„Freiburger HundebissFall“

Heiner Amann (links), Leiter der Polizeidirektion Freiburg

Verfahren beim Landgericht Freiburg

Am 28. April 2011 um 9:00 Uhr wird am Freiburger Landgericht der Berufungsprozess im „Freiburger HundebissFall“ eröffnet – vier Jahre nach  dem Polizeieinsatz vom 7. April 2007 und über drei Jahre nach dem Verfahren am Amtsgericht Freiburg, in dem anstelle der Polizeibeamten das Opfer selbst verurteilt worden war.

 

Kingsley O., ein damals 42jähriger Deutscher nigerianischer Herkunft, hatte selbst die Polizei um Hilfe gerufen, weil eine verwirrte Passantin ein angebliches Verbrechen in einer Kneipe beklagte. Die Beamten konnten das vor Ort schnell klären, fragten aber O. nach seinem Ausweis und reagierten ungehalten, als dieser erklärte, zwar der Anrufer, aber kein Zeuge der vermeintlichen Tat zu sein und sich deswegen nicht ausweisen zu wollen; stattdessen wollte er zu seinem 8jährigen Sohn, der auf der anderen Straßenseite wartete. Anstatt die Situation in aller Ruhe kommunikativ zu lösen, beharrten die Beamten darauf, die Identitätsfeststellung unverzüglich und gewaltsam durchzusetzen. Und als ob vier  Polizisten nicht genug wären, um den friedlichen Mann zu überwältigen, holte einer von ihnen den ausgebildeten Polizeihund aus dem Wagen und setzte ihn gezielt auf O. an.

 

Der wurde vom Tier mehrfach gebissen, und zwar auch dann noch, als er laut unbeteiligten AugenzeugInnen bereits wehrlos am Boden lag. Der schockierende, für den Betroffenen und seinen Sohn traumatische Polizeiübergriff könnte durchaus rassistisch motiviert gewesen sein: Denn auf  Seiten der Polizei soll der Ausspruch „Hol mal den Hund – friss den Neger“ gefallen sein. Auf die Strafanzeige des Betroffenen hin erging ein Strafbefehl: Allerdings nicht gegen die Beamten, deren Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt eingestellt wurde, sondern gegen den Gebissenen selbst, der sich des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte strafbar gemacht haben soll. Tatsächlich wurde er im  anschließenden Strafverfahren am Amtsgericht Freiburg deswegen verurteilt, wobei Staatsanwalt und Richter die Verschärfung der Geldstrafe sogar mit dem „penetranten Nachtatverhalten“ des Angeklagten begründeten, nämlich seinen bis zuletzt formulierten RassismusVorwürfen gegenüber der Polizei.

 

Nachdem er gegen das rechtlich kaum überzeugende Urteil Berufung eingelegt hatte, versuchte O.s Verteidiger vergeblich, eine Einstellung des Verfahrens zu bewirken; die Staatsanwaltschaft bestand darauf, dass die Hundeattacke strafrechtliche Folgen (nur) für den Gebissenen haben sollte. Der lebt seitdem im Ausland und mag nach der zermürbenden Wartezeit nicht mehr an seine vollständige Rehabilitierung durch ein deutsches Gericht glauben. Das inzwischen wohl eingeschränkte Erinnerungsvermögen der gegen die polizeiliche Version aussagenden neutralen ZeugInnen dürfte seine Aussichten kaum erhöhen. Aber auch ein Besinnungswandel in der Justiz ist wenig wahrscheinlich, schließlich wäre ein Freispruch auch eine indirekte Verurteilung des angeblich einwandfreien Polizeieinsatzes. Da nur noch über die Höhe der Strafe gestritten wird, ist am 28. April 2011 eine kurze Verhandlung zu erwarten – der sich O. nicht aussetzen wird.

 

Nur in den seltensten Fällen gelingt in Deutschland die justizielle Aufarbeitung von polizeilichen Übergriffen. Zu erinnern ist etwa an die rechtskräftige Verurteilung zweier Polizisten wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt durch das Landgericht Freiburg im Sommer 2009: Sie hatten in der Nähe des Hauptbahnhofs einen montenegrinischen Staatsbürger verprügelt. Am Amtsgericht Freiburg waren sie noch freigesprochen worden – übrigens durch den gleichen Richter, der im HundebissFall den Gebissenen verurteilte. Das Strafverfahren wurde damals auch Amnesty International vorgelegt: „Seit 2004 haben 869 Personen Amnesty International über Probleme mit der Polizei informiert.

 

In 138 Fällen stellte Amnesty International weiterführende Nachforschungen an…. In dem im Juli 2010 veröffentlichten Bericht dokumentiert Amnesty International ernstzunehmende Vorwürfe von mutmaßlicher Misshandlung und unverhältnismäßiger Gewaltanwendung durch Polizeibeamte in Deutschland. Amnesty International schildert und kritisiert in dem Bericht, dass die Ermittlungen bei Anzeigen gegen Polizisten mangelhaft waren. (Bericht 2009 )

 

Mit dem Titel „Rassistische Diskriminierung in Deutschland unterbinden “ wurde 2009 ein weiterer Parallelbericht an den UNAntirassismusausschuss zum Bericht der Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 9 des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung vorgelegt. Auch ein drittes Gremium hatte sich mit der Situation in Deutschland befasst, vgl. nebenstehenden Artikel aus der Süddeutschen Zeitung vom 26.5. 09

 

akj – arbeitskreis kritischer juristinnen und juristen, freiburg (www.akjfreiburg.de)

freiburger friedensforum, stühlinger str. 7, 79106 freiburg (www.fffr.de)

südbadisches aktionsbündnis gegen abschiebungen, adlerstr. 12, 79098 freiburg (www.saga.rasthausfreiburg.org)

14.04.11