Die „Claqueure“ mucken auf - Freiburger Stadträte kritisieren laut, was ihnen am PAPST-BESUCH nicht behagt

Wegen des Papst-Besuchs in eine Mondlandschaft verwandelt: das Freiburger Flugplatzgelände
Erstveröffentlicht: 
28.08.2011

Der Papst-Besuch in Freiburg beschäftigt zunehmend die politischen Gemüter. Manchem Stadtrat geht der logistische Aufwand für Benedikt XVI. inzwischen deutlich zu weit.
Verärgert hat sich die SPD-Fraktion des Gemeinderats in dieser Woche an Oberbürgermeister Dieter Salomon gewandt. Die Umbauten am Flugplatz für den Papstbesuch seien „völlig überzogen“ und in diesem Ausmaß vorher nicht bekannt gewesen, kritisiert der umweltpolitische Sprecher der Fraktion, Hans Eßmann.
Empört ist er darüber, dass die Stadträte nur lapidar über die laufenden Arbeiten informiert worden seien. Es gebe zwar ein Informationsschreiben, die Eingriffe in die Landschaft seien aber auf wenigen Zeilen abgehandelt.


Der SPD-Stadtrat hat den Eindruck, dass die Stadtverwaltung mit zweierlei Maß misst: Während bei anderen Verfahren „penibel“ auf naturschutzrechtliche Belange geachtet werde, würden nun die üblichen Verfahren „völlig außer acht gelassen“, ärgert sich Eßmann: „Wenn der Papst kommt, dann scheint alles recht zu sein.“

 

Er sei „entsetzt“ gewesen, als er die Bauarbeiten am Flugplatz gesehen habe. Der „halbe Wolfsbuck“ sei kahl gemacht worden. Tatsächlich hat sich die ehemals grüne Fläche inzwischen in eine Mondlandschaft verwandelt. Es sei mehr Erde bewegt worden, als ursprünglich geplant, gibt der Leiter der städtischen Papst-Arbeitsgruppe, Günter Burger, zu. Das liege daran, dass der Altar und die Fläche für die Besucher inzwischen etwas Richtung Westen auf das Gelände der elften Fakultät der Universität verlagert wurden. Die Wiese auf diesem Gelände war jedoch tiefer und weniger eben als der Flugplatz und musste deshalb stärker eingepflügt werden. Ökologisch habe dies aber sogar Vorteile, erklärt Burger. Denn das Gelände der elften Fakultät ist offiziell Bauland, die Wiese nicht so hochwertig wie der „Magerrasen“ auf dem Flugplatz.

Keine Sorge müssten sich Naturschützer um die braunfleckige Beißschrecke machen, sagt Burger. Durch ihr Biotop am Flugplatz werden zwar zwei Zugangswege für die Besucher hindurchführen. Damit das Insekt dabei keinen Schaden nimmt, soll es ausgetrickst werden. Die Wegetrassen wurden ganz kurz gestutzt. Dadurch soll die Beißschrecke dazu animiert werden, ihre Eier in den nicht gemähten Zonen abzulegen. Burger verspricht, dass der Flugplatz nach dem Papstbesuch wieder genauso aussehe wie zuvor und dass alles wieder zurückgebaut werde. SPD-Stadtrat Eßmann hat Zweifel daran, ob die hohen Kosten und die Einschränkungen für die Stadt durch den Papstbesuch noch zu legitimieren seien.
Er glaubt nicht, dass es letztendlich bei den von der Stadtverwaltung anvisierten 300,000 Euro bleiben wird.Mit dieser Befürchtung steht er im Stadtparlament keineswegs allein. Sein Parteifreund Walter Krögner kritisiert, dass seit Wochen leitendes Personal der Stadtverwaltung nicht mehr für das Gemeinwesen, sondern für den Papst-Besuch arbeite.
„Dies könnten wir leichter in Kauf nehmen, wenn der Papst für eine fortschrittliche Kirche
stünde“, sagt Michael Moos von den Unabhängigen Listen. Ärgerlich findet Eßmann vor allem, wie wenig die Stadträte als Vertreter der Bürger in die Entscheidungsprozesse um die Papst-Visite einbezogen würden: „Alles wurde über unsere Köpfe hinweg entschieden. Währenddessen gleichzeitig verlangt wird, dass wir die Claqueure spielen und bei der Veranstaltung noch Beifall klatschen.“

Die beiden Stadträte der Grünen Alternative, Monika Stein und Coinneach McCabe, brandmarkten diese Woche in einer öffentlichen Erklärung die aus ihrer Sicht fragwürdige politische Nähe der Stadtverwaltung zum Papst-Besuch: „Die Haltung der Kirche zur Gleichberechtigung von Frauen und der Daseinsberechtigung unterschiedlicher Lebensweisen ist für eine offene Gesellschaft inakzeptabel. Dies ignoriert die Stadtverwaltung komplett.“ Die Grüne Alternative geht sogar so weit, die Papstfreundlichkeit der Stadtverwaltung in einem Atemzug mit einer unterstellten unkritischen China-Politik zu nennen.
„Es gibt auch Kritik, die überzogen ist“ sagt der Stadtrat der Grünen, Helmut Thoma. Nichtsdestotrotz engagiert auch er sich in der Initiative „Freiburg ohne Papst“ und macht keinen Hehl daraus, dass er wie so manch anderer Stadtrat die kirchlichen Einladungen zum Papst-Besuch nicht annehmen werde.

Für Furore sorgte zudem ein Gerücht, wonach die Stadtverwaltung bei einer Werbefirma einen Kostenvoranschlag für ein Riesentransparent eingeholt habe, hinter dem die Flüchtlingsbaracken am Flugplatz verschwinden könnten. Denn dort fährt der Papst auf seinem Weg zum Gottesdienst vorbei. Inzwischen haben sich die Stadtverwaltung und die Kirche gegen den Vorwurf gewehrt. „Das ist ein frei erfundenes Gerücht“, so Bürgermeister Otto Neideck (CDU). „Völliger Quatsch“, kommentiert Robert Eberle, Pressesprecher des Erzbistums.

 

BEATE BEULE
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