Eine Schule kämpft gegen Abschiebungen

Erstveröffentlicht: 
30.06.2017

Die Philipp-Holzmann-Schule in Frankfurt setzt sich mit einem Workshop-Festival und Spendenaktion für 27 ihrer Schüler ein. Die Jugendlichen sind von der Abschiebung bedroht.

 

Es ist Anfang des Jahres, als in Hans-Christoph Stoodts Klasse ein Mädchen von seiner Ausreiseaufforderung erzählt. Innerhalb von sieben Tagen soll es mit ihrer Familie zurück nach Afghanistan. „Das war ein Cut“, sagt der Lehrer der Philipp-Holzmann-Schule. Nicht nur für den Unterricht an dem Tag, der war nicht mehr möglich, weil alle zu aufgewühlt waren. „Für die ganze Schule hat sich an dem Tag die Situation geändert“, sagt Stoodt. „Es kann schließlich nicht sein, dass unsere Schüler abgeschoben werden, ohne dass wir als Schule nennenswerten Widerstand leisten.“

 

Und so leistete die Berufsschule gemeinsam mit anderen Unterstützern der Familie Widerstand. Erfolgreich. Die Familie konnte bleiben. Aber die Schule recherchierte anschließend, wie viele ihrer Schüler negative Asylbescheide erhalten haben und von einer Abschiebung bedroht sind: 27 sind es. Die Jugendlichen sind im Alter von 17 bis 21 Jahren, sie kommen aus Afghanistan, Eritrea, dem Iran, Pakistan, dem Senegal, Marokko. Um auf deren Lage aufmerksam zu machen, hat die Schule am Donnerstag einen Aktionstag für die 27 Schüler organisiert: mit Workshops und einer Spendenaktion.

 

„Ich bin mehr, als du sehen kannst“, lautete das Motto, unter dem die 16 Workshops standen. „Wir möchten den Jugendlichen zeigen, dass sie ein Teil von uns sind, dass wir gemeinsam leben“, sagt Lehrerin Alina Papagiannaki-Sönmez. Mit zahlreichen Kooperationspartnern wie den Freunden Arabischer Kunst und Kultur, der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen, dem Pädagogischen Zentrum Frankfurt wurde das Workshop-Festival auf die Beine gestellt. Dabei ging es um Integration und Erfahrungen von Flucht, es wurden Träume und Wünsche diskutiert, aber auch gekocht, getanzt, Musik gemacht. 

 

Pro Schüler kostet die Betreuung etwa 1000 Euro


Und Spenden wurden bei einer Gala am Abend und im Internet gesammelt. Damit solle die Rechtsberatung der Schüler finanziert werden, sagt Papagiannaki-Sönmez. Pro Schüler koste die Betreuung durch einen Anwalt etwa 1000 Euro. Wie viel Geld bei der Spendengala zusammengekommen ist, stand bis Redaktionsschluss nicht fest.

 

Die Schule setzt indes nicht nur auf die Rechtsberatung, um ihre Schüler vor der Abschiebung bewahren zu können. Sie will sie etwa auch schnell in Ausbildungsverhältnisse vermitteln, weil dies eine sogenannte Ausbildungsduldung erwirken könnte. „Die schützt noch am besten vor der Abschiebung“, sagt Lehrerin Marlene Dort. Sie unterrichtet Deutsch als Zweitsprache und in ihrer Klasse sind zahlreiche Jugendliche von einer drohenden Abschiebung betroffen. „Ein Drittel bis zur Hälfte kommt aus Ländern, für die ein ablehnender Asylbescheid zu erwarten ist“, sagt Dort. Wie auch andere Lehrer ist sie Anlaufstelle für diese Schüler. „Viele der Jugendlichen sind nur mit wenigen Angehörigen oder ganz ohne Familie hier, sie reden daher sehr viel mit uns“, sagt sie.

 

Eine drohende Abschiebung hätte fatale Auswirkungen auf die Schüler. „Die Leistung bricht rapide ein“, sagt Dort. Die Perspektive, in Krieg und Hunger zurückkehren zu müssen, reiße Traumata auf. Auch Papagiannaki-Sönmez weiß von der Angst der Schüler vor der Abschiebung. „Unter diesen Umständen sind sie nicht mehr in der Lage, in eine Prüfung hineinzugehen.“ Auch Achmed kennt das Gefühl. Er ist vor zwei Jahren aus Afghanistan geflohen, vor mehreren Monaten wurde sein Asylantrag abgelehnt. „Man macht sich Gedanken, ob man überhaupt die Schularbeiten machen soll, ob man an eine Ausbildung denken kann“, sagt der 19-Jährige. Doch er ist auch nach Deutschland gekommen, um zur Schule zu gehen und eine Ausbildung zu erhalten. „In meiner Heimatstadt wurde das Schulgebäude durch Bomben zerstört“, sagt Achmed. „Ich konnte deshalb nicht mehr zur Schule gehen, obwohl ich eigentlich wollte.“

 

In Deutschland macht er gerade seinen Hauptschulabschluss an der Philipp-Holzmann-Schule. Sein Traum: ein Informatikstudium. Bis dahin ist es noch ein langer Weg, aber Achmed hofft, ihn in Deutschland gehen zu können.