„Treue Parteisoldaten“: Wie die NPD in den Leipziger Stadtrat kam

NPD 2009

Ein Blick zurück: Vor zwei Jahren, im Juni 2009, wurden zwei NPD-Mitglieder in den Leipziger Stadtrat gewählt. Damit konnte die Nazi-Partei in der Messestadt erstmals einen kommunalpolitischen Erfolg erzielen. Gebracht hat ihr das nicht viel – die Rathaus-Auftritte der NPD-Abgeordneten Rudi Gerhardt (l.) und Klaus Ufer (r.) sind skurril und stellen ihr menschenfeindliches Weltbild bloß.

 

Unzufrieden trotz Erfolg

Durch einen flächendeckenden Antritt in allen Wahlkreisen mit Hilfe von insgesamt 23 Kandidaten und der Unterstützung durch „Freie Kräfte“ erhoffte sich die NPD in Leipzig außergewöhnliche Stimmengewinne. Am Wahltag, dem 7. Juni 2009, profitierte die Partei aber vor allem vom Fehlen der Fünf-Prozent-Hürde.

Erfolg hatte dabei Rudi Gerhardt (geb, 1951, arbeitsloser Lokomotivführer), der im Nordost-Wahlkreis 1.774 Stimmen bekam (4,4 Prozent). Außerdem konnte Klaus Ufer (geb, 1940, arbeitsloser Sanitärinstallateur) im Ost-Wahlkreis 1.808 Stimmen ergattern (3,8 Prozent). Hochgerechnet auf das ganze Stadtgebiet erhielt die NPD fast 15.000 Stimmen – das sind 2,9 Prozent –, wobei jede WählerIn drei Stimmen an dieselbe oder unterschiedliche KandidatInnen vergeben konnte.

Das Ergebnis war vergleichbar mit Kommunalwahlen in anderen ostdeutschen Städten, aber alles andere als ein Durchbruch. Obwohl man laut Parteipostille „Deutsche Stimme“ in der Messestadt ein „phänomenales Ergebnis“ eingefahren habe, hat die Partei die Wahl wegen Zählfehlern in fünf Bezirken angefochten. Herausgekommen ist eine Wahlwiederholung, was das Zusammentreten des neuen Stadtrats um drei Monate verzögerte. Laut NPD-Kreisverband habe man „dem System“ und dem „Rathausfilz“ dadurch eine „schallende Ohrfeige“ verpasst.

Zweck der Übung war aber ein anderer: Weil die NPD in Orten wie Riesa durch Nachwahlen noch zusätzliche Mandate erhaschen konnte, wurde in Leipzig der Wunsch zum Vater des Gedankens. Denn obwohl etwa in Grünau und Lindenau überdurchschnittliche Ergebnisse eingefahren wurden, genügte es für die NPD-Kandidaten in diesen Wahlkreisen nicht für ein Mandat. Das änderte sich allerdings auch in der zweiten Wahlrunde nicht.

 

Ein körperbetonter Wahlkampf

Dabei hatte sich die NPD für den Wahlkampf energisch ins Zeug gelegt. Das ist wörtlich zu verstehen: Fast täglich waren Plakatierungs-Trupps in Leipzig unterwegs, und die machten sich zugleich bei der Konkurrenz zu schaffen. Am 19. Mai 2009 rissen NPD-Wahlkämpfer im Leipziger Osten dutzende Plakate von SPD und Die Linke von den Laternen. Am Abend darauf wurden unter anderem der NPD-Kreisvorsitzende Helmut Herrmann und der Landesvorsitzende Winfried Petzold nahe des Völkerschlachtdenkmals von der Polizei beim „Umplakatieren“ erwischt. Und bei einem Büro der Partei „Die Linke“ in Lindenau wurden in diesen Tagen zwei Mal die Scheiben eingeworfen.

Zur gleichen Zeit klagte der NPD-Kreisverband jedoch über „roten Wahlkampfterror“ – und setzte auf seiner Website ein „Kopfgeld“ auf Menschen aus, die sich angeblich an NPD-Propaganda vergehen. Gesagt, getan: Kandidat Istvan Repaczki griff am 13. Mai 2009 in Grünau einen Jugendlichen mit einem Messer an. Repaczki und sein Kompagnon Tommy Naumann, der ebenfalls in den Stadtrat einziehen wollte, waren auch beteiligt, als in der Nacht zum 4. Mai 2009 etwa 15 „Kameraden“ im Südwesten der Stadt NPD-Plakate aufhingen und bei dieser Gelegenheit PassantInnen bedrohten.

