HEIDENHEIM - Das Wohnheim als "Ghetto"? - Flüchtlinge organisieren Protest

Erstveröffentlicht: 
29.04.2013

Neun Flüchtlinge einer Protestbewegung waren gestern in Heidenheim, um im Asylbewerberheim an der Walther-Wolf-Straße um Unterstützer für ihre Kampagne zu werben. Sie fordern unter anderem die Abschaffung der Residenzpflicht und der Flüchtlings-Wohnheime, die sie als Ghettos bezeichnen.

 

Der Tag des Besuchs in Heidenheim war bewusst gewählt: Am Montag beschloss der Kreistag, die bisherigen Sachleistungen abzuschaffen und dafür den Asylbewerbern Bargeld auszuzahlen. Die unter anderem aus Karlsruhe und Schwäbisch Gmünd angereisten Flüchtlinge wollten mit ihrer Anwesenheit im Kreistag der Forderung, die Essenspakete abzuschaffen, Nachdruck verleihen.

„Refugee Liberation Tour“ (deutsch: Flüchtlings-Befreiungs-Tour) nennt sich die Kampagne, bei der die Asylbewerber Flüchtlingsheime in Baden-Württemberg und in Schwaben abklappern, um Mitstreiter zu finden. Der Protest mündet in einer Demonstration am 8. Juni in Stuttgart. Mit ihrer Reise durchs Ländle verstoßen sie eigentlich gegen die Residenzpflicht, die sie als Verstoß gegen die Menschenrechte bezeichnen und für deren Abschaffung sie kämpfen.

Polizisten beobachten die Szenerie

„Sie nehmen uns unsere Rechte, und das in einem demokratischen Staat“, sagt einer der angereisten Asylbewerber, der Austine genannt wird. Er ist der Wortführer. Vor dem Hochhaus steht ein Kleinbus, Banner liegen auf dem regennassen Asphalt mit Slogans wie „Asyl ist Menschenrecht“ oder „Lager und Abschiebung abschaffen“. Zwei Polizisten beobachten die Szene aus einem Wagen heraus, nebenan steht ein Kripo-Beamter in zivil, doch mischen sie sich nicht ein.

Dabei greifen die Asylbewerber den deutschen Staat durchaus an. Sie seien hier, weil die westlichen Länder durch Krieg ihre Heimatländer zerstörten, wird angeprangert. Außerdem verstoße man in Deutschland gegen die Menschenrechte, indem man Flüchtlingen isoliert in Lagern wegsperre, ihnen das Recht auf Arbeit und die Bewegungsfreiheit verweigere. „Wir fordern andere Regeln“, sagt der Wortführer.

Als es ums Demonstrieren geht, wenden sich die meisten ab

Die Flüchtlinge in Heidenheim reagieren auf den Besuch verhalten. „Was kann ich tun?“, wird nachgefragt, doch als es ums Demonstrieren geht, wenden sich die meisten ab. „Was wünscht Du Dir“, fragt einer der Besucher eine Frau, die in einer Drei-Zimmer-Wohnung mit zwei weiteren Familien zusammen lebt. Es ist sauber und aufgeräumt, in der Küche holt eine andere Frau gerade duftende Krapfen aus dem Ofen. 14 Personen, inklusive kleinen Kindern, teilen sich den Raum. „Eine eigene Wohnung“, sagt sie und erzählt, dass sie mit ihrer 22-jährigen Tochter in einem Zimmer schläft. „Ich will arbeiten und selbst Geld verdienen“, sagt der Ehemann. Damit sprechen beide genau das aus, worum es bei der Kampagne geht.