Blockupy 2013 und Triple A Repression in Frankfurt

Blockupy Mc Donalds

Blockupy 2013 und Triple A Repression in Frankfurt Auch wenn die Blockupy-Tage, die verschiedenen Aktionsziele am Freitag sehr schnell auf den Samstag, die zerschlagene Abschlussdemonstration, reduziert werden, lohnt es sich, die verschiedenen Aktionen und die unterschiedlichen Eindrücke festzuhalten.

EZB-Blockade

 

Da das erfolgreiche Ende als Fazit auf allen Seiten von Anfang an feststand, kann man das Ganze vom Ende her erzählen: Blockupy erklärte die Blockade der Europäischen Zentralbank/EBZ für rundum gelungen, die Polizei erklärte, dass sie den Zugang gewährleistet hatte und die EZB-Zentrale verkündete, dass man »ganz normal« am Verarmungs- und Bereicherungsprogramm weiter gearbeitet habe: Business as usual. Tatsächlich waren es ungefähr 2.000 TeilnehmerInnen (wie im Jahr zuvor), die bis zu den Absperrungen rund um das EZB-Gelände kamen. Nach einem Versuch, die Absperrungen zu überwinden, blieb man davor sitzen – bis man um 10.30 Uhr den Erfolg der Blockade verkündete. Die Fragen, was man an einem Brückentag (an dem sich nicht nur die TeilnehmerInnen von Blockupy freinehmen) tatsächlich noch blockieren kann, wie viele an einer Blockade teilnehmen müssten, um den Zutritt zur EZB wirksam zu verhindern, sind bekanntlich weitgehend stillgelegt. Dabei geht es nicht darum, etwas zu erwarten, was die Verhältnisse nicht hergeben. Es geht einfach nur darum, unter diesen doch sehr dünnen Voraussetzungen das Ergebnis auch so zu ›kommunizieren‹, dass man es noch glauben kann.

 

Blockupy Deportation Airport

 

Parallel zu den Zeil-Aktivitäten wurde zu einer Demonstration am Frankfurter Flughafen aufgerufen – gegen die dort praktizierte Abschiebpraxis, gegen den allerorten lebendigen Rassismus. Die Bedingungen vor Ort waren bereits Tage zuvor klar: Ein Verwaltungsgericht beschied, dass mehr als 200 TeilnehmerInnen im Terminal und für diese Demokratie zu viel sind. Mit welcher Lust an Willkür das Verwaltungsgericht das Demonstrationsrecht in einen ›Nummer-Zieh-Akt‹ verwandelte, versteht man, wenn man weiß, dass jeden Montag Tausende von FluglärmgegnerInnen im Terminal gegen die neue Nordbahn demonstrieren. Dass die Polizei diesen irrsinnigen Beschluss gerne und mit allen Mitteln durchsetzen wird, war ebenfalls abzusehen. Was eigentlich nicht passieren darf, ist dann doch passiert: Nach einem gescheiterten Versuch, mit allen im Flughafen zu demonstrieren, ließ sich die Demonstrationsleitung auf das demütigen Arrangement ein, sich abzählen zu lassen. Man hätte sich diese höhnischen Zeilen in der FAZ wirklich sparen können: ›Ganz brav in Terminal I‹ und ›Betreuter Protest: 200 Demonstranten durften ins Terminal‹ (FAZ vom 1.6.2013)

 

From ›My Zeil‹ to our space

 

Unter dem Druck, etwas anzukündigen, was eben nicht geht, standen die über 1.000 Beteiligten auf der Zeil, der Shopping-Mile Frankfurts nicht. Neben einem klar benannten Ziel (die irische Mode-Kette ›Primark‹) gab es unzählige andere Läden, die mit Hungerlöhnen, unmenschlichen Arbeitsbedingungen, Kinderarbeit etc. ihren Profit machen – nicht nur die bekannten Billigläden wie KIK oder Mac Donald. Die Unzahl an Aktionsorten, die Tausende, die den Brückentag zu nichts besserem nutzten, als einmal am anderen Ende der Verwertungskette -als KonsumentIn – aufzutreten, die Unübersichtlichkeit der Lage, und offensichtlich auch das Konzept der Polizeiführung, die Konsum- und Flaniermeile nicht in eine Arena von Polizeirobotern zu verwandeln, die eben kaum noch zwischen Konsumwilligen und Konsumkritischen hätten unterscheiden können… all das trug zu einer lebendigen, sehr beweglichen, sehr kommunikativen Situation (›Eure Mode ist so fesch, wie der Tod in Bangladesch.‹) bei. Wenn man an einem Ort lange genug den Eingang blockiert hatte, schlenderte man zum nächsten Tatort. Entweder antizipierte die Geschäftsleitung das Kommende und verbarrikadierte sich selbst oder eine Kette von gepanzerten Polizeibeamten stellten sich vor dem Eingang – ohne damit wirklich verunsicherte KonsumentInnen zum Shopping einzuladen. In der Summe ergab sich jedes Mal eine effektive Blockade des Geschäftsbetriebs – und das über mehrere Stunden, über die ganze Zeil verteilt.

