Etwa 75 Menschen haben am Mittwochabend an einer Gedenkkundgebung für den vor neun Jahren von einem Neonazi ermordeten Karl-Heinz T. teilgenommen. Sie kritisierten unter anderem, dass dieser bislang nicht offiziell als Todesopfer rechter Gewalt anerkannt wird. Das Gericht hatte damals nicht Sozialdarwinismus, sondern Alkoholeinfluss und Frust als wesentliche Tatmotive benannt. Am Donnerstag- und Freitagabend soll eine Theateraufführung an das Pogrom in Rostock-Lichtenhagen vor 25 Jahren erinnern.
„Das kann man nicht wegdiskutieren, eine Tat mit rechtem Hintergrund. Natürlich.“ Diese Einschätzung zu einem Mord am 23. August 2008 in Leipzig stammt nicht von einem Staatsanwalt, nicht von Journalisten, nicht von antifaschistischen Initiativen und auch nicht von einem Gericht. Es ist die Aussage des Strafverteidigers von Michael H., der den auf einer Parkbank am Schwanenteich schlafenden Obdachlosen Karl-Heinz T. zu Tode prügelte.
Prellungen, Brüche im Gesicht, Hirnblutungen und eine Halswirbelfraktur waren das unmittelbare Ergebnis der menschenverachtenden Tat. Genau zwei Wochen später erlag T. seinen Verletzungen. Obwohl selbst sein eigener Anwalt ihm ein rechtes Tatmotiv bescheinigte und bekannt war, dass er zuvor an einer von Neonazis organisierten Demonstration unter dem Motto „Todesstrafe für Kinderschänder“ teilnahm, sah das Gericht lediglich Alkohol, Frust und fehlende Reife als Ursache für die Handlungen. Bis heute ist Karl-Heinz T. kein offiziell anerkanntes Todesopfer rechter Gewalt.
Dass auch Sozialdarwinismus, also die Abwertung von beispielsweise obdachlosen oder behinderten Menschen, wesentliches Merkmal von Neonazis und anderen Rechtsradikalen ist, lässt sich beispielsweise auf der Homepage der Bundeszentrale für politische Bildung nachlesen. Die Innenministerkonferenz beschloss ebenfalls, Straftaten aufgrund des „äußeren Erscheinungsbildes“, einer Behinderung oder des „gesellschaftlichen Status“ als rechts motiviert zu werten. Der Fall Karl Heinz T. zeigt jedoch, dass die Behörden solche Motive häufig ausschließen, obwohl sie wahrscheinlich sind.
Um auf diesen Missstand und andere Probleme im Umgang mit Rassismus aufmerksam zu machen, veranstaltete die Kampagne „Rassismus tötet!“ am Mittwochabend eine Kundgebung am Schwanenteich. Etwa 75 Personen folgten dem Aufruf.
In den Reden wurde kritisiert, dass das Schweigen über solche Morde „allgegenwärtig“ sei und dieses gebrochen werden müsse. Ein angemessenes Gedenken werde häufig erst durch nichtstaatliche Akteure ermöglicht. Städte würden sich häufig davor drücken, Steine oder Tafeln aufzustellen, da diese schlecht für das eigene Image seien. Dabei sei es wichtig, sich zu erinnern, um Ursachen benennen und sich mit diesen auseinandersetzen zu können.
Auf der Kundgebung warben die Veranstalter auch für eine Antifa-Demonstration am 2. September in Wurzen. Die Stadt sei „exemplarisch für die rassistische Normalität in Sachsen und Deutschland“. Im Vorfeld gibt es bereits große Aufregung um diese Veranstaltung. Da die Anmeldung aus Kreisen der „Roten Flora“ stammt, malten einige Lokalmedien und -politiker bereits ein ähnliches Szenario wie bei der von der Polizei gewaltsam aufgelösten „Welcome to Hell“-Demonstration an die Wand.
Die Kampagne „Rassismus tötet!“ veranstaltet in den kommenden Tagen noch eine Theateraufführung, die sich mit dem Pogrom in Rostock-Lichtenhagen vor 25 Jahren beschäftigt. Diese findet am Donnerstagabend im Conne Island und am Freitagabend im Institut für Zukunft statt. Bereits im Juli führte „Rassismus tötet!“ eine Kundgebung in Gaschwitz durch, um an den von Rassisten ermordeten Nuno L. zu erinnern. Nur 20 Personen waren damals anwesend.