Russland: Journalist Kamalov ermordet

Khamalov redet auf einer oppositionellen Demonstration in der dagestanischen Hauptstadt Makhachkala 2008

In der russischen Provinz Dagestan wurde am letzten Donnerstag, dem 15. Dezember 2011, der Journalist Khadzhimurad Kamalov ermordet. Kamalov war Chefredakteur der Wochenzeitung Chernovik und berichtete kritisch über Menschenrechtsverletzungen und Korruption in der Provinz. Auch die staatlichen Sicherheitskräfte standen im Fokus seiner Recherchen. Kamalov, der bereits seit 2009 auf einer Todesliste stand, wurde mit 14 Schüssen vor seinem Büro niedergeschossen. Der Mord an Kamalov stellt eine weitere schwerwiegende Attacke gegen auf Freiheit und Emanzipation in Russlan. Er ist ein weiteres Beispiel, wie verdienstvoll zivilgesellschaftliches, journalistisches, juristisches und natürlich auch linksradikales und emanzipatorisches Engagement in Russland ist.


Zur genaueren Information habe ich einen Artikel aus der britischen Zeitung "The Guardian" übersetzt, der hier zur Verfügung steht. Es sei an praktische Solidarität mit allen emanzipatorischen Aktivitäten und Bewegungen in Russland, Osteuropa und Zentralasien appelliert!

 

Übersetzter Artikel aus dem Guardian:

 

Russischer Journalist in der unruhigen Republik Dagestan niedergeschossen
Maskierter Killer feuerte 14 mal auf Khadzhimurad Kamalov, als dieser das Büro seiner Zeitung in Makhachkala verließ


Von Tom Parfitt und Miriam Elder, Moskau

Der prominente Gründer einer unabhängigen Zeitung in der instabilen Republik Dagestan wurde erschossen. Der Mord reiht sich in die jüngste Serie von Morden an russischen Journalisten ein.

Khadzhimurad Kamalov (46) wurde in der Hauptstadt Makhachkala auf offener Straße erschossen, als er nach Redaktionsschluss der Zeitung Chernovik aus seinem Büro kam.

Der Mord wird abschreckende Auswirkungen auf die Pressefreiheit in Dagestan haben. Dagestan ist eine muslimische Teilrepublik Russlands am Kaspischen Meer, die sich im Gegensatz zum diktatorischen Regime im benachbarten Tschetschenien eine pluralistische Presselandschaft erhalten konnte. Dieser jüngste Mord erschüttert eine Republik, die ohnehin bereits durch islamistische Aufstände und durch das harte Vorgehen lokaler Sicherheitsdienste destabilisiert wird.

Ein maskierter Killer schoss Berichten zu Folge 14 mal aus einem schwarzen Lada Priora auf Kamalov, der auf dem Weg ins Krankenhaus starb.

Hunderte Menschen nahmen an seiner Beerdigung am Freitag teil.

Die Ermittlungsbehörden sagten, der Mord könnte in Zusammenhang mit Kamalovs Arbeit bei der Wochenzeitung Chernovik stehen. Der Mord fand am russischen Gedenktag für ermordete Journalisten statt.

Das Komitee zum Schutz von Journalisten verurteilte den Mord. „Die Ermordung von Ghadzhimurad Kamalov ist ein massiver Rückschlag für den unabhängingen Journalismus im nördlichen Kaukasus, der gefährlichsten Region für Journalisten in Russland“, gab das Komitee bekannt.

„Er stand immer für Einigkeit und Frieden ein und dafür in den Dialog zu treten“, sagte Magomed Magomedov, der Präsident Dagestans. „Sein Tod ist ein großer Verlust, nicht nur für Journalisten, sondern auch für die gesamte Republik.“

Kamalov war einer von acht Journalisten, die auf einer „Todesliste“ standen, welche 2009 anonym in Makhackkala verbreitet wurde. Die Autoren dieser Liste sagten, sie würden Rache für die toten Polizisten und Zivilisten bei den Unruhen in Dagestan üben wollen und fassten Kamalov ins Visier, da er angeblich mit den Rebellen sympatisieren würde.