Nimmt man die Einbußen, die die Business Class 2012 für die polizeiliche Totalabriegelung der Innenstadt über 2 ½ Tage veranschlagte, also 15 Millionen Euro, so kam man an diesem Freitag auf einen Schadenserfolg von ca. 600.000 Euro in der Stunde. All das ereignete sich nicht nur über fünf Stunden, es war nicht nur mitreißend und einladend: Es war auch materiell wirksam, indem es tatsächlich für ein paar Stunden die Wertschöpfungskette störte, in sie eingriff – eine wirksame Möglichkeit, den Symbolraum ›Antikapitalismus‹ zu verlassen.

 

Internationale Demonstration zum Abschluss von Blockupy

 

Etwas über 10.000 beteiligten sich an der Abschlussdemonstration, die mit einer Kundgebung nahe der EZB enden sollte. Es kam ganz anders: Nach ca. 1.000 Metern wurde die Demonstration an einem gut ausgesuchten Ort gestoppt: »Ein Polizeisprecher sagte dazu, der Einsatz sei schlicht gut vorbereitet und die mobilen Klohäuschen schon zum Bedarf der Beamten vorrätig gehalten worden.« (hr-online vom 2.6.2013) Man wählte einen Ort, der keine Fluchtmöglichkeiten ließ, ohne Seitenstraßen, ohne Durchgänge: »Mehrere Polizisten bestätigen BILD gegenüber anonym: ›Der Kessel war geplant!‹ Grund: Die Personalien der Vermummten sollen aufgenommen werden, um sie mit den M31-Randalierern vom März 2012 abzugleichen. Ein Beamter: ›Doch diese Strategie war ein Fehler!‹« (bild.de vom 3.6.2013)

Kurzum: Der Überfall war absolut ›ereignisunabhängig‹ geplant und in die Tat umgesetzt worden.

 

Wenige Reihen hinter dem Fronttransparent wurde der ›antikapitalistische Block‹ eingekesselt, aus der Demonstration herausgeschnitten. Als Begründung nannte man, dass einige TeilnehmerInnen nicht zweifelsfrei abgefilmt werden können, was in Deutschland eine Straftat (›Vermummungsverbot‹) ist, also mit allen Schikanen verfolgt werden muss. Auch der Versuch, nicht schutzlos zu sein, (was in Deutschland zur ›passive Bewaffnung‹ aufgerüstet wird und dann strafbar ist) wurde als Begründung für diese Polizeiorgie angeführt. Dem Rest bot die Polizeiführung großzügig an, die Demonstration fortzusetzen, was nicht geschah. Um mit den Eingekesselten solidarisch zu sein, blieb die gesamte Demonstration vor Ort und angesichts des massiven Polizeiaufgebots ohne jede Chance, auf das Geschehen Einfluss zu nehmen.

Ab 16:30 Uhr begann die Polizei mit Reizgas, Prügeleien und anderen Demütigungen die ca. 1.000 Eingekesselten zur Personalienüberprüfung abzuführen, während ein Polizeibeamter um Mitarbeit warb: »Halten Sie Ihre Ausweise bereit, kooperieren Sie, dann wird es auch für Sie einfacher.« Die letzten TeilnehmerInnen des Kessels wurden nach neun Stunden, gegen 22 Uhr abgeführt, über 200 wurden verletzt. Dass man mit diesem Polizeiüberfall nicht rechnen konnte, ist die eine Sache. Dass ›Kessel‹ (wozu auch ›Wanderkessel‹, also die mobile Ingewahrsamnahme zählen) nicht nur die Eingeschlossenen, sondern alle DemonstrationsteilnehmerInnen zur Geisel einer Polizeitaktik machen, die damit eine Demonstration verbietet, wofür sich (noch) kein Gericht findet, haben bereits viele, zu verschiedenen Anlässen erlebt. Darauf anders zu reagieren als bisher, würde der Ohnmacht, die diese ›justizferne‹ Verbotspraxis bei allen hinterlässt, etwas entgegensetzen.

 

Nachlese

 

»›Das Demonstrationsrecht hat in unserer Verfassung einen hohen Stellenwert. Dies beweisen auch immer wieder Urteile der Gerichte. Das Demonstrationsrecht ist ein wichtiger Grundpfeiler unserer Demokratie‹, betonte Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann am Montag, 3. Juni. Er verwies noch einmal darauf, dass Frankfurt eine liberale und weltoffene Stadt mit einer großen demokratischen Tradition sei. Sie sei die Stadt des kritischen Diskurses. Für gewaltfreie und friedliche Diskussionen, Veranstaltungen und Demonstrationen sei Frankfurt der richtige Ort. ›Mich hat die einmütige Berichterstattung über die Blockupy-Demonstration am Samstag beunruhigt. Nach Darstellung der Medien scheint der Einsatz der Polizei unverhältnismäßig gewesen zu sein. In den nächsten Tagen und Wochen muss dieser Samstag aufgearbeitet werden‹, erklärte der Oberbürgermeister.« (Presse.Info vom 3.6.2013)