 

Maroder Kreisverband

Dass die NPD überhaupt zur Stadtratswahl angetreten ist, war für Außenstehende überraschend. Vor der Eröffnung des NPD-„Bürgerbüros“ in Lindenau Ende 2008 fiel die Partei an der Pleiße nur durch unregelmäßige Mitglieder- und Vortragsveranstaltungen auf, die allesamt konspirativ geplant wurden, aber kaum ungestört blieben. Das Fehlen eigener Räume – nacheinander mietete man sich in der Gartensparte “Trommelholz” in Möckern, im “Haus Leipzig” in der City und in der Kneipe “Lokomotion” in Connewitz/Lößnig ein – verhinderte eine kontinuierliche politische Arbeit und war bisher gewiss ein Faktor des Misserfolgs. Und der prägte die rechte Kommunalpolitik bislang:

Beispielsweise war im April 2005 Peter Marx auf Anweisung des Bundes- und Landesvorstands für die NPD in den Wahlkampf um den Posten des Leipziger Oberbürgermeisters geschickt worden. Die magere Ausbeute waren 4.155 Stimmen, das sind 2,4 Prozent. Der wegen Wahlbetrug vorbestrafte Marx war beim Leipziger Kreisverband äußerst unbeliebt, wurde u.a. als „Wanderarbeiter des Parteivorstandes“ geschasst. Tatsächlich wurde kurz nach den geplatzten Bürgermeister-Träumen bekannt, dass Marx Partei-Informationen an den Verfassungsschutz verkauft haben soll. In Sachsen ließ er sich danach nicht mehr blicken.

Damit wiederholte sich ein peinliches Debakel aus dem Jahr 1997. Damals wollte Günther Deckert, der kurz zuvor den Parteivorsitz an Udo Voigt abgeben musste, Oberbürgermeister-Kandidat in Leipzig werden. Das gefiel den hiesigen Nazis aber gar nicht, am wenigstens dem Leipziger Jürgen Schön, seinerzeit stellvertretender NPD-Landesvorsitzender. Unter seinem Einfluss stellte sich der Landesverband sukzessive hinter Voigt. Der umstrittene Deckert war zur selben Zeit u.a. wegen Volksverhetzung und Holocaust-Leugnung ohnehin inhaftiert, versuchte aber noch aus dem Knast heraus, „Kameraden“ hinter sich zu scharen, die seine Kandidatur unterstützen – vergebens.

Später wurde Deckert aus der Partei ausgeschlossen. Schön ist 2005 freiwillig aus der Partei ausgetreten – er war wegen seiner „konservativen“ Politik kritisiert worden, vor allem, weil er die Zusammenarbeit mit Kameradschaften ablehnte und von Aufmärschen abriet. Und den Bürgermeister-Kandidaten Marx mochte er zum Ärger Voigts und des Landeschefs Holger Apfer auch nicht verantworten.

 

NPD-Kandidaten 2009

 

Dünne Personaldecke

Hatte sich die Partei, abgesehen von diesen beiden Episoden, bisher aus der Leipziger Kommunalpolitik herausgehalten, wollte sie 2009 plötzlich mit 23 Kandidaten flächendeckend in allen zehn Wahlkreisen der Stadt antreten. Einen ähnlichen Aufwand treibt die NPD in anderen Großstädten, abgesehen von Berlin, nicht.

Dabei lag der Leipziger Kreisverband über Jahre völlig brach. Nach internen Parteiangaben gehören ihm unter Führung Helmut Herrmanns zwar rund 100 Mitglieder an und noch immer gilt er als die mitgliederstärkste Gliederung in Sachsen (insgesamt 800 Mitglieder). Allerdings soll die Leipziger NPD in der zweiten Hälfte der 90er Jahre noch drei Mal so viele Anhänger gezählt haben. Ein Blick auf benachbarte Verbände wie etwa den in Nordsachsen mit gerade einmal 37 Mitgliedern zeigt außerdem, dass es sich bei einem Fünftel davon um Karteileichen handelt, die weder Beiträge entrichten, noch an Verbandsversammlungen teilnehmen.