„Ihr sollt wissen, dass wir euch im Visier haben und dass schon bald jeder einzelne von euch für seine Aktivitäten bezahlen wird“, hieß es in dem anonymen Papier.

Hunderte protestierten in den vergangenen Wochen gegen die Sicherheitsdienste der Republik, gegen die Vorwürfe von weitgehenden Menschenrechtsvergehen und Entführungen vorliegen. Am 25. November forderte eine 3000-köpfige Demonstration in Makhachkala ein Ende der Gesetzlosigkeit unter den Sicherheitsdiensten.

Der Mord an Kamalov wirft in sofern ein erneutes Licht auf die Forderungen des Kremls nach Ruhe in Dagestan, als dass dieser es vermeidet eine Strategie zu entwickeln, um mit der wachsenden Gewalttätigkeit in der Republik fertig zu werden.

Moskau hat 15 Milliarden US-$ in die instabilen Kaukasus-Regionen, darunter auch Dagestan, investiert, um den Ski-Tourismus zu fördern, während der in Dagestan geborene Oligarch Suleiman Kerimov Milliarden ausgibt, um weltbekannte Fußballer zum lokalen Klub Anzhi zu holen, um ein kleines bisschen Normalität in der Republik zu demonstrieren.

Magomedov sagte, der Mord an Kamalov sei „das Werk von Menschen, die keinen Frieden und keine Stabilität in unserer Gesellschaft wollen, die keine Entwicklung wollen. Sie wollen die Situation anheizen, um Chaos in der Republik zu säen.“

Chernovik, eine der meist respektierten Publikationen im nördlichen Kaukasus, hat seine Reputation durch das Entlarven von Korruption und Menschenrechtsverstößen durch die staatlichen Sicherheitskräfte erhalten, die die islamistischen Aufstände in Dagestan noch weiter anheizen. Die Aufstände in Dagestan sind die heftigsten in der Region und kosten jedes  Jahr hunderte von Menschen das Leben.

2008 wurden die damalige Chefredakteurin der Zeitung Nadira Isayeva und weitere Journalisten mit Extremismus-Vorwürfen belastet, aufgrund eines Artikels, in dem der Jihadist Rappani Khalilov zitiert wurde. Die Vorwürfe wurden dieses Jahr fallen gelassen.

Isayeva verließ allerdings Dagestan im Sommer, nach sie Opfer einer Schmutz-Kampagne wurde, in der eine angebliche Tonaufnahme eines sexuellen Telefongesprächs von ihr verbreitet wurde. Die Schmutzkampagne war verheerend für die konservative Muslima Isayeva und übte massiven Druck auf die Chernovik-Reporter aus.

Tanya Lokshina, die stellvertretende Direktorin von Human Rights Watch in Moskau, sagte: „Kamalovs Tod ist schrecklich und er wird monströse Auswirkungen auf die Pressefreiheit in Dagestan haben. Er hatte viele Feinde aufgrund der Chernovik-Artikel über korrupte Geschäfte und die Verwilderung der lokalen Siloviki [staatliche Sicherheitskräfte].“

Lokshina fügte hinzu: „Selbst wenn es ein persönliches Motiv für den Mord an ihm gegeben haben sollte, dann wurde dieser möglich, weil die russischen Behörden dort eine Athmosphäre von kompletter Straffreiheit florieren lassen.“

Es gab eine lange Reihe an Morden an Reportern und Aktivisten in Russland in den letzten Jahren. Paul Klebnikov, der Chefredakteur der Russland-Edition von Forbes wurde 2004 in Moskau ermordet und Anna Politkovskaya, eine engagierte Novaya Gazeta Korrespondentin, die über Tschetschenien berichtet hatte, wurde 2006 tot im Lift ihres Appartment-Blocks gefunden.

Unbekannte ermordeten 2009 Natalya Estemirova, eine Menschenrechtsaktistin, und versteckten ihre Leiche auf einem Feld in Inguschetien, eine andere unfriedliche Kaukasus-Republik.