Antikapitalistischer Kongress in Thessaloniki

Antikapitalistischer Kongress in Thessaloniki

Vom 5. bis zum 7. September fand in Thessaloniki unter dem Motto „exit form the state of exception – no turning back to normality“ der Kongress zur direkten Demokratie und Vergesellschaftung der antiautoritären Bewegung Griechenland (A. K.) statt. Neben international besetzte Podien zur Frage der Selbstorganisation, u.a. mit Gästen aus Italien, den Niederlanden, Deutschland, Argentinien und den USA, gab es Veranstaltung sowie ein Treffen zum M31-Netzwerk und der Frage der grenzübergreifenden Vernetzung antikapitalistischer und antiautoritärer Gruppen.

 

An den Diskussionsveranstaltungen in der Universität Thessaloniki beteiligten sich jeweils mehrere hunderte Menschen, an den jeden Abend stattfindenden, ziemlich ausgelassenen Konzerten sicherlich mehrere tausend. Die Themenpalette war breit: Von der Frage nach der Nützlichkeit von Giorgio Agambens Begriffs des Ausnahmezustandes für das Verständnis der autoritären Krisenpolitik bis hin zu konkreten Diskussionen über die Selbstverwaltung von Fabriken war alles dabei. Die Bullen hielten sich bisher weitgehend zurück, erhöhten jedoch mit jedem Tag, an dem die große Demo gegen die Handelsmesse am folgenden Samstag näher rückt, ihre Präsenz in der Stadt und schikanierten und misshandelten z.B. auch AktivistInnen aus Deutschland auf dem Weg nach Hause.

Ein zentrales Thema war die Frage nach den Möglichkeiten grenzübergreifender Vernetzung in der Folge des „European Action Day against Capitalism“ am 31. März. Dazu gab es eine Veranstaltung mit Referenten von Umsganze und der CNT, sowie ein gemeinsames Treffen verschiedener Gruppen und Basisgewerkschaften aus dem M31-Netzwerk. Dabei wurde eine ganze Reihe von Punkten diskutiert. Unter anderem: Wie kann eine grenzübergreifende Vernetzung mit dem Problem der Ungleichzeitigkeit der Krisenprozesse in unterschiedlichen europäischen Ländern umgehen und welche strategischen Konsequenzen ergeben sich daraus? Denn während eine symbolische Praxis, wie sie – bei allen Unterschieden – M31 und Blockupy in Deutschland doch waren, wahrscheinlich Sinn macht um den von Standortnationalismus geprägten gesellschaftlichen Diskurs zu drehen, stellt sich die Situation in Griechenland ganz anders da. Trotz (spektakulärer) Riots und Demonstrationen hat hier sich am Kurs der Plünderung der sozialen Infrastruktur nicht viel geändert. Für die radikale Linke dort stellt sich daher inzwischen unmittelbar die Frage nach dem praktischen Aufbau von Strukturen der Selbstverwaltung und Unterstützung. Auch die Idee gemeinsamer Kampagnen wurde weiter diskutiert. Die im Rahmen der Mobilisierung zu M31 häufiger geäußerte Idee, dass in verschiedenen Ländern gleichzeitig gegen bestimmte Unternehmen und Akteure der Krisenpolitik vorgegangen werden könnte um soziale Kämpfe (z.B. um die Vergesellschaftung der Wasserversorgung von Thessaloniki oder der Kampf gegen die Goldminen in Chalkidi) zu unterstützen, wurde weitgehend begrüßt. Allerdings wurde auch angemerkt, dass solche Kampagnen dazu tendieren können, die klassischen Fehler autonomer Stellvertreterpolitik zu wiederholen und ob daher nicht die grenzübergreifende Mobilisierung anhand bestimmter Oberthemen (Kampf gegen Workfare-Maßnahmen, Recht auf Stadt, Kampf gegen Migrationskontrolle, etc.) mehr Sinn machen würde. Eine (englische) Erklärung des Treffens der Gruppen aus dem M31-Netzwerk gibt es hier: http://de.indymedia.org/2012/09/334638.shtml

Insgesamt hat sich der Besuch des Kongresses auf jeden Fall gelohnt – auch weil deutlich geworden ist, wie weit die radikale und antiautoritäre Linke in Europa noch von einer wirklich grenzübergreifenden Vernetzung entfernt ist. Allerdings sind in der Diskussion auch einige Ansätze aufgetaucht, anhand der weitergearbeitet werden kann. Dafür wird es aber nicht zuletzt auch mehr Engagement der radikalen Linken brauchen. Wie heißt es so schön: Viel getan, viel zu tun.