Bezogen auf Leipzig fällt das Bild noch drastischer aus, wenn man bedenkt, dass es sich bei den Stadratskandidaten vor allem um Personen handelte,

  • die zuvor noch nie für die NPD in Erscheinung getreten sind, geschweige denn kommunalpolitische Erfahrungen haben, wie etwa Axel Radestock, dessen Parteiarbeit darin aufgeht, im Hintergrund die Website des Kreisverbandes zu administrieren;
  • die weder aus Leipzig kommen noch zum Kreisverband gehören und sich wie Winfried Petzold auf die Adresse des Nazi-Zentrums in der Odermannstraße 8 ummelden mussten, um überhaupt antreten zu dürfen. Selbst NPD-Stadtrat Rudi Gerhardt ist der Partei und dem Kreisverband erst Anfang 2009 beigetreten, also unmittelbar vor Beginn des Wahlkampfes;
  • die gar keine Partei-Mitglieder sind, sondern aus den Reihen der “Freien Kräfte” kommen und die, wie Tommy Naumann, bei vielen Gelegenheiten kein gutes Haar an der Partei lassen.

 

Das „Leipziger Modell“

Auch das war neu und hieß im Partei-Slang fortan „Leipziger Modell“: eine offene Zusammenarbeit mit der Kameradschafts-Szene, über die im Bundesverband jahrelang gestritten wurde. Auf der Kandidatenliste standen mit Tommy Naumann und Istvan Repaczki führende Aktivisten der “Freien Kräfte Leipzig”, die später unter “Freies Netz Leipzig” liefen und heute als “Aktionsbündnis Leipzig” firmieren. Naumann war bereits im April 2008 zum “Stützpunktleiter” der neu gegründeten “Jungen Nationaldemokraten” (JN) geworden und ist durch sein freiwilliges Andienen an die Partei zum Landeschef ihrer Jugendorganisation aufgestiegen.

Weiterhin griff die NPD zurück auf den Hooligan Nils Larisch, der für die NPD-Landtagsfraktion unter anderem als “Bodyguard” für Fraktionschef Holger Apfel arbeitet. Schließlich gesellten sich der noch der Hooligan Andreas „Bowale“ Siegel und Enrico Böhm hinzu, der die Hooligan-Gruppierung „Blue Caps“ im FC-Lokomotive-Umfeld anführt. Unnötig zu erwähnen, dass alle Fünf wegen diverser Körperverletzungen gerichtsnotorisch sind.

In den Stadtrat haben es die „Freien“ zwar nicht geschafft – für Böhm war es recht knapp –, aber für den Wahlkampf standen sie Gewehr bei Fuß und ließen sich im Februar 2009 von Parteichef Udo Voigt persönlich zu Kandidaten küren und sich in der Parteipresse als „treue Parteisoldaten“ rühmen. Der Lohn fürs Mitmachen: weitere Jobs für die „Freien“ bei der NPD-Landtagsfraktion.

 

NPD sieht sich im Anti-Terror-Kampf

In ihrem Kommunalwahlprogramm versprach die NPD, mit ihr werde eine „wahre Opposition“ ins Rathaus einziehen. Der Kreisvorsitzende Helmut Herrmann bezeichnete im Vorwort die „Ausländerinvasion“ als vordringliches politisches Problem. Angeblich entstünde speziell im Leipziger Osten ein „Klein-Arabien“ und ein „Multikulti-Ghetto“, das „Terroristen [!] und Drogenbarone“ beherberge.

Auf das rassistische Programm angesprochen, sagte Naumann wenige Tage vor der Wahl in einem Deutschlandfunk-Interview, dass er ein „Aussterben der Deutschen“ („Volkstod“) befürchte und es daher für ihn „eine Selbstverständlichkeit“ sei, „eine deutsch-nationalistische oder völkische Einstellung zu haben.” Repaczki fügte an, dass man sich durch die Stadtrats-Kandidaturen “kämpferisch gegen das System” stellen wolle.

 

Im Wahlprogramm: Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus

Die „kämpferischen“ Vorschläge des Parteiprogramms waren u.a. eine „Sondersteuer für Unternehmen, die Ausländer beschäftigen“, die „Trennung von ausländischen und deutschen Kindern in Schulklassen“ und die Abschaffung des Englisch-Unterrichts in Grundschulen. Außerdem wollte die NPD soziokulturellen Einrichtungen „den Geldhahn zugedrehen“ und „Entartungen“ im Kulturbereich verhindern. Laut Tommy Naumann, der das Schlusswort zum Wahlprogramm verfasste, zielen all diese Forderungen auf „echte Gemeinschaftswerte“ für die „deutsche Jugend“.

Mit zwei Ausgaben der Wahlkampf-Zeitung „Leipziger Stimme“ toppte die NPD selbst das. So wurde beispielsweise Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) in antisemitischer Manier unterstellt, er sei nach Israel gereist, um „Geldgeschenke als Tributzahlungen“ zu verteilen. Skandalisiert wurde ferner ein „Angriff auf die deutsche Identität“ – was sich daran zeige, dass ein „Türke“ in der Serie „Tatort“ [!] einen Polizeikommissar spielen durfte. Dies sei im Stile einer Verschwörung von der „antideutschen Medienmafia“ und dem „internationalen Finanzkapital“ so arrangiert worden, um die Deutschen „umzuerziehen“.

