Wie aus mindestens zwei sexuellen Übergriffen bei einem Volksfest in Schorndorf ein »migrantischer Sexmob« wird
In der Kleinstadt Schorndorf in Baden-Württemberg ist es am Wochenende zu Konfrontationen zwischen Jugendlichen und der Polizei sowie zu sexuellen Übergriffen gekommen. Die Faktenlage zu den Ereignissen ist bisher recht dürftig. Trotzdem fabuliert sich manch einer bereits eine zweite Kölner Silvesternacht daher.
Roland Eisele hat einiges klar zustellen. Bei der 49. Auflage des Volksfests »Schorndorfer Woche« hatte es am Freitag und Samstag mindestens zwei sexuelle Übergriffe gegeben. Auf der Pressekonferenz am Montag, die er zusammen mit dem Bürgermeister abhält, muss der Polizeichef immer wieder auf Gerüchte und Mutmaßungen antworten, die seit dem Wochenende nicht nur in Schorndorf kursieren. Von einem Mob von tausend Asylbewerbern ist da die Rede, die in die Kleinstadt gekommen seien, um gezielt Straftaten zu verüben. Und von marodierenden Banden mit Messern. Verschiedene Medien nahmen die Meldungen auf, aber vor allem bei Twitter und Facebook verbreiten sich Schreckensmeldungen von einem wütenden »Sexmob«, bestehend aus Migranten und Geflüchteten. Was tatsächlich passiert war, das breitet Eisele nun in einem gemütlichen Schwäbisch aus.
Im Schlosspark versammelten sich im Zuge des Musikfestivals »Schorndorfer Woche« in der Nacht zum Sonntag etwa 1000 Jugendliche und junge Erwachsene. Nach der Aussage von Oberbürgermeister Matthias Klopfer soll es sich bei den Feiernden vorrangig um Abiturienten und Realschüler gehandelt haben. Es kam, die Gründe dafür sind bisher ungeklärt, zu zahlreichen Flaschenwürfen gegen die Einsatzkräfte der Polizei und die Fassade des Schorndorfer Schlosses. Der Aalener Polizeipräsident räumte ein, dass die Polizei angesichts der unerwartet heftigen Gewaltausbrüche die Lage nicht immer unter Kontrolle gehabt habe. Die Einsatzkräfte hätten sich kurzzeitig zurückziehen und neu formieren müssen.
Im Laufe der Nacht wurden zwei Einsatzfahrzeuge der Polizei mit Graffiti besprüht, eines wurde durch ein Flaschenwurf beschädigt, an sechs Fahrzeugen wurden die Kennzeichen abmontiert und gestohlen. Im Zuge der »Schornsdorfer Woche« kam es auch zu sexuellen Übergriffen. Bei wie vielen der Besucher der Schornsdorfer Woche es sich um Migranten handelte, fragten verschiedene Journalisten bei der Pressekonferenz. Hier wollte sich der Polizeipräsident nicht genau festlegen. Nach Darstellung eines anderen Polizeisprechers vom Montag hat der Anteil von Migranten innerhalb der randalierenden Gruppe unter 50 Prozent gelegen. Als Hauptproblem nannte der Sprecher den Alkoholkonsum der Jugendlichen.
Bei einer Personenanzahl von 1000 Menschen, hauptsächlich bestehend aus Realschülern und Abiturienten, scheint die Behauptung eines »eingewanderten Sexmob« in den sozialen Medien höchst unplausibel. Zumal in der Stadt Schorndorf insgesamt nur 700 Flüchtlinge aufgenommen worden sind. Die Stadt selber zählt 39.000 Einwohner.
Sexuelle Gewalt, das zeigen einmal mehr die Reaktionen auf die Ereignisse in Schorndorf, wird nicht nur unterschiedlich gedeutet, sie wird von verschiedenen Akteuren in eine politische Agenda integriert. Empörung und politische Instrumentalisierung liegen so nahe beieinander wie es Differenzierung schwer hat. Statt von 1000 jungen Menschen schreibt AfD-Vize Beatrix von Storch von 1000 Migranten – entgegen der Aussage des Polizeipräsidenten, man »könne den Anteil der Migranten in der Gruppe nicht feststellen. Sie waren dort auch vertreten, aber eben nicht nur«. Von solchen Differenzierungen hält von Storch nichts. Sie bezeichnete die Ereignisse als eine »islamische Grapschparty«.
Die konkreten Taten und ihre Wirkung auf die Betroffenen treten in den Hintergrund und die öffentliche Debatte über Gewalt verliert ihre eigentliche Funktion: nämlich die Gewalt zu ächten. Wenn konservative Blogs und AfD-Politiker die Ereignisse genüsslich ausschlachten und Parallelen zu Köln ziehen, ohne dass es nur im Ansatz eine gesicherte Faktenlage zu den Ereignissen geben würde, geschieht das aus vielen Motivationen. Nicht aber aus Mitgefühl und Anteilnahme mit den Opfern.