Ein mutmaßlicher Mittäter gab den Ermittlern einen entscheidenden Tipp.
Von Andrea Schawe
Dresden. Ein Mitglied der sogenannten Gruppe Freital hat die mutmaßlichen Rechtsterroristen an die Polizei verpfiffen. Der Mann ging nach dem Anschlag auf das links-alternative Wohnprojekt in der Dresdner Overbeckstraße im Oktober 2015 auf das Revier. Er habe konkrete Angaben zu Tathergang und Tätern gemacht, sagte ein Kriminalhauptkommissar des Operativen Abwehrzentrums als Zeuge vor dem Oberlandesgericht Dresden. „Durch ihn kannten wir auch erste Pseudonyme, die im schwarzen Chat verwendet wurden“, so der Polizist, der einen Großteil der Ermittlungen geführt hat. Der 48-jährige Zeuge überreichte auch Farbfotografien des Gesprächsverlaufs im verschlüsselten Netzwerk Kakaotalk, in dem die Anschläge geplant wurden.
Sieben Männer und eine Frau stehen unter anderem wegen Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung, versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung vor Gericht. Die Anklage legt ihnen mehrere Sprengstoffanschläge in Freital und Dresden zur Last.
Die Aussage sei „ein Türöffner“ für die Ermittlungen gegen die Mitglieder der Gruppe gewesen. Vorher hatte die Polizei im Freitaler Trinkermilieu ermittelt, „wir haben überall und nirgendwo gesucht“. Erst nach den Anschlägen auf das Parteibüro der Linken und eine Asylbewerberunterkunft in Freital am 19./20. September 2015 ging die Polizei von einem größeren Zusammenhang der Taten aus und gründete die „Ermittlungsgruppe Deuben“. Vorher wurden die Taten einzeln verfolgt.
Der Zeuge ist kein Unbekannter. Torsten L. wurde im April 2016 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Er hatte unter anderem zusammen mit Timo S., einem der mutmaßlichen Rädelsführer der Gruppe Freital, nach einer Demo in Freital Pro-Asyl-Aktivisten angegriffen – nach einer Verfolgungsjagd wurde die Scheibe ihres Autos mit einem Baseballschläger eingeschlagen. Dabei wurde der Sohn von Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Martin Dulig verletzt. „Das sorgte in der Ermittlungsgruppe für Stirnrunzeln, den Namen als vertraulichen Zeugen zu sehen“, erinnert sich der Kriminalhauptkommissar.
Doch nicht unbeteiligt?
Für seine Aussage hatte die Staatsanwaltschaft Dresden Torsten L. Vertraulichkeit zugesichert. Es soll auch Kontakt zum Verfassungsschutz gegeben haben, eine Zusammenarbeit kam allerdings nicht zustande. „Es gab kein intensives Verhältnis“, sagte der Ermittler. Im April 2016 meldete sich L. erneut bei der Polizei: Er wolle reinen Tisch machen, hieß es. Er fragte nach einem Kontakt zu Beamten des Bundeskriminalamtes oder des Operativen Abwehrzentrums, weil er „Hintergrundwissen“ habe. Zu diesem Zeitpunkt sei er noch dabei gewesen, die Gruppe habe sich einmal wöchentlich getroffen und er habe noch Zugang zum verschlüsselten Chat gehabt.
Der Hauptangeklagte Timo S. widersprach der Aussage von Torsten L. Er sei beim Anschlag auf das Wohnprojekt kein Unbeteiligter gewesen, L. habe aktiv Steine auf das Wohnhaus geschmissen. Mittlerweile wurde die Vertraulichkeitsvereinbarung zurückgezogen. Seit Sommer 2016 wird auch gegen L. ermittelt.