 

Ist der Mann noch bei Trost? Hat er noch nicht mitbekommen, dass sich die Polizeiführung um Gerichtsurteil so viel sorgt, wie ein Blinder um einen Farbkasten? Ist es nicht ein Hohn, wenn ein SPD-Oberbürgermeister am Reklameschild ›Weltoffene Stadt‹ herum poliert, während die Polizei den Rekord in Sachen Kessel bricht? Muss sich dieser Oberbürgermeister bei BILD und FAZ die Genehmigung dafür abholen, einen solchen paramilitärischen Polizeieinsatz zu verurteilen?

 

Aber auch mit der Drohung prozessualer Konsequenzen, eines juristischen Nachspiels erschreckt man nicht einmal einen Verkehrspolizisten. Wie lange braucht es, bis man kapiert, dass diese Polizeiführung alles fürchtet, nur nicht die Gerichte! Selbstverständlich gehört es zum ermüdenden Ritual, dass die damit befassten Gerichte einige Maßnahmen an diesem Samstag – in zwei Jahren - für ›überzogen‹ und ›unverhältnismäßig‹ erklären werden. Solche Urteile werden bestenfalls an Polizeihunde verfüttert. Anstatt sich mit der Stadt, mit der Justiz darum zu streiten, wie wehrlos man einem vermummten Polizeiapparat gegenübertreten muss, um Mitleid zu erregen, muss man dafür sorgen, dass Demonstrationen geschützt werden, dass man beim nächsten Mal nicht wieder ohnmächtig und schutzlos ist. Die Dreistigkeit, mit der dieser Überfall durchgeführt wurde, die Unverfrorenheit, mit der Innenminister Rhein und der Frankfurter Polizeipräsident Thies (SPD) dieser polizeiliche Selbstjustiz rechtfertigen, ist nicht nur eine Frage der psychischen Konstitution. Es drückt auch aus, dass sich die hessische Landesregierung sicher ist, dass ihr dieser Polizeieinsatz nicht auf die Füße fällt, dass die zynische Rechtfertigung (man habe - dank der Einkesselung von 1000 Personen und dank über 200 verletzten DemonstrantInnen - schwere Auseinandersetzungen verhindert) von Straftaten im Amt nicht ihren Kopf kosten werden.

 

Denn in der Tat: dass dieses paramilitärische Aufgebot 1.000 Personen und wenn es gewollt ist, eine komplette Demonstration einkesseln kann, verwundert kaum. Die politische wichtige Frage ist hingegen, ob mit der polizeilichen Einkreisung von Protest der Konflikt abgewürgt ist oder erst richtig ausbricht! Die Meldungen rund um die gewaltsame Räumung eines Protestlagers, die sich anschließende polizeilich Besetzung des Gezi-Park in Istanbul prägten auch die Nachrichtenlage rund um den Kessel in Frankfurt. Während die Polizei in Frankfurt ihre Gewaltstrategie erfolgreich zu Ende bringen konnte, verbreitete sich in Istanbul die Nachricht über die gewaltsame Vertreibung von einigen Hundert AktivistInnen in Windeseile: Am Samstag versammelten sich Hundertausend rund um den polizeiliche eingenommenen Gezi-Park und drehten den Spieß um. Sie kesselten die Polizei ein. Während hier in Frankfurt die Eingekesselten mit Kampfgas, Knüppeln und Tritten abgeführt wurden, trat die Polizei in Istanbul um 16 Uhr den Rückzug an und übergab den Park seiner ursprünglichen Nutzung.

Das lag zum einen daran, dass der Protest nicht wehrlos war. Zum anderen lag es daran, dass ein Konflikt, den einige Hundert begonnen hatten, am Ende Hundertausend mobilisieren konnte, mitgerissen hat. Alle wissen, dass ähnliches hier nicht passieren wird. Alle müssten auch wissen, dass das auch das Problem von ›Blockupy‹ selbst ist. Das Wissen um die extrem schwachen Strukturen hier, im Rhein-Main-Gebiet, kann man mit einer Demonstration von Zehn- oder auch Zwanzigtausend überdecken, aber nicht zum Verschwinden bringen.

 

Als Blockupy 2012 zu Ende war, 90 Prozent von Blockupy wieder abgereist waren, versprach man eine ›Wendlandisierung‹ des Blockupy-Protestes – also eine politische Arbeit, die den Aufbau politischer Strukturen vor Ort zum Ziel hat, eine Verbreiterung der politisch Eingebundenen, eine alltägliche Präsenz antikapitalistischen Protestes. Das war eine gute und richtige Ankündigung. Und dabei blieb es leider.

 

Wolf Wetzel