Daher trete die NPD für die „Abstammung“ als Grundlage einer „sozialen und gerechten Ordnung“ ein, denn „zu verschieden“ seien „die Völker in ihrem Wesen und ihrer Kultur.“ Kein Wunder also, dass jeder einzelne Punkt im Wahlkampfprogramm mit einer Variation der üblichen „Ausländer raus“-Forderung endete.

 

NPD-Wahlwerbung 2009

 

Zwei ganz kleine Lichter

Als die NPD im November 2009 im Stadtrat angekommen war, blieb von der „wahren Opposition“ nicht viel übrig. Das liegt am Wahlergebnis, das nicht genügt hat, um im Stadtrat eine eigene Fraktion zu bilden. So finden sich Klaus Ufer und Rudi Gerhardt in der Rolle fraktionsloser Hinterbänkler wieder: Sie können beispielsweise keine eigenen Anträge stellen, solange nicht weitere Parlamentarier für sie in die Bresche springen. Das passiert zum Glück nicht.

Auch Personalvorschläge der NPD bei der Besetzung von Ausschüssen, Gremien und Beiräten erzielen konstant nur die Ja-Stimmen der NPD-Abgeordneten. Und weil bei den Ratssitzungen zur mündlichen Beantwortung und Diskussion von Anfragen nur wenig Zeit eingeplant ist, die den Fraktionen vorbehalten bleibt, werden die Anliegen der NPD ausschließlich schriftlich abgehandelt. In einer schriftlichen Anfrage wollten die beiden Abgeordneten beispielsweise wissen, mit wie viel Geld die Stadt Leipzig die „Jüdische Woche“ unterstützt.

 

„Nationale Sachpolitik“

Bemerkenswert ist, welche Themen die NPD als „nationale Sachpolitik“ in den Stadtrat hieven will: Im Februar 2010 reichten Gerhard und Ufer einen Beschlussantrag zur „Einebnung“ des „sogenannten“ Ehrenhains der Opfer des Faschismus auf dem Leipziger Südfriedhof ein. Grund: Der Ehrenhain stehe als Symbol für die „kommunistische Diktatur“. An derselben Stelle sollte auf Wunsch der NPD ein Gedenkort für „anerkannte und international geachtete Leipziger Persönlichkeiten“ entstehen – vorgeschlagen wurden u.a. ein „Völkerpsychologe“ und ein NSDAP-Mitglied. Mangels Unterstützung wurde der Antrag gar nicht erst zur Beschlussfassung angenommen.

Einen weiteren Auftritt bekam die NPD, als der Stadtrat im Mai 2010 dem Euthanasie-Vordenker Karl Binding – kurz nach seinem Tod erschien 1920 das von ihm mitverfasste Buch „Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“ – die Ehrenbürgerschaft entziehen wollte. Zu diesem Thema ergriff Klaus Ufer das Wort und bezeichnete das „Werk“ Bindings als „vielseitig interpretierbar“. Ufer nannte es einen Skandal, dass es in Leipzig eine Rosa-Luxemburg- und eine Karl-Liebknecht-Straße gibt, wobei es sich bei den beiden von Freikorps ermordeten KPD-PolitikerInnen um die „wahren Antidemokraten“ handle. Zudem behauptete Ufer, der Stadtrat wolle „ein Exempel der politischen Korrektheit an einem vorbildlichen deutschen Rechtswissenschaftler“ statuieren. Die Rede endete mit den Worten „Ehre, wem Ehre gebührt.“

In der folgenden Abstimmung votierten nicht nur die beiden NPDler gegen die Aberkennung der Ehrenbürgerschaft, sondern auch drei weitere Abgeordnete, darunter der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion, René Hobusch. Eine Begründung für sein Votum gab der FDPler nicht an.

 

„Zünglein an der Waage“

Den skurrilsten Auftritt jedoch legte die NPD hin, als im Stadtrat über die Abwahl des Kulturdezernenten Michael Faber debattiert wurde: Ende 2010 stimmten Ufer und Gerhardt für dessen Abwahl und sorgten so für eine Zwei-Drittel-Mehrheit contra Faber. Damit spielten die NPD-Stimmen zum ersten Mal überhaupt irgendeine Rolle. Prompt wurde in einer Pressemitteilung behauptet, die NPD habe sich für das Rathaus zum „Zünglein an der Waage“ entwickelt. Hartmut Krien, Chef der Kommunalpolitischen Vereinigung (KPV) der NPD, sagte daraufhin: „Ich kann den Großmäulern der etablierten Parteien nur empfehlen, auf uns zuzukommen und mit uns zu besprechen, wie wir künftig miteinander umgehen werden.”

Was dann folgte, wurde erst nach Jahreswechsel bekannt, als rund 60.000 interne E-Mails der NPD an die Öffentlichkeit kamen. Das GAMMA fasste den Vorgang so zusammen:

Kriens Plan: In der zweiten Abwahl-Runde am 19. Januar 2011 sollten Gerhardt und Ufer – entgegen dem ersten Wahlgang – für den Verbleib Fabers im bisherigen Amt votieren. Krien schreibt dazu in einer E-mail: „Wenn es klappt, daß wir quasi als Bestrafung für unsere Ausgrenzung die Abwahl verhindern, wäre das ein Erfolg, der die bisherigen Nadelstiche weit in den Schatten stellt.”

Empfängerin dieser Zeilen ist eine Katrin Köhler, Chemnitzer NPD-Stadträtin und Landesvorsitzende des „Ring Nationaler Frauen” (RNF). Krien hält die Leipziger Abgeordneten [Ufer und Gerhardt] für zu begriffsstuzig, sie würden nur “schwerfällig” verstehen. Köhler soll daher im Partei-Auftrag deren Wahlverhaltens beeinflussen und überwachen: “Das Schwierige ist, daß sie anders abstimmen sollen als beim ersten Mal! […] Übermittle bitte den Beiden, daß das eine dringende Weisung ist. Ob man das Wort Befehl verwenden sollte muß Du in der Situation entscheiden.”

 

Eigenlob fürs Lügen

Krien wollte bewirken, dass die NPD als Gewinner aus der Abstimmung hervorgeht, ganz gleich, wie sie endet. Sollte der Kulturdezernent doch abgewählt werden, “müssen sie [Ufer und Gerhardt] behaupten sie hätten für die Abwahl also gegen Faber gestimmt”, so Kriens E-Mail-Anweisung. Besser sei es, “wenn sie absolut die Klappe halten […] Bei gelungener Abwahl bitte lügen!”

Faber wurde schließlich nicht abgewählt – und die NPD-Stimmen hatten auf den zweiten Wahlgang faktisch gar keinen Einfluss. Offenbar gelingt es der NPD im Stadtrat nur, mit solchen zweifelhaften Auftritten die Aufmerksamkeit zu erregen – oder, wie es Krien formulierte, indem man versucht, „die Kreise des Herrn Jung zu stören“, denn „Feind ist Feind“. In der Partei-internen Manöver-Auswertung wurde gelobt, dass es gelungen sein, „den gesamten Leipziger Rat und die Journaille aufzumischen.“

Nur hat davon außer der NPD niemand wirklich Notiz genommen.

 

Das Ende vom Lied

Bis zur nächsten Stadtratswahl werden noch drei Jahre ins Land gehen, so lange werden also auch Ufer und Gerhardt mit von der Partie sein. Im Gegensatz zum Landtag, wo die NPD-Fraktion regelmäßig durch Tabubrüche – z.B. dem Gerede vom „Bombenholocaust“ – auffällt und dadurch immer wieder den Sprung in die Medien schafft, ist die politische Ausbeute in Leipzig gering. Das gilt auch für den propagandistischen Wert der NPD-Aktivitäten im Stadtrat: Abgesehen von Flugblattverteilungen und Veranstaltungen im Lindenauer NPD-”Bürgerbüro” ist die Partei auf kommunaler Ebene praktisch nur über die Website des Kreisverbandes präsent. Die wurde allerdings kürzlich gehackt.

Dass Ufer und Gerhardt zur nächsten Wahl wieder ins Rennen geschickt werden, kann übrigens als ausgeschlossen gelten – parteiintern herrscht Unzufriedenheit mit den Leipziger Akteuren, die anstelle der Kader in den Stadtrat eingezogen sind. Die früher oder später aufbrechende Personaldebatte könnte dafür sorgen, dass sich die NPD weiter selbst zerlegt und ein nochmaliger Wahlantritt unmöglich wird.

Freilich gibt es eine Möglichkeit, den Kreisverband bis dahin bestmöglich zu schwächen: Genauso, wie er vor der Eröffnung des „Nationalen Zentrums“ in Lindenau quasi handlungsunfähig war, könnte er wieder in der Bedeutungslosigkeit versinken, wenn die Odermannstraße 8 endlich geschlossen wird.

 

Zum Weiterlesen