Brauner Fleck auf weißer Weste

Erstveröffentlicht: 
26.08.2012

 Ein hoher Funktionär der Deutschen Burschenschaft (DB) darf als Kopf einer rechtsextremen Bewegung bezeichnet werden. Das hat das Bonner Landgericht entschieden. Die Frankfurter Studentenverbindungen gehen auf Distanz zu rechtsextremen Kommilitonen. Von Moritz Eisenach

 

Von Moritz Eisenach

 

Fuxmajor Michael Pollmeier von der katholischen deutschen Studentenverbindung Greiffenstein kann den Vorwurf des Rechtsextremismus nicht mehr hören.

 

Frankfurt. Fuxmajor Michael Pollmeier von der katholischen deutschen Studentenverbindung Greiffenstein kann den Vorwurf des Rechtsextremismus nicht mehr hören. Fotos: KammererDie "Frankfurt-Leipziger Burschenschaft Arminia" ist die einzige Frankfurter Studentenverbindung, die in der Deutschen Burschenschaft (DB) organisiert ist. Somit kann das Bonner Urteil gegen den Funktionär in ihrem Dachverband, den nunmehr offiziell rechtsextremen Norbert Weidner, auch Folgen für sie haben. Im Bruderzwist der Burschenschafter ist es zwar in erster Linie ein Etappensieg für Weidners Gegner, Christian Becker. Die Richter gestatteten dem PR-Unternehmer und Anführer des liberal-konservativen Lagers die Aussage, Weidner sei "höchstwahrscheinlich einer der Köpfe der rechtsextremen Bewegung, die aus Burschenschaftern, NPD und Kameradschaften besteht." Das Urteil ist aber auch eine weitere Eskalation des internen Streits, in dem nun auch die Zersplitterung oder sogar die Auflösung der DB diskutiert wird.

Daraus würde für die Arminia aus Frankfurt Handlungsbedarf entstehen. Man müsste sich zu einem der beiden Lager positionieren oder den Verlust einer übergeordneten Organisation in Kauf nehmen. Doch die schlagende und farbentragende Burschenschaft ließ mitteilen, der Streit in ihrem Dachverband sei dessen "interne Angelegenheit", man habe damit nichts zu tun.

Verbindungen in Frankfurt

In Frankfurt gibt es neben der Burschenschaft Arminia noch 18 weitere akademische Verbindungen. Die klassischen drei Typen sind die Landmannschaften, die traditionell mit den Turnmannschaften verbunden sind, die Corps und eben die Burschenschaften. Daneben gibt es in Frankfurt noch eine Rudererverbindung, eine Musikerverbindung, eine Schülerverbindung und einige konfessionelle Verbindungen – die meisten davon katholisch.

Pierre Kowalewski von der Studentenverbindung Frankfurt Main APL Hercynia.

 

Pierre Kowalewski von der Studentenverbindung Frankfurt Main APL Hercynia.Bei der Mitgliedschaft in Studentenverbindungen geht es um gelebte Tradition, lebenslange Freundschaften und Zusammenhalt. "Einer unser Grundsätze heißt Amicitia. Das bedeutet, dass alle Mitglieder eine Art Lebensbund eingehen, der über die Studienzeit hinausgeht", erklärt Michael Pollmeier (32) von der katholischen Verbindung Greiffenstein Breslau. Einige Verbindungen nennen das "Kameradschaft", andere geben sich einen moderneren Anstrich und wollen lieber Loyalität dazu sagen. Dennoch ist es die Faszination des Althergebrachten, die auch heute noch die Mitgliedschaft in einer Studentenverbindung ausmacht. Dazu gehört das gemeinsame Singen von altem deutschen Liedgut, das Tragen von Kluften, die meist schon seit Jahrhunderten die Form nicht verändert haben und in manchen Fällen auch das exzessive Trinken und das Fechten in sogenannten Waffenkreisen. Häufig ist ein Gefühl der Stärke vorhanden, das durch die Zugehörigkeit zu einer verschworenen Gruppe entsteht. Die klare Unterscheidung zwischen innen und außen und das Klären "der eigenen Angelegenheiten" ohne externe Einblicke sei wichtig, sagt Pierre Kowalewski, Sprecher der Alten Prager Landsmannschaft Hercynia in Frankfurt.

Ein weiterer Grundsatz, den die meisten Verbindungen pflegen, ist das Conventprinzip. Ein Convent ist eine Mitgliederversammlung, die nach bestimmten Regeln abläuft. Je nach Anlass kommt nur die Aktivitas, das sind die im Studium befindlichen Mitglieder. Etwas seltener sind auch die Alten Herren zu Gast. So werden Mitglieder genannt, die schon berufstätig sind. Der Vorsitzende wird als Senior bezeichnet, dazu gibt es noch den Consenior (Stellvertreter), den Skriptor (Schriftleiter) und den Kassier. Hier werden alle Entscheidungen gefällt, welche die jeweilige Verbindung betreffen. Externe haben keinen Zugang.

Nervige Gleichmacherei

"Bei uns wirkt alles ein bisschen komisch, weil die Utensilien traditionell sind. Aber letztlich sind wir normale Jungs, die über Politik und Gesellschaft streiten und dabei ein Bier trinken", beschreibt Thomas Pionteck (23) den Alltag in seiner Verbindung Hasso-Nassovia in Frankfurt. Der junge Mann ist schon mit dem Studium der Wirtschaftsinformatik fertig, darf sich Alter Herr nennen und sitzt im Verbindungshaus im Oeder Weg hinter einem langen Holztisch. Darauf liegt der Vollwichs, die traditionelle Uniform der Verbindung, in mehrfacher Ausführung.

Fragt man die Mitglieder, gibt es natürlich zwischen den verschiedenen Arten von Verbindungen mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten. "Wir sitzen immer zwischen den Stühlen", beklagen die Mitglieder der Turnerschaft Gothania Jnensis. In der vor allem auf den Sport bezogenen Verbindung werden auch Frauen aufgenommen. Wencke Lah (23) ist genervt von der Gleichmacherei. "Den Männerbünden sind wir zu liberal, und alle anderen halten uns für eine rechtsextreme Burschenschaft", berichtet sie von dem schweren Stand als "weltoffene Verbindung." Der Frauenanteil in Studentenverbindungen liege höchstens bei fünf Prozent, schätzt Lah. Da sei man schon exotisch, wenn man Frauen aufnehme.

Auf den Kneipen, wie Mitglieder die Semesterpartys der Verbindungen nennen, "singen wir auch Lieder mit Texten von Bert Brecht", erklärt Jan-Albrecht Harrs (21), ebenfalls bei der Gothania. Die ersten beiden Strophen der deutschen Nationalhymne seien bei der Gothania "vollkommen tabu." Auch habe man die "politisch doch recht weit links stehenden Occupy-Aktivisten während der Demos in Frankfurt gerne im Verbindungshaus beherbergt", berichtet Harrs.

Pressen, paulen, pabsten

Der permanente Vorwurf des Rechtsextremismus "hängt mir zum Hals raus", schimpft auch Pollmeier. Bei der Greiffenstein Breslau ist der 32-Jährige der Fuxmajor. Er kümmert sich um die Integration der Füxe. So werden die Neuankömmlinge genannt, bevor sie in Form eines Rituals zu Burschen werden. Pollmeier ringt vor Wut mit Fassung: "Die Burschenschaften kriegen es einfach nicht hin, ihre braune Suppe auszulöffeln. Ich wäre heilfroh, wenn die DB sich auflösen und splitten würde. Dann könnten wir uns endlich klar gegen die Rechten positionieren", macht er seinem Ärger Luft. Er kenne die Arminia in Frankfurt, "die sind oft am Pressen, Paulen und Pabsten." Damit meint der Fuxmajor, dass die Burschenschafter viel trinken, dann Herumpöbeln und sich gezielt übergeben. "Die haben ihre Eimer gleich mitgebracht." Auch seien beim Besuch der Arminia im Haus der Greiffenstein "einige markige Sprüche" gefallen. Jedes zehnte Wort sei "Heil" gewesen.

Auch die Corps und die Landmannschaften verwahren sich gegen rechts. Kowalewski von der Hercynia spricht offen über die Eskalation des Bruderstreits bei den Burschenschaften. Als Senior der ebenfalls schlagenden und farbentragenden Alten Prager findet er, dass die "Meinungsfreiheit wohl neben der Glaubensfreiheit das höchste Gut" in der Demokratie ist. Er könne verstehen, dass die Gerichte "hier den Maßstab weit anlegen." Die Aussagen des liberal-konservativen Revoluzzers bei den Burschenschaftern, Becker, sieht Kowalewski aber auch als eine "Brandmarkung" Weidners an, dessen Wahrheitsgehalt er nicht beurteilen könne, die Weidner aber "auf lange Zeit zur Persona non grata" machten. Man solle jetzt nicht jeden Burschenschafter als Teil einer rechtsextremen Organisation ansehen. Und die "DB sollte man noch nicht aufgeben", so Kowalewski weiter.

Das Frankfurter "Corps Austria" äußerte sich ebenfalls zum Thema. Stefan Koch, Mitglied der Verbindung, teilte mit, das Corps sei "weltoffen" und trete für Toleranz ein. "Radikalen oder gar extremen politischen Meinungen bieten wir keine Heimat", hieß es weiter. Damit unterscheide sich das Corps von vielen Burschenschaften, die traditionell auch politische Ziele verfolgten. Es sei bedauerlich, "dass der Fall Weidner gegen Becker geeignet ist, ein Bild von Studentenverbindungen zu zeichnen, welches Vorurteile schürt, aber allgemein nicht zutrifft".

Die Frankfurter Burschenschaft Arminia konnte allerdings nicht zur Auflösung der Kischees beitragen.