Linkes Ding in Leipzig Sind Conne Island und Werk 2 Brutstätten der Gewalt?

Erstveröffentlicht: 
16.08.2017

    •    Nach dem G-20-Gipfel in Hamburg wird die Förderung alternativer Kulturzentren hinterfragt.
    •    Belege für die Verstrickung der Leipziger Clubs in die Hamburger Krawalle gibt es aber nicht.
    •    Ortstermin im Conne Island und im Werk 2.

 

Es war im Dezember 2015, als das Werk 2 schon einmal in die Schlagzeilen geriet. Die Polizei riet dem Kulturzentrum im linksalternativen Leipziger Stadtteil Connewitz damals, wegen einer Neonazi-Demo vor der Tür doch bitte den traditionellen Weihnachtsmarkt für einen Tag zu schließen. Aus Sicherheitsgründen.
Der Markt zieht jedes Jahr tausende Besucher an, auch aus dem Umland, darunter viele Familien. Entsprechend groß war der Ärger. Am Ende blieb der Markt offen.


Nun wieder Schlagzeilen, wegen des G-20-Gipfels in Hamburg.


Kurz nachdem linksradikale Gewalttäter sich am Rande des Gipfels Anfang Juli Straßenschlachten mit der Polizei geliefert und randaliert hatten, ließ sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) mit dem Satz zitieren: „So etwas wie die Rote Flora, besetzte Häuser in Berlin und so etwas, was es in Connewitz in Leipzig gibt, kann man nicht hinnehmen.“ Stunden später titelte die Leipziger Volkszeitung (LVZ) in ihrer Online-Ausgabe: „De Maizière will Treffs der linken Szene in Leipzig-Connewitz schließen.“


Das hatte der Minister so explizit zwar nicht gesagt, aber die Debatte war damit in der Welt - und jeder in Leipzig wusste, wer gemeint war: das Werk 2 und das Conne Island, ebenfalls in Connewitz. Lokalpolitiker von CDU und AfD forderten prompt, die kommunale Förderung für beide Kulturzentren zu überprüfen beziehungsweise zu stoppen.


Wenige Tage später sprang auch Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf den Zug auf: „Wenn es notwendig ist, muss man sicherlich auch bei der Förderung genau hinschauen und überlegen, ob die eine oder andere Einrichtung zu schließen ist“, zitierte ihn die LVZ. Auch in Connewitz war zu Protesten gegen G 20 aufgerufen worden. Doch Belege für die Verstrickung der Clubs in die Hamburger Krawalle gibt es bisher nicht.


Sind alternative Kulturzentren in Leipzig Brutstätten linker Gewalt?


Was ist da bloß wieder los in Leipzig? Und was sind das eigentlich für Läden, das Conne Island und das Werk 2? Brutstätten linksautonomer Steinewerfer?
Im Conne Island wollen sie sich zu solchen Fragen gerade nicht äußern. Die Interviewanfrage des Reporters beantwortet ein gewisser Markus mit dem Hinweis, das Plenum habe sich dagegen ausgesprochen, man bitte das zu akzeptieren.


Im Werk 2 dagegen sind sie bereit zu reden. Ein Fabrikhof, verwitterte rote Ziegelgebäude. Schilder weisen den Weg zu einer Keramik-Werkstatt und einer Glasbläserei. Das hier ansässige Theater nennt sich „Connewitzer Cammerspiele“, die Kneipe daneben heißt „Connstanze“.


In Leipzig und im Umland ist das Werk 2 vor allem als Ort für Konzerte bekannt - Pop, Rock, Punk und Co. Auch kleinere, weniger bekannte Bands finden hier eine Bühne. 1.200 Besucher fasst die größte Halle auf dem Gelände. Jürgen Ackermann hat in einem ausrangierten Kinosessel auf dem Hof Platz genommen. „Seit der Sache mit dem Weihnachtsmarkt“, sagt er sarkastisch, „sind wir ja auch überregional bekannt.“


Werk 2 ist Anlaufstelle für Leute „von sechs bis 99“


Ackermann, 56, Schiebermütze, Sonnenbrille, blaues Kurzarmhemd, ergrauter Bart, ist der Chef hier, der Vorsitzende des Trägervereins. „Konzerte, Theater, Lesungen, Partys, wir machen alles, was auf einer Bühne geht“, sagt er. Oberstes Prinzip: „Wir sind offen für alle, egal welcher Hautfarbe, Nationalität oder sexuellen Orientierung.“ Das Werk 2, das ist aber auch die Kooperation mit dem Leipziger Tanztheater, dem Hörspielsommer oder der Handelshochschule. Das sind auch Glasbläserei, Grafikdruck- und Keramik-Werkstatt.


Dort steht Susanne Oppermann zwischen zwei großen Brennöfen, inmitten von Regalen voller Töpfe, Tassen und Teller. Im Raum hängt die Ruhe des letzten Dienstags der Ferien. Töpferkurse „für alle von sechs bis 99“ bieten sie hier an, aber noch ist Sommerpause. Die Keramikerin nimmt eine blaue, etwas unförmig geratene Tasse in die Hand. „Bei uns können auch Kinder schon ihre eigenen Gefäße gestalten“, sagt sie, „wir verwenden dazu keine Töpferscheibe, das wäre für Anfänger zu schwierig.“ Der Laden brummt, „wir sind überfüllt“, sagt sie.


Von Kinderhand gestaltete Tassen. Ein Weihnachtsmarkt, auf dem Filztaschen, Schmuck und Bücher angeboten werden. Theater und Konzerte. Senioren-Weihnachtsfeiern. Ein Hort gewaltbereiter Linksextremisten, hier?


Kein Club könne wissen, was seine Besucher sonst so machten, sagt Vereinschef Ackermann. Ja, auch das Bündnis „Leipzig nimmt Platz“, das sich seit Jahren gegen rechtsextreme Umtriebe und die mittlerweile untergegangene fremdenfeindliche Legida-Bewegung stemmt, habe hier schon Pressekonferenzen abgehalten und Demo-Teilnehmer mobilisiert. „Aber wenn das schon linksextrem ist“, knurrt Ackermann. Der Rest des Satzes verschwindet in seinem grauen Bart.


Conne Island im Visier der sächsischen Verfassungsschützer


Eigentlich mag er über die G-20-Debatte gar nicht mehr reden. „Wir wollen nicht über jedes Stöckchen springen“, sagt er. Und dann redet er doch. „Ein komplettes Unverständnis“ der Arbeit des Werks 2 attestiert er dessen Kritikern. Er zählt auf: 50 Mitglieder zählt der Trägerverein. 25 feste und freie Mitarbeiter kümmern sich um die Veranstaltungen. Jährlich werden zwei bis drei Jugendliche zu Veranstaltungstechnikern oder –kaufleuten ausgebildet. „Das muss man doch auch mal sehen“, meint Ackermann, „ein Kulturbetrieb, der ausbildet.“ Er betont die „professionelle Zusammenarbeit“ mit großen Konzertagenturen, die Firmen-Events und Hausmessen, die sie organisieren. „Da sind wir ein ganz normaler Wettbewerber am Markt.“


Die CDU-Politiker, die nun das Werk 2 im Visier haben, seien übrigens noch nie hier gewesen, sagt Ackermann. Und die Innenminister de Maizière und Ulbig? Auch nicht. Ackermann schüttelt den Kopf: „Ich weiß gar nicht, was es bei uns eigentlich zu kritisieren gibt.“


Vielleicht haben die Minister bloß Berichte ihrer Verfassungsschützer gelesen. Das Conne Island, der andere Club, um den es geht, war zeitweise vom sächsischen Verfassungsschutz beobachtet worden. Die Geheimdienstler öffneten Briefe und hörten Telefone ab. Der Verdacht: Gruppen aus dem Umfeld des Zentrums hätten Straftaten gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung geplant.


Also doch!


Die Aktion fand allerdings bereits in den Jahren 1999 und 2000 statt. Und wurde vom Dresdner Verwaltungsgericht im vorigen Jahr nachträglich für illegal erklärt. Das Conne Island war vom Verfassungsschutz erst im Jahr 2014 über die Überwachung informiert worden und hatte daraufhin Klage eingereicht. Die Verfassungsschützer konnten nach Ansicht des Gerichts keine Beweise für ihre Behauptung liefern.