, sondern sicherheit und ruhe (die sicherheit der brutalen machtverhältnisse und die ruhe in der sich die sachzwänge mordend durch die welt schlagen). das zeigt sich dann auch in einer großen koallition, welche beinnahe nicht nötig gewesen wäre (die %te der wahl kennt jede_r)

 

zum thema streit im politischen sollte mensch sich mal "geronimo glut und asche" durchlesen.

 

letztendlich: es waren keine "begrifflichkeiten" die den ausstieg der TC aus SIC initierten, sondern eine sexistische beleidigung.

das erfährt mensch natürlich nur, wenn mensch sich die sache durchließt.

 

...und nein, ich sehe mich nicht als einen menschen der in dem text alles verstanden hat, aber diese eklatanten missverständnisse und diffamierungen und reaktionären ideologieelemente bewogen mich dazu diesen (zugegeben auf rechtschreibung und anderes scheißenden) kommentar zu schreiben.

und jetzt gehe in deine Schublade zurück und Schlafe weiter.

Muss zugeben, dass ich den Text nur ca. zur Hälfte gelesen hab und es wegen faulheit nicht stundenlang probiert hab, den Text zu verstehen (oder vielleicht vielleicht war es auch gar nicht aus Faulheit, sondern weil ich keinen Anreiz gefunden habe, diesem Text eine so hohe Wichtigkeit in meinem Leben einzuräumen). Aber ich muss jetzt trotzdem mal was über einen bestimmten Begriff loswerden und das ist "Mädchen"!!! Also ich weiß ja nicht wie alt dieser Mensch ist, aber ich hab es sehr häufig erlebt, dass Menschen die als weiblich gelesen werden viel länger mit einem verkindlichenden Begriff belegt werden.

 

Und ganz unabhängig davon ist der Begriff "Mädchen" total schrecklich. Ich sag ja auch nicht zu irgendjemand: "Jüngchen" oder "Jüngelchen"! Das würden wohl die meisten als abwertend betrachten, und das ist es auch. Der Anhang -chen ist ein Diminutiv, das heißt er verkleinert oder verniedlicht das, woran er angehängt wird. Als wäre das nicht schlimm genug, wird hier also ein "Mäd" verkleinert, und dieses "Mäd" wiederum leitet sich von Magd ab, was laut Wikipedia "das weibliche Gegenstück zu Knecht" ist.  Jemanden als Mädchen zu bezeichnen könnte also übersetzt werden als "hey, du niedliches/kleines weibliches Gegenstück eines Knechtes". Alternativen? Nunja, wenn es geht "Mensch" oder "Person", wenn das geschlecht entscheidentd ist z.B. "weiblich gelesene/markierte/etc. Person" wenn das Alter entscheidend ist kann Mensch das ja einfach dazu sagen (jung/alt/um die 20/ etc.). Sicherlich gibt es noch mehr Alternativen...

Wem das jetzt als zu belastend für den Sprachfluss erscheint, die kann sich ja überlegen das einfach anderer Stelle auszugleichen: mal diesen und jenen lang verschachtelten Satz aufzuteilen und zwei oder drei Sätze daraus zu machen, hier und da mal ein Beispiel zu machen und diesen und jenen Fachbegriff wo es möglich ist in eine Sprache zu übersetzen, die von mehr Menschen verstanden wird, ohne sich dafür unnötig viel "Zeit nehmen" zu  müssen (eine Anspielung auf den Kommentar weiter oben von grrr...).

 

Denn warum sollte Mensch das tun? Sich die Zeit dafür nehmen, einen Text zu entschlüsseln, von dem mensch gar nicht wissen kann, ob er sich anschließend als informativ herausstellt oder nicht? Zeit ist knapp, da ist der Kapitalismus und noch viele andere Dinge, die abgeschafft werden müssen - und es gibt viele Texte die einfacher zu verstehen sind ohne deswegen weniger Infos zu beinhalten - warum also nicht die lesen?