NSU-Prozess: Wichtiger Zeuge im Auto verbrannt

Erstveröffentlicht: 
29.09.2013

Ein junger Mann verbrennt Mitte September bei Stuttgart in seinem Auto. Die Polizei geht von einem Suizid aus. Doch ein Abschiedsbrief ist nicht gefunden worden. Er starb, kurz bevor ihn der Staatsschutz zu möglichen Komplizen der rechten Terrorgruppe NSU befragen wollte.

 

 

Ein mysteriöser Todesfall in Baden-Württemberg heizt Spekulationen um mögliche noch unbekannte Komplizen der rechten Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) weiter an.

Ein 21-jähriger Mann aus dem Landkreis Heilbronn war vor zwei Wochen in seinem Auto verbrannt –

nur wenige Stunden bevor ihn offenbar der Staatsschutz über Neonazis in der Region befragen wollte.

 

Die Polizei geht von einem Selbstmord aus, angeblich aus Liebeskummer. Demnach habe sich das Opfer am 16. September in seinem eigenen Auto verbrannt.

Einen Abschiedsbrief gibt es aber nicht.

Auch hatten Zeugen eine Explosion beobachtet, kurz nachdem der Mann nahe dem Cannstatter Wasen in Stuttgart in sein Auto eingestiegen war.

Erst danach habe das Fahrzeug Feuer gefangen und sei ausgebrannt, sagen diese Zeugen.

 

Bei dem Toten handelt es sich um Florian H., der bereits im Januar 2012 zum Polizistenmord in Heilbronn befragt worden war.

Zuvor soll es einen anonymen Hinweis gegeben haben, wonach H. Kenntnisse über den Mord an der Beamtin Michele Kiesewetter haben könnte.

Die Tat vom April 2007 wird dem NSU zugerechnet. In der Vernehmung bestritt H. allerdings, etwas von dem Mordanschlag zu wissen.

Dafür soll er jedoch Hinweise auf eine weitere rechtsterroristische Gruppe gegeben haben. Dies wurde erst jetzt, kurz vor seinem Tod, bekannt –

durch den Anfang September veröffentlichten Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag.

 

Treffen in Öhringen

 

In diesem Bericht gibt der Ausschuss einen Ermittlungsbericht des Landeskriminalamtes (LKA) in Stuttgart vom 30. März 2012 wieder.

Danach habe H. in seiner Vernehmung im Januar 2012 davon gesprochen, dass es in Baden-Württemberg eine Gruppe namens „Neoschutzstaffel“ (NSS) gebe. Diese NSS sei von H. als „zweite radikalste Gruppe“ neben dem NSU bezeichnet worden.

Den Aussagen des Zeugen zufolge hätten sich auch Aktivisten beider Gruppierungen einmal in Öhringen, etwa 25 Kilometer östlich von Heilbronn gelegen, getroffen.

Wann dieses Treffen stattgefunden haben soll, wusste H. jedoch nicht.

Auch das LKA konnte offenbar nichts Näheres in Erfahrung bringen.

Laut dem Ermittlungsbericht konnten die Angaben des Zeugen „nicht verifiziert“ werden.

 

Dass der baden-württembergische Staatsschutz H. jetzt ein weiteres Mal befragen wollte, hängt mit der Ermittlungsgruppe „Umfeld“ zusammen,

die im Stuttgarter LKA vor einigen Monaten zu arbeiten begann.

Die SoKo soll mit sogenannten Strukturermittlungen die rechtsextreme Szene im Land aufklären.

Dazu sollte nun auch H.,der von den Sicherheitsbehörden als Mitläufer der rechten Szene eingestuft wurde, erneut befragt werden.

 

Indizien im Brandmüll

 

Bislang gibt es aber nur Mutmaßungen darüber, ob H.s Tod mit seiner Vorladung beim Staatsschutz zu tun haben könnte.

Eine mögliche Verbindung von baden-württembergischen Rechtsextremisten zum NSU ist hingegen nicht weit hergeholt.

Während ihres Lebens im Untergrund unterhielten Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe über Jahre hinweg persönliche Verbindungen in die Region um Heilbronn und Ludwigsburg.

Auch weilten sie dort wiederholt zu Besuchen bei Gesinnungsfreunden.

 

Im Münchner NSU-Prozess waren zuletzt weitere Indizien bekannt geworden, die auf bislang unbekannte Komplizen des Terrortrios hinweisen.

So fanden sich im Brandschutt der Zwickauer Wohnung Artikel aus bayerischen Regionalzeitungen über die NSU-Morde.

Diese Zeitungen werden in Zwickau nicht vertrieben. Sie könnten dem Trio von Mitwissern zugeschickt worden sein.

Die Bundesanwaltschaft beharrt in ihrer Anklage gegen Beate Zschäpe jedoch darauf, dass das Trio keine Komplizen bei ihren Mordtaten hatte.