Streit um Grenzwertüberschreitung in Gorleben

BI fordert Transporte-Stopp und Aufgabe der Pilot-Konditionierungsanlage

"Es darf doch vor den Toren des Zwischenlagers demonstriert werden" – diese gemeinsame Fazit zogen die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) und die Gesellschaft für Nuklearservice (GNS), Betreiberin des Abfalllagers für schwach- und mittelaktive Abfälle, des Transportbehälterlagers und der Pilot-Konditionierungsanlage (PKA) in Gorleben. Damit hörten die Gemeinsamkeiten bei einer "Premiere" auch schon auf, denn erstmalig debattierten Wolfgang Kallen von der Fachgruppe Radioaktivität der BI und der Strahlenschutzbeauftragte der GNS, Hartmut Schulze, öffentlich um die Frage, ob in Gorleben mit der Einlagerung der Castor-Behälter im Jahr 2011 der Grenzwert von 0,3 Millisievert im Jahr überschritten wurde.

 

Über 60 Zuhörerinnen und Zuhörer folgten der Debatte am Mittwochabend im "Ratskeller" Lüchow, die vom NDR-Journalisten Karsten Schulz moderiert wurde. Dem war ein Novum vorausgegangen: Die BI-Experten haben nicht nur die Messergebnisse der GNS nachgerechnet, sie haben gemeinsam mit der GNS am 13. August 2012 auch auf dem Betriebsgelände gemessen und versucht, die Differenzen zu klären, nachdem im Vorfeld des 13. Castor-Transports im vergangenen Jahr der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) davor warnte, mit der Atommüllfuhre könnte der Grenzwert überschritten werden.


Seit der öffentlichen Auseinandersetzung um die Strahlenwerte hat sich einiges in Gorleben getan: Es wurden neue Messstellen eingerichtet und auch der ungünstige Punkt für die Strahlung wurde justiert. "Ohne die Kritik aus den Reihen der Atomkraftgegner hätte sich nichts bewegt", befand Martin Donat, der BI-Vorsitzende. Übereinstimmend sagen jetzt BI und GNS, dass am Zaun des Betriebsgeländes, also auch vor dem Tor des Zwischenlagers, keine erhöhte Aktivität zu messen sei, mit einer großen und entscheidenden Ausnahme: In nördlicher Richtung der Castor-Halle gibt es die kritische Ecke, dort würde die Strahlung sehr wohl den Grenzwert überschritten, so Wolfang Kallen (BI), und zwar in 2,5 Meter Höhe.

 

Die GNS kontert, sie dürfe laut Physikalisch-Technischer Bundesanstalt wegen eines Schotterwegs hinter dem Wall, vom dem auch Strahlung ausgeht, die Gammawerte mit dem Faktor Null einsetzen und erfülle dadurch die Genehmigungsauflagen, die GNS misst dort in 1 Meter Höhe.

 

Kallen hält den GNS-Fachleuten hingegen deren eigenen Messergebnisse und Rechenmethoden vor und kommt auf eine Jahresdosis von 0,333 mSV im Jahr 2008 und 0,329 mSV im Jahr 2011, selbst bei einer sehr konservativen Betrachtung sei der Grenzwert überschritten. Im Übrigen bleibt die Fachgruppe dabei, dass seit 2004 nur noch eingelagert werden konnte, weil ein zu hoher Strahlen-"Hintergrundswert" abgezogen wurde.


Der Widerspruch war am Ende in der Debatte nicht aufzuklären, die Kontrahenten verabredeten, sich die Zahlenreihen noch einmal anzusehen. Grundsätzliche Kritik gab es in der "Publikumsrunde". Die Castor-Halle ist für 420 Stellplätze ausgelegt und jetzt mit 113 Behältern belegt, doch schon sei die Strahlenbelastung am Anschlag oder drüber. Außerdem sei ein heißer Betrieb der PKA, in der Lagerbehälter geöffnet werden sollen, um hochradioaktive Abfälle umzupacken und möglicherweise auch zu zersägen, noch lange nicht vom Tisch.

 

"Wie konnte nur die Genehmigung für alle diese Anlagen erteilt werden?" fragte die BI. Ihr Sprecher Wolfgang Ehmke fordert das Ende der Atommüllfuhren: "Es darf nichts mehr rein und nichts mehr heraus, und die PKA darf niemals den Betrieb aufnehmen."

